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Die Frankfurter Gruppe Thunder in Paradise hat kürzlich folgenden Artikel veröffentlicht, dem wir große Verbreitung wünschen. Eine längere Fassung, die einen Exkurs zum Begriff des islamischen Antisemitismus enthält, kann als PDF-Download bezogen werden.

Die Pädagogen der Demagogen

Zur Islam-Apologie der Bildungsstätte Anne Frank

Es gehört zu den oft wiederholten Binsenweisheiten, dass Tote sich nicht wehren können und deshalb mit ihnen allerlei Schindluder getrieben wird. Die in Bergen-Belsen ermordete Anne Frank bildet hier keine Ausnahme. Unter Verwendung ihres Namens wurden allein in den letzten Jahren allerlei Grotesken aufgeführt. Bundesweite Aufmerksamkeit erregte die Deutsche Bahn, als sie im Oktober 2017 bekannt gab, die ICEs ihrer neuen Flotte nach berühmten Persönlichkeiten der deutschen Geschichte benennen zu wollen, unter anderem nach Anne Frank. Der Skandal flaute allerdings rasch wieder ab: Nachdem Kritiker auf die Geschmacklosigkeit hingewiesen hatten, einen Zug des Reichsbahn-Nachfolgers nach einem Holocaustopfer zu benennen, lenkte die Bahn im Februar 2018 reumütig ein. (1) Guten Gewissens können sich die Deutschen nun in Karl Marx- oder Konrad Adenauer-Zügen transportieren lassen. Entschieden unaufgeregter ging es zu, als 2015 das Schauspiel Frankfurt Redouan Abdellaoui gestattete, in einer Broschüre zum Jahresprogramm „Über Leben“ Anne Frank zur Palästinenserin und die Israelis zu den neuen Nazis zu erklären: „Damals war es Anne, die unter einem feindlichen Regime leben musste. Heute sind es Kinder in Palästina, die in ihrer Welt keinen Platz für Freude, Spaß und Liebe finden. […] Ohnmächtig sieht alle Welt zu, wie dort Völkermord begannen wird.“ (2) Hingegen überhaupt kein Widerspruch regte sich bislang dagegen, dass eine in Frankfurt ansässige, landesweit tätige und in zahlreichen Schulen, Betrieben und Behörden aktive Bildungsstätte Anne Frank seit Jahren unter Verschwendung öffentlicher Gelder muslimischen Antisemitismus bagatellisiert, die islamische Frauenverschleierung verteidigt und antisemitischen Israelhass verharmlost: alles im Namen Anne Franks.

Dass dabei nicht nur tote Holocaustopfer vor ihrer Instrumentalisierung nicht sicher sind, bewies die Bildungsstätte jüngst, indem sie die Auschwitz-Überlebende Trude Simonsohn dazu bewegte, sich ein Podium mit Sanna Hübsch zu teilen, einer Aktivistin aus dem Umfeld der antisemitischen Free Palestine FFM-Gruppierung, die die BDS-Bewegung unterstützt und von einer dritten Intifada träumt. (3)

Es handelt sich hierbei keineswegs um einen Ausrutscher. Ebenso wenig ist die Bildungsstätte einfach blind für muslimischen Antisemitismus und Antizionismus. Spätestens seit der 2013 erfolgten Umbenennung der ehemaligen „Jugendbegegnungsstätte“ in „Bildungsstätte“ und dem damit einhergehenden Schwerpunktwechsel – weg von der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Erinnerung an den Holocaust, hin zum antirassistisch aufpolierten empowerment gegen jedwede Diskriminierung – gehören die offensive Immunisierung gegen Kritik am muslimischen Antisemitismus sowie der Schulterschluss mit muslimischen Polit-Aktivisten fest zum Programm.

Antinationaler Freispruch für die Ummah

Die Tabuisierung der Kritik des Islam wird ganz im Zeichen des Kampfs gegen rechts vollzogen. Dass man an die Fördertöpfe nur rankommt, wenn man Jagd auf das von der linksliberalen Machtelite gefürchtete „Gespenst des Populismus“ (4) macht, lässt diesen Kurs plausibel erscheinen. Nichtsdestoweniger niederträchtig ist die zu diesem Zweck betriebene Verflachung eines kritischen Antisemitismusbegriffs. In der Einleitung zum 2017 erschienenen Sammelband Fragiler Konsens. Antisemitismuskritische Bildung in der Migrationsgesellschaft (5) schreiben Meron Mendel, der seit 2010 amtierende Direktor der Bildungsstätte, und die Mitherausgeberin Astrid Messerschmidt: „Nach wie vor bildet ein nationalistisches[!] Weltbild die Leitideologie des Antisemitismus“. (6) Das antinationale Weltbild supranational agierender radikaler Muslime muss folgerichtig als mit dem Antisemitismus unvereinbar oder ihm wenigstens fremd gelten: Ummah ungleich Nation. Beim Antisemitismus handele es sich nun einmal in erster Linie um einen in nationalen Kollektiven wirksam werdenden Ausschlussmechanismus: „So impliziert etwa die bis heute geläufige Dichotomisierung zwischen ›Juden‹ und ›Deutschen‹, dass erstere aus der Gruppe der letzteren ausgeschlossen werden und als nicht-deutsch gelten.“ (7) Solchermaßen auf ein gruppensoziologisch beschreibbares Strukturphänomen nationaler Gemeinschaften heruntergebracht, lässt sich dem Antisemitismus problemlos eine Artverwandtschaft mit dem „antimuslimischen Rassismus“ attestieren: „Zu beobachten sind derartige Verletzungen des Gleichheitsprinzips gegenwärtig auch in den ausgrenzenden Sichtweisen auf Bevölkerungsteile, die als muslimisch oder arabisch adressiert werden.“ (8)

Weil sich die Bildungsstätte einerseits auf den Kampf gegen Antisemitismus verpflichtet sieht, andererseits aber beansprucht, „nicht zuschreibend oder kulturalisierend zu arbeiten“, steht sie angesichts der Existenz muslimischer Antisemiten vor einem „Dilemma“:

[E]ine zielgruppenspezifisch pädagogische Arbeit gegen Antisemitismus mit und für Muslim_innen [birgt] die Gefahr, die gesamte Gruppe unter Generalverdacht zu stellen. Zum anderen scheint Antisemitismus unter Muslim_innen eigenständige und differenzierte Eigenschaft entwickelt zu haben, die eigener Formen der pädagogischen Intervention bedürfen.“ (9)

Ziel müsse daher eine „intersektional informiert[e] Bildungsarbeit“ sein, die die „Gleichzeitigkeit von (antimuslimischem) Rassismus und Antisemitismus“ zur Kenntnis nimmt. (10) Wie pädagogische Interventionen unter dieser Prämisse auszusehen hätten, verrät Saba-Nur Cheema, die pädagogische Leiterin der Bildungsstätte.

Antisemitismuskritik unter Rassismusverdacht

Saba-Nur Cheemas Beitrag zum oben genannten Sammelband steht unter der Überschrift „Gleichzeitigkeiten: Antimuslimischer Rassismus und islamisierter Antisemitismus – Anforderungen an die Bildungsarbeit“. (11) Cheema bereitet es sichtlich große Mühe, das Kuriosum eines „antimuslimischen Rassismus“ zu erklären. Sie selbst liefert die für eine solche widersinnige Konstruktion notwendige Annahme einer unauflöslichen Verquickung von Konfessionszugehörigkeit einerseits und phänotypischer sowie kultureller Merkmale andererseits: Menschen können, so Cheema, „aufgrund bestimmter Differenzmarker (das Äußere, der Name, die Sprache etc.) als Muslim*innen erkennbar“ sein – die rassekundliche Bestimmung von muslimischer Sprache und muslimischem Aussehen bleibt Cheema dann allerdings schuldig. Diese wie auch immer erkannten Muslime würden aus der „gesellschaftlichen Dominanzposition“ „weißer christlicher/atheistischer Deutscher bzw. Europäer“ heraus „muslimisiert“: (12) So nennt Cheema die „rassistische“ Reduktion einer Person auf ihre Religion. Tatsächlich ist diese „Muslimisierung“ keine Erfindung von Rassisten, sondern Resultat der (Selbst-)Islamisierung von Muslimen vermittels einer multikulturalistischen „Politik der Anerkennung“, die öffentliche Förderung und Sonderrechte denen verspricht, die sich im Kanon der kulturellen Identitäten eindeutig verorten. Das von Cheema beklagte Übersehen von „Mehrfachzugehörigkeiten“ ist damit keine neuartige Praxis „antimuslimischer Rassisten“, sondern konsequente Folge einer identitätspolitischen Logik, wonach in allen Bereichen des öffentlichen Lebens die kulturelle Zugehörigkeit die soziale Lage sticht. (13) Das vergleichsweise hohe Identifikationsniveau von europäischen Muslimen mit ihrer Religion ist – mit allen bekannten, fatalen Folgen – auch Resultat dieses kulturalistischen Dispositivs. (14) Wer das islamische Ticket zieht, subsumiert sich unter eine als omnipotent halluzinierte Ummah, deren Selbstüberschätzung aufgrund der permanenten Hofierung durch Staat und Zivilgesellschaft noch steigt. Auch resultiert die Identifikation mit dem Islam aus dem verzweifelten Wunsch, die als individuelle Inauthentizität erlebte Vergesellschaftung auf ein erträgliches Maß zu stutzen: In der klar umrissenen Gemeinschaft, die einem menschenfeindlichen, aber stupide simplen und ewig gültigen Regelwerk folgt, lässt sich die Zumutung der Individuation innerhalb einer deregulierten Gesellschaft als zersetzender Angriff auf das scheinbar authentische, mit sich selbst identische Glaubenskollektiv abspalten. (15) Zur antisemitischen Feinderklärung ist es von hier aus nicht mehr weit.

Wer diese Ideologie und ihre Vertreter ins Visier der Kritik nimmt und eine in Genese und Verlaufsform spezifisch muslimische Form des modernen Antisemitismus diagnostiziert, wird von Saba-Nur Cheema des antimuslimischen Rassismus geziehen, ungeachtet der Tatsache, dass Abnehmer des islamischen Identitätsangebots über ethnische oder „rassische“ Grenzen hinweg existieren:

Es fällt bereits in der sprachlichen Benennung auf, dass ›muslimischer‹ oder ›islamischer‹ Antisemitismus eine Gruppenzuschreibung[!?] verursacht (›die Muslime‹) und einen Verdacht[!?] formuliert (›Muslime sind antisemitisch‹). Letztlich folgt diese Gruppenkonstruktion einer rassifizierenden[!?] Logik, in der Muslimsein nicht als religiöse Zugehörigkeit gelesen wird, sondern ethnisiert[!?] wird.(16)

Solcher Blödsinn, der jeden Verdacht, die Autorin sei wenigstens im Ansatz um logisch kohärentes Argumentieren bemüht, aus dem Weg räumt, kann nur geglaubt werden, weil er die Qualität eines quasi-religiösen Mantras hat, mit dem das diskursive Tabu über den Islam wissenschaftliche Weihen erhält. Wenn bereits die Prädikation als „muslimisch“ oder „islamisch“ eine rassistische Gruppenzuschreibung verursache, würde man der gleichen Unlogik zufolge mit der Rede vom christlichen Antijudaismus alle Christen unter Generalverdacht stellen oder mit einer Bemerkung über islamische Kunst sämtliche Muslime zu Künstlern erklären – eine angesichts des trostlosen Zustands der islamischen Welt besonders haarsträubende Vorstellung. Eine Blamage ist Cheemas scheinbarer Anti-Essentialismus aber auch, weil sie gegen die „rassistische“ Konstruktion eines muslimischen Antisemitismus völlig unbekümmert den Verweis auf einen „im Ursprung […] europäischen“ Antisemitismus in Stellung bringt – freilich ohne sorgenvoll vor einem Generalverdacht gegen Europäer zu warnen. (17)

Europäisierung des Antisemitismus

Cheema bedient sich hier an der Trickkiste der postkolonialen Theorie: Ob es um islamische Frauenfeindlichkeit, islamischen Schwulenhass oder islamischen Antisemitismus geht, stets wird auf die Gefahr einer kultur-rassistischen Essentialisierung verwiesen, um im nächsten Schritt Frauenfeindlichkeit, Schwulenhass oder Antisemitismus zu einem „Import aus Europa“ (18) zu erklären, der „im Zuge des Kolonialismus“ (19) dem eigentlich und ursprünglich menschenfreundlichen und toleranten Islam durch den essentiell orientalistischen Westen aufgenötigt worden sei. Dementsprechend sei Cheema zufolge der im Kern europäische Antisemitismus lediglich einer „islamistischen Semantik“ angepasst worden. (20) Statt rassistisch und essentialisierend von muslimischem Antisemitismus zu sprechen, könne man höchstens einen „islamisierten Antisemitismus“ feststellen:

Bei dem islamisierten Antisemitismus handelt es sich um ein genuin europäisches Phänomen, das mit denselben antisemitischen Mythen und transportierten Stereotypen arbeitet, die ›aus ihrem ursprünglichen kulturellen und religiösen Kontext herausgelöst werden können, um andernorts vorhandene Feindbilder zu ergänzen oder zu modifizieren‹. (21)

Die Rede vom „islamisierten Antisemitismus“ versteht Cheema ausdrücklich als „Kritik der weit verbreiteten Praxis […], bestehende antisemitische Weltbilder, Ideen, Feindbilder und Stereotype in islamisch geprägten Gesellschaften auf einen von europäischer Geschichte unabhängigen dezidierten islamischen Hintergrund zurückzuführen.“ (22) Übernommen hat sie den Begriff vom Islamwissenschaftler Michael Kiefer, (23) der mit seinem 2002 erschienenen Buch Antisemitismus in den islamischen Gesellschaften die These populär gemacht hatte, dass der Zionismus ursächlich für den islamischen Antisemitismus sei, die Juden also selber schuld seien. (24)

Von einer spezifisch islamischen Genese und Ausprägung des Antisemitismus zu sprechen, ohne dessen Charakter eines allgemeinen Krisenphänomens der Moderne zu leugnen, setzt voraus, den Antisemitismus gerade nicht als überhistorische Kultureigenschaft zu begreifen. Cheema stellt zwar jede Rede von muslimischem Antisemitismus unter Essentialismusverdacht, betreibt jedoch selbst, was sie Kritikern des muslimischen Antisemitismus unterstellt, nämlich die Kulturalisierung des Antisemitismus – wenn auch in umgekehrter Richtung: Sie will den Antisemitismus als originär europäisches Kulturgut verstanden wissen, das sich wie eine Goethe-Werkausgabe, die Dampflok oder Spaghetti Bolognese überallhin exportieren ließe – ohne auch nur zu fragen, wie die jeweilige Nachfrage zustande kommt. Indem sie den Antisemitismus europäisiert, verliert sie die universalhistorische Perspektive, in der allein sich das Besondere im Allgemeinen fassen lässt. In ihrem Eifer entgeht ihr, dass sie dabei wahrhaft eurozentristisch argumentiert: Muslime sind nur passive Empfänger kultureller Importwaren oder handlungsunfähige Opfer von Diskriminierung.

Ehrenrettung der Muslime

Weil Cheema um jeden Preis die Muslime als Unschuldslämmer verhätscheln will, kann nicht sein, was nicht sein darf: Dass es im Grunde nicht einmal der historischen Analyse bedarf, um die Existenz des muslimischen Antisemitismus, der jedem erfahrungsfähigen Menschen brutal vor Augen tritt, anzuerkennen. Für Cheema aber gibt es nicht nur kein muslimisches Spezifikum, sondern auch kein überproportionales Problem:

Das Existieren antisemitischer Einstellungen in islamisch geprägten Gesellschaften und bei deutschen Muslim*innen darf nicht geleugnet werden, während es gleichzeitig keine signifikante Korrelation zwischen Muslimsein und antisemitischen Haltungen gibt. (25)

Wer hier bloße Faktenresistenz vermutet, unterschätzt die Bereitschaft zur unverfrorenen Lüge, die zu den Einstellungsvoraussetzungen im staatlich alimentierten Polit-Bildungsbetrieb gehört. Erst vor kurzem hat eine Studie unter rheinländischen Schülern ergeben, dass Juden (und Homosexuelle) von muslimischen Schülern häufiger abgelehnt werden als von Atheisten und Christen, die jeweils nahezu gleiche Quoten erzielen. (26) Eine 2008 erfolgte Befragung von circa 4000 türkisch- und marokkanischstämmigen Muslimen aus sechs europäischen Ländern ergab, dass Muslime häufiger antisemitisch sind als Christen aus der Vergleichsgruppe. Von den fundamentalistischen Muslimen, die z.B. unter europäischen Sunniten circa 50% ausmachen, sind über 70% judenfeindlich. (27) Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass etwa ein Viertel aller Europäer antisemitisch ist, während im Mittleren Osten und Nordafrika drei Viertel der Bevölkerung judenfeindliche Ressentiments hegen. (28) Dass in diesem Jahrhundert in Europa alle antisemitischen Morde von Muslimen begangen wurden (29) und dass Juden angeben, um ein Vielfaches häufiger von Muslimen beleidigt oder attackiert zu werden als von Nazis oder Linken, (30) hält Meron Mendel, den Chef der Bildungsstätte Anne Frank, nicht davon ab, die längst als verzerrend erwiesene polizeiliche Statistik über Verdachtsfälle politisch motivierter Straftaten heranzuziehen, um den Rechtsextremismus zur größten Bedrohung von in Deutschland lebenden Juden aufzubauschen. (31) Wenn es seitens der Bildungsstätte um muslimischen Antisemitismus geht, ertönt jedes Mal die ewig gleiche Leier, dass es auch nicht-antisemitische Muslime und vor allem auch ganz viele nicht-muslimische Antisemiten gibt. Bloß: Wer Hinweisen auf faule Äpfel stets entgegenhält, dass immerhin nicht alle Äpfel faul seien, es zudem auch faule Birnen gebe und ganz grundsätzlich jedes Obst verderben könne, setzt sich zurecht dem Verdacht aus, weniger die Bekämpfung der Fäulnis als vielmehr die Ehrenrettung der Äpfel im Sinn zu haben.

Für die polit-pädagogische Arbeit mit antisemitischen Muslimen hält Cheema ein dementsprechendes Konzept bereit: Vorzugsweise sollen Nicht-Muslime vom antisemitismuskritischen Gewerbe ausgeschlossen werden, weil „weiße“ Pädagogen die armen Muslime rassistischen „Otheringprozessen“ aussetzen könnten. Cheema folgt damit ganz der clanmäßigen Devise: „Wir klären das unter uns.“ Hoffnung macht nur, dass diese Empfehlung ohnehin von kaum jemandem verstanden wird, weil sie in der schwindelerregenden Geheimsprache queerer Critical Whiteness-Ideologen verfasst ist:

Leider bleibt es meistens bei einer weißen und implizit nichtjüdischen und nichtmuslimischen Perspektive, wodurch die Präsenz von nichtweißen, muslimischen bzw. muslimisch markierten, jüdischen bzw. jüdisch markierten Pädagog*innen ausgeblendet wird. Um die Marginalisierung von muslimisch markierten Jugendlichen in Bildungsräumen nicht fortzusetzen, wäre es denkbar, dass sie zu bestimmten Themen mit marginalisiert positionierten, beispielsweise muslimisch markierten Pädagog*innen arbeiten – um gesellschaftliche Machtverhältnisse von Dominanz und Marginalisierung nicht erneut zu reproduzieren. Wenn weiß-positionierte Pädagog*innen mit muslimischen Jugendlichen über Antisemitismus sprechen, finden sich letztere erneut in machtvollen Prozessen von Fremdzuschreibung und einer gesellschaftlich marginalisierten Position wieder – unabhängig[!] von der Herangehensweise, Sprache und Methode des/der Pädagog*in. (32)

„Wenn Anne ein rosa Pali-Tuch trägt“

Einen weiteren heißen Tipp fürs antirassistisch korrekte „Sprechen über Antisemitismus“ hält der Bildungsst ätten-Direktor Meron Mendel bereit: Bloß nicht die Rede auf Israel kommen lassen! „Ziel einer Pädagogik, die gegen diese Form des Antisemitismus arbeitet, soll nicht zwangsläufig eine Aufklärung über den Nahost-Konflikt sein. Vielmehr sollen Konflikte des Zusammenlebens in der Migrationsgesellschaft in den Mittelpunkt gestellt werden, um Gründen und Ursachen der antisemitischen Ideologie entgegenzuwirken.“ (33) Dass der antisemitische Hass heutzutage weniger auf die Juden als Religionsgemeinschaft oder „Rasse“ zielt, sondern auf die Juden als Nation und Kritik des Antisemitismus daher Parteinahme für den Zionismus voraussetzt, kommt Mendel nicht in den Sinn, denn „[a]uch wenn der reale Israel-Palästina-Konflikt zur Begründung dieses Argumentationsmusters dient, ist die Zunahme von islamistischem Antisemitismus in Deutschland vornehmlich als Ausdruck von sozialer Ungleichheit, Diskriminierungserfahrungen und einem Mangel an Anerkennung[!] von Muslimen hierzulande zu verstehen.“ (34) Sind Antisemitismus und Islamismus erst einmal zu Unmutsbekundungen Diskriminierter umgelogen, (35) erscheint auch das arabisch-palästinensische Vernichtungswerk in neuem Licht: „Die Staatsgründung Israels und die militärische Niederlage im 1948-Krieg wurden in der arabischen Welt als ›Nakba‹ (die Katastrophe) und infolgedessen als große Demütigung empfunden. Der europäische Antisemitismus wurde dann[!] in der arabischen Welt brauchbar, um ein Feindbild zu vermitteln.“ (36) Ganz im Geiste solchen Nakba-Gedenkens und ergänzt um die Prise queerness, ohne die heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist, sollte das von der Bildungsstätte im Juni 2018 eröffnete „Lernlabor zu Antisemitismus und Jugendkultur in der Migrationsgesellschaft“ unter dem Motto stehen: „Wenn Anne ein rosa Pali-Tuch trägt“. (37)

Mit Kinder-Kopftuch gegen Sexismus und Rassismus

Im Bildungsstätten-Lernlabor, das mittlerweile den Namen „Morgen mehr“ trägt, gibt es nun zwar keine Pali-Tuch tragende Anne Frank, dafür aber sind alle großen und vor allem kleinen Besucher zum Kopftuch-Selbstversuch eingeladen: Ein Pappaufsteller zeigt zwei stolz verschleierte Superheldinnen mit Aussparungen unter dem Hijab, durch die empowering-bedürftige Kinder ihre Köpfe stecken können. (38) Kinder unterm Kopftuch gehören für die Bildungsstätte ganz unverhohlen zu den Zielen ihrer Arbeit: Als im Mai 2018 eine Steinbacher Grund[!]schule in ihre Schulordnung ein generelles Verbot von Kopfbedeckungen aufnahm, um der Praxis der Mädchenverschleierung entgegenzutreten, brach ein antirassistisch-islamischer Shitstorm gegen die Schulleitung los, (39) bei dem auch die Bildungsstätte Anne Frank mitmischte. In ihrer Pressemitteilung „Zum Fall des Kopftuchverbots an einer hessischen Schule“ (40) erklärt die Bildungsstätte kindliche Opfer der misogynen Verschleierungspraxis zu „Betroffene[n] von Rassismus“, um derentwillen man für das Kinderkopftuch in die Bresche springen müsse. Perfiderweise ergänzte Meron Mendel die Rassismusanklage noch um einen Antisemitismusvorwurf, denn „[e]ine Schulordnung, die das Tragen von Kopftuch oder Kippa[!] im Unterricht verbietet, sendet ein völlig falsches Signal in einer Zeit, in der Menschen in Deutschland angegriffen werden, weil sie Kippa oder Kopftuch tragen“ – dabei war von jüdischen Schülern, die möglicherweise betroffen sein könnten, bis dato überhaupt keine Rede und die Intention des Verbots, die Kinderverschleierung zu unterbinden, unmissverständlich. Kritisieren müsste man die Schule höchstens dafür, dass sie aus falscher Vorsicht gegenüber den Fürsprechern islamischer Zumutungen auch harmlose Basecaps und Kippot verboten hat, anstatt explizit und ausschließlich das Kopftuch aus dem Klassenzimmer zu verbannen; eine Vorsicht indes, die ihnen – der Shitstorm beweist es – letztlich ohnehin nichts genützt hat.

„Das Kopftuch gehört ins Klassenzimmer“, diese Devise hat sich die Bildungsstätte bereits vor Jahren zu eigen gemacht. (41) Wem das noch nicht genug ist, der darf mit interreligiös bemühten Antira-Coaches die Frage eruieren: „Gehört der Islam zu unserer Kita?“, so der Titel eines Pädagogen-Fachtags von 2017. (42) Kopftuch-Propaganda verbreitet die Bildungsstätte derweil auf allen Kanälen: mal mit einem Anti-Sexismus-Video des Muslimbrüder-Senders Al-Jazeera, (43) ein andermal mit einem Filmbeitrag der „Komiker“-Truppe „Die Datteltäter“, die nach eigener Auskunft einen „Empörungsdschihad“ im Namen des „Satire-Kalifats“ führt. (44) In einer von Saba-Nur Cheema herausgegebenen Publikation darf Deutschlands Islam-Maskottchen Khola Maryam Hübsch behaupten, dass Ehrenmorde nichts mit dem Islam zu tun hätten und das Kopftuch aus feministischer Sicht die tolle Möglichkeit biete, „sich dem männlichen Blick zu entziehen und die Deutungshoheit über den weiblichen Körper zurückzugewinnen.“ (45) Zuletzt stellte sich die Bildungsstätte offensiv gegen das von der feministischen Organisation Terre des Femmes geforderte Kopftuchverbot für Minderjährige. (46)

Solidarisch mit linken Antisemiten

Zu einem Verein, der verhindern will, vom virulenten islamischen Antisemitismus zu sprechen, der auf die Freiheit von Frauen und Mädchen spuckt, sobald die islamische Verschleierung auf dem Spiel steht, und der mit Islam-Advokaten wie den Hübsch-Schwestern oder Kübra Gümüşay gemeinsame Sache macht, sollten sich irgendwie als progressiv verstehende Menschen auf größtmöglichen Abstand gehen, möchte man meinen. Tatsächlich aber ist die Bildungsstätte ein beliebtes Auffangbecken für antideutsch Politisierte mit Immatrikulationshintergrund. Man mag es auf die geringe Nachfrage an Leuten schieben, die nichts gelernt haben außer ein paar Powersätzen gegen Antisemitismus, aber trotzdem ihr Auskommen finden müssen. Dafür, der Bildungsstätte gegenüber pro-zionistischen Antisemitismusgegnern den Rücken frei zu halten, sind die jungen Adjutanten von Cheema, Mendel und Konsorten nichtsdestotrotz selbst verantwortlich. Als Karrieresprungbrett taugt ihnen der Laden, sofern sie zum Islam die Klappe halten und brav die Sparte „linker Antisemitismus“ bespielen: beispielhaft Leo Fischer, der jetzt Bildungsstätten-Mitarbeiter ist, für den es sich also bereits gelohnt hat, zu Titanic-Zeiten niemals durch einen Mohammed-Witz aufgefallen zu sein. Auch er gehörte zu den Rednern auf der vom umtriebigen Tom Uhlig organisierten Konferenz „Das Gegenteil von gut – Antisemitismus in der deutschen Linken“, die neben den üblichen Verdächtigen wie etwa Floris Biskamp oder Micha Brumlik überraschenderweise auch Karin Stögner im Programm hatte, die ansonsten den intersektionalen Irrsinn, für den die Bildungsstätte steht, in Bausch und Bogen kritisiert. Sahnehäubchen der Tagung war das Abschlusspodium u.a. mit Jutta Ditfurth, die zwar bei jeder Gelegenheit gegen antisemitische Wahnwichtel ätzt oder gegen BDS auf die Straße geht, die sich beim links-identitären Kampf gegen rechts die Israelsolidarität aber nicht in die Quere kommen lässt: Im Vorfeld der Frankfurter OB-Wahl bezeichnete sie den unabhängigen Kandidaten Volker Stein als AfD-Freund, der „gegen Migrant*innen, Frauen und Freunde Israels hetzt“. (47) Tatsächlich hatte Stein erst kurz zuvor in einer Pressemitteilung anlässlich einer geplanten Palästinenserdemonstration verlauten lassen: „[D]ie Polizei [muss] entschieden und hart durchgreifen. Für Judenhasser und Flaggenverbrenner gibt es keinen Platz in Frankfurt.“ (48) Dessen ungeachtet empfahl Ditfurth in ihrem Warnruf, an seiner statt zum Beispiel Janine Wissler zu wählen, eine ausgewiesene Antizionistin, die auf Pro-Gaza-Demos gegen den Judenstaat agitiert und Mitglied der pro-islamistischen Marx21-Plattform ist. Ditfurth passte damit perfekt ins Programm der Konferenz, deren Motto sie bereits antizipiert hatte: ging es laut Einladungstext doch darum, linke Judenfeindschaft „im Rahmen einer solidarischen[!] Kritik“ zu thematisieren. (49)

Die Solidarität gegen rechts, die weder bei roten noch bei grünen Antisemiten haltmacht, schweißt Kopftuchfreunde und linke Antideutsche zusammen. Arbeitsteilig agieren sie gegen „rassistische“ Islamfeinde und neuerdings eben auch gegen altbackenen linken Antisemitismus, den ins Visier zu nehmen mittlerweile recht und billig ist. Es scheint, dass umso mehr vom linken Antisemitismus die Rede ist, je weniger es ihn in seiner klassischen Variante gibt: Längst hat sich der Antizionismus sozialistischer Splittergruppen als Israelkritik des politischen und gesellschaftlichen Mainstreams verallgemeinert. Praktisch bedeutete der linke Antisemitismus den bewaffneten Kampf gegen die Juden und ihren Staat, Seite an Seite mit arabisch-islamischen Terrorgruppen. Dieses Geschäft wird mittlerweile staatlicherseits geführt: von Iran-Kollaborateuren, die gemeinsam mit der Islamischen Republik Front gegen die USA und Israel machen und von Palästina-Financiers, die die Kriegskassen von Hamas und Fatah füllen. Theoretisch bedeutete der linke Antisemitismus die zunächst antiimperialistisch und schließlich antinational begründete Delegitimierung der staatsförmigen jüdischen Selbstverteidigung. Konsens ist diese Gesinnung spätestens seitdem der Deutsche Bundestag keine Parteien mehr kannte, als es darum ging, die israelische Abwehr der Mavi Marmara-Invasion zu verurteilen. Die Steinmeiers und Gabriels, die die jüdische Souveränität im Namen des antinationalen Kampfs gegen rechts und für offene Grenzen untergraben wollen, tun ihr Übriges. Gefährlich ist dieser aus der Linken erwachsene Mainstream-Antisemitismus, insofern er den gewaltsam auf Vernichtung zielenden islamischen Antisemiten den Rücken stärkt. Nichts anderes aber tun die ehrbaren Antisemitismuskritiker von der Bildungsstätte Anne Frank, wenn sie mit ein paar Reden zu ›regressiver Kapitalismuskritik‹ und ›problematischem Antizionismus‹ helfen, den muslimischen Judenhass aus der Schusslinie zu nehmen.

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