Zum Stand des queeren Jihad
Ein kurzer Etappenbericht der Hedonistischen Mitte – Brigade Mondän
Bekanntlich hat Judith Butler, die mit ihren theoretischen und politischen Interventionen in den 1990ern maßgeblich zur Entstehung der vermeintlich feministischen Gender Studies samt der bevorzugten Disziplin queer theory beitrug, im Sommer 2006 in Berkeley die Juden-, Frauen- und Homosexuellen-Mörder von Hamas und Hizbollah als „progressiv“, als „Teil einer globalen Linken“ bestimmt (1). Als Butler dann 2010 in Berlin weilte, um zum einen mit der Ablehnung des ihr vom CSD angetragenen Zivilcouragepreises ein Zeichen gegen sich angeblich im schwulen Mainstream des Westens verbreitende Ideologien wie „Homo-Nationalismus“, „Islamophobie“ und „Bellizismus“ bzw. „Militarismus“ zu setzen, und zum anderen in der Volksbühne eine Rede über queere Bündnisse zu schwingen, wurde sie von Taz und Jungle World mit ihrem Zitat konfrontiert. Mit der größten Selbsverständlickeit hielt die Autorin von Gender Trouble daran fest, dass Hamas und Hisbollah „deskriptiv“ als „links“ und „progressiv“ zu beschreiben seien, sie würde den gewalttätigen „Widerstand“ dieser „Bewegungen“ allerdings nicht unterstützen, da sie für gewaltlose Widerstandsformen optiere. Dann ging Butler mit einer Rhetorik der Selbstviktimisierung, die zwar im allgemeinen für den Postfeminismus typisch, für eine Antizionistin, die ihr Recht auf „Israel-Kritik“ sonst beständig von „Antisemitismus-Keulen“ bedroht wähnt, im besonderen dennoch bemerkenswert ist, zum Gegenangriff über. Wer nämlich Kritik an Butlers Kuschelkurs mit antisemitischen Jihadisten übt, sei selber antisemitisch: „Ich spüre in der Tat wieder [sic!] meine Verletzbarkeit als Jüdin [sic!] in Deutschland, wenn ich auf diese Art und Weise in den Medien diskreditiert [sic!] werde.“ (2) So weit, so armselig. Und so vorhersehbar. Potential zu einem veritablen Skandal hatten Butlers offene Annäherungen an den Islamismus nämlich ohnehin nie: wenn diese weder 2006 noch 2010 dazu führten, dass ihre queertheoretischen Schülerinnen und Schüler vor sich selbst erschrocken sind, dann, weil es – angesichts dessen, was im postfeministischen Milieu als „links“ und „progressiv“ gilt – von Anfang an nur folgerichtig war, Hamas und Hisbollah in die Queer-Community einzugemeinden. So hat schließlich Butler selbst den politischen Kampf-Begriff queer im Rahmen ihrer Volksbühnenrede umdefiniert. Beschränkte er sich zuvor noch auf sexuelle Minderheiten, so sei nun alles als queer zu verstehen, was irgendwie subaltern und subversiv sei – und das sei eben alles, was nicht weiß, nicht männlich, nicht heterosexuell und nicht amerikanisch ist. Wie den Queer-Linken inzwischen also auch die grünen Macker von Hamas und Hisbollah oder harmlosere muslimische Patriarchen als queer durchgehen, so haben sie bereits die Burka als Einspruchsinstanz gegen „westliche“ Sexualität begrüßt (wie Judith Butler, Christina von Braun und Bettina Matthes) (3) und weibliche Genitalverstümmelungen gerechtfertigt, weil es rassistische Anmaßung sei, die Orgasmusfähigkeit als Grundlage einer erfüllten Sexualität von Frauen universell zugrunde zu legen (so die Postfeministen im hauseigenen Bulletin der Gender Studies an der Humboldt Universität(4)). Eine Linke, die – ob queer oder stalinistisch – Osama bin Laden lieber hätte straffrei davonkommen sehen (Butler und Noam Chomsky), bevor dieser von „Terroristen“ (Butler und junge welt) zur Rechenschaft gezogen wurde, eine Linke, die ganz im Einklang mit den postkolonialen Anwälten des „Schlächters von Lyon“, dem ehemaligen Gestapochef Klaus Barbie, die Juden als weiße, rassistische Herrenrasse imaginiert (so ein paar queere, namenlose Elendsgestalten auf der letzten Gender Konferenz an der HU) (5), unterscheidet ideologisch eben nicht mehr viel von den heldentodgeilen Nazimoslems. Da, wo es Unterschiede, gar Widersprüche, noch geben könnte, wären sie dem Fetisch sozialer Bewegungen wegen, dem man sich verschrieben hat, sowieso zurückzustellen. Die ebenfalls an der HU lehrende und bis dahin nicht ganz so negativ aufgefallene Genderforscherin Isabell Lorey hat das Programm dieser queeren Avantgarde der Gegenaufklärung 2008 formuliert – und zwar in einem von Alex Demirovic – dem notorisch „nonkonformistischen Intellektuellen“, der mit Antisemiten für den Sozialismus streiten möchte (6) – herausgegebenen Band. Das Credo der konformierenden Asozialen lautet: „Kritik, auch als kritische Haltung der Wissens- oder Textkritik, muss, um politische Praxis zu werden, die Logik des Urteilens, des Beurteilens und Aburteilens verlassen und aufkündigen, um sich mit sozialen Kämpfen verbinden zu können.“ (7) Ganz im reflexionsfeindlichen Ungeiste des „kommenden Aufstandes“ wird die allerorten stattfindende intellektuelle Kapitulation als Höchststufe der Kritik ausgegeben. Sollte sich die dünne zivilisatorische Patina auch hierzulande wieder einmal verflüchtigen, wofür Vieles spricht und worauf sowohl das Unsichtbare Komitee wie auch die queere Gegenaufklärung hoffnungsfroh setzen, dann will man später im ersehnten Weltbürgerkrieg nicht als womöglich einst zersetzender Volksschädling dastehen. Das unsichtbare Komitee droht im autoritären Nazitonfall seinen Kritikern bereits siegesgewiss: „Die Distanz zur Strasse wird Euch irgendwann einholen.“ (8)
Vor diesem Hintergrund scheint es dann auch nicht weiter der Rede wert, wenn das in Berlin-Neukölln ansässige Institut für Queer Theory, dem es laut Website darum geht, „rigide zweigeschlechtliche und normativ heterosexuelle Geschlechterverhältnisse kritisch zu hinterfragen und zu verändern … nicht-hierarchische Formen sozialer Differenz zu stärken“ (9), am 7.6.2011 mit Jasbir Puar jemanden zum Vortrag lädt, der meint, Israels queerfreundliche Innenpolitik sei als „pinkwashing“ seiner antipalästinensischen Kriegspolitik anzugreifen (s.u.), während im Suizidterror der Palästinenser queeres Potential auszumachen sei. (10) Von deutschen Geschlechterforscherinnen wie Andrea Maihofer, Cornelia Klinger und Sabine Hark, die neben Judith Butler den Beirat dieses Instituts bilden, wird jedenfalls kein kritisches Wort weder zu Butlers bzw. Puars Auslassungen und Aktivitäten zugunsten der Judenfeinde (11) noch zum akademischen Treiben an den Gender Studies insgesamt zu erwarten sein. Aber da waren doch einmal sich selbst als antideutsch und antisemitismuskritisch verstehende Gruppen wie der Antifaschistische Frauenblock Leipzig und das Berliner Antisexismus-Bündnis, denen die Angriffe der Hedonistischen Mitte auf die Gender Studies und die Queer-Theorie als viel zu generalisierend aufstießen, weil doch trotzalledem einiges an queer zu retten und die Mehrheit der feministischen und queeren Linken gegen Christina von Braun, Bettina Mathes und Judith Butler in Schutz zu nehmen sei. Ist es ihnen angesichts der Entwicklung, die ihre heißgeliebte Queer-Theorie in den letzten Jahren unleugbar genommen hat, peinlich, bisher fast ausschließlich belanglose Texte gegen die Hedonistische Mitte zustande gebracht zu haben? Versuchen sie das Offensichtliche zu ignorieren bzw. zu verdrängen? Schweigen sie deshalb? Oder bereiten sie nur ihr endgültiges Überlaufen vor? Wie z.B. Bini Adamczak, die – früher: Sinastra-antideutsch, heute im „unsteten Bündnis zänkischer Gespenster, unerbetener Erbschaften, nächtlicher Reproduktionsläufe“ dem Antiimperialismus des schlauen Kerls – dem Antinationalismus – ihre schäbige Aufwartung macht und so queer und antideutsch verbinden zu können glaubt (12):
Bildpunkt: Bini, du hast in den letzten Jahren immer wieder darauf gepocht, Verstrickungen zusammen zu denken und sowohl auf der Ebene der Analyse als auch auf jener des Aktivismus queere Politiken mit Kämpfen gegen Deutschland und gegen Antisemitismus zu verbinden versucht. Wie lassen sich deiner Meinung nach nationale Erinnerungen herausfordern? Und wie kann die Geschichts- und Erinnerungspolitik verqueert werden?
B.A.: Queere Politik hat den traditionellen Modi linker (Theorie-) Praxen einige erfreuliche Erweiterungen zukommen lassen. An die Stelle von Kritik setzt sie eher Dekonstruktion, statt mit Opposition(en) arbeitet sie mit Veruneindeutigungen, konstruiert und affirmiert Begehren und dessen Vervielfältigung eher als moralische Anklagen zu produzieren. Bezüglich der Bewegungen, die sich gegen Deutschland artikulieren, ist diese Subversion weiterhin dringend nötig, sind diese doch sowohl publizistisch als auch organisatorisch weiterhin bis über den Überdruss hinaus durch einen maskulinistischen Politikstil und den mitgelieferten Subjektmodus gekennzeichnet. Pink Rabbit, ein Rosa Kaninchen (pinkrabbit.org), das 2009 beispielsweise bei den Gedenkfeierlichkeiten zur Varusschlacht, die germanischen Krieger mit einer bunten Wasserpistole (sic!) angriff oder der für die Kamera posierenden deutschen Familienministerin ein Kondom (sic!) mit der Aufschrift „Deutschland verhüten“ in die Hand drückte, hat hier Großes (sic!) geleistet.
Wer dermaßen niedliche Frechdachse samt kreativ ausgedachtem Repertoire an quirligen Streichen zu Feinden hat, der braucht wirklich keine Freunde mehr. Aber die Zähne zeigt, wer´s Maul aufmacht, schließlich will Bini immer noch „ein deutlich negatives Konzept gegen Deutschland setzen: Das muss halt weg.“ Wie stellt Bini sich aber so ein „negatives Wegschaffen“ vor?
Bildpunkt: Wo seht ihr Allianzen zwischen geschichtspolitischen Positionen, die Deutschland, den Antisemitismus und den Nazismus adressieren auf der einen und queeren, postkolonialen und antirassistischen Kämpfen auf der anderen Seite? Gibt es da Widersprüche, denen wir uns stellen müssen?
B.A.: Ich habe den Eindruck, als würden nach Jahrzehnten, die vor allem von offener Feindschaft und Nichtbeachtung gekennzeichnet waren, jetzt Möglichkeiten von Allianzen, vor allem auf transnationalem Niveau, entstehen. Als Judith Butler bei ihrem vorletzten Berlinbesuch für ihre irrwitzige Idee kritisiert wurde, Hamas und Hiszbollah als Teile der globalen Linken zu bezeichnen, war sie völlig überrascht. Auf Beschreibungen von deren reaktionärer Politik hatte sie geantwortet: „Sind das die Informationen, die Sie hier kriegen?“ Trotz mancher Kritiken, die ich an dem Interview habe, das Butler der Jungle World später gegeben hat, freue ich mich sehr, dass hier zum ersten Mal ein Gespräch eröffnet wird, in dem (jüdische) Linksintellektuelle aus USA und Kritikerinnen deutscher Verhältnisse potentiell ihre wechselseitigen Begrenzungen erkennen können. Wie sich zuletzt an den Auseinandersetzungen um die [von Jasbir Puar vertretene] These, Israel betreibe mit queerfreundlicher „Propaganda“ ein „pinkwashing“ seiner „Kriegspolitik“ und die Gegenthese, postkoloniale Theorie sei ein „Karriereticket“ für „migrantische Theoretikerinnen“ gezeigt hat, wird dieses Gespräch (zunächst) vor allem als Streit (auf niedrigem Niveau) geführt.
Worauf queere „Veruneindeutigung“ Bini zufolge hinausläuft, ist, eindeutigen Antisemitismus als solchen nicht mehr zu benennen, so dass stattdessen „Möglichkeiten von Allianzen“ ausgelotet werden können, die helfen, „wechselseitige Begrenzungen“ zu überwinden. Dabei scheint zu gelten: je deutscher das Gegenüber, desto geringer die „Feindschaft“ und „Nichtbeachtung“. Vom antisemitischen Zentrum bis zu seinen antisemitismuskritischen Rändern bekundet das linke Queer-Milieu also mittlerweile völlig schamlos und relativ geschlossen sein Einverstandensein mit der Inhumanität. Hasenkostüme, gar pinke, bilden daher durchaus den angemessenen Dresscode.
Frühere Aktivitäten sind im Aktuell-Archiv aufgeführt. Dort gibt es auch einige Audio-Aufnahmen.
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