Vortrag & Diskussion mit Thomas Maul (Berlin)
München, 22. Oktober 2011 um 19:00 Uhr
Sieg des Feminismus?
Gender Mainstreaming, islamisches Patriarchat und die antisexistische Linke
Der Feminismus hat gesiegt. Die CSU ruft ein »Jahr der Frau 2011« aus und kritisiert: »Macht und Geld sind fast nirgends so männlich wie in Deutschland und nirgends werden weibliche Lebensentwürfe so entwertet wie hierzulande! […] Nur die Frauenquote sorgt dafür, dass die in den Machtetagen herrschende ungeschriebene Männerquote endlich aufgelöst wird.«[1] Die Bundesregierung verkündete jüngst, sie verfolge die Strategie des »Gender Mainstreaming […], bei allen gesellschaftlichen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen«[2]. Und um die Wertschöpfung von Arbeit in Deutschland zu erhöhen, fordert die Bundesagentur für Arbeit, »Erwerbspartizipation und Arbeitsvolumen von Frauen zu erhöhen«[3]. Handelt es sich dabei nur um durchsichtige Manöver oder konnten sich wesentliche Positionen der feministischen Bewegung tatsächlich bis in die Wählerschaft der CSU hinein durchsetzen?
Totale Vergleichung
Die Realität ist ambivalent. Die im Durchschnitt inzwischen sogar besser ausgebildeten Frauen beziehen geringere Gehälter, und wer eine gute Ausbildung hat, hat bekanntlich noch lange keinen Job, der einen aus der Umklammerung durch Familie und Ehemann befreien könnte. Dieses von Feministen beklagte Ungleichgewicht ist aber nicht mehr, wie noch im 19. Jahrhundert, einer unvollendeten Kapitalisierung geschuldet, sondern umgekehrt der vollständig durchgesetzten bürgerlichen Gleichheit selbst. Die totale Vergleichung durch das Kapital, der Männer wie Frauen ausgesetzt sind, zwingt sie in ein brutales Konkurrenzverhältnis, in dem jeder Einzelne nach Garantien sucht, um seinem Nachbarn vorgezogen zu werden. Das Geschlecht ist darüber zum Ticket geworden, es konstituiert eine Opfergemeinschaft unter anderen. Die Klage, es müssten jetzt doch endlich einmal Frauenquoten auch in den Chefetagen eingeführt werden, beruht auf einem staatsfetischistischen Verständnis von Kapitalismus: der Staat soll die Arbeit organisieren und die Kapitalisten an die Kandare nehmen. Die einen sagen: Deutschland den Deutschen, die anderen: Deutschland den Frauen, und die dritten: Deutschland den Ausländern. Der Typus des sich ständig betrogen wähnenden Ossis ist längst wieder ein gesamtdeutsches, herkunfts- wie geschlechterübergreifendes Phänomen geworden.
Das Kapital indes interessiert sich für die Befindlichkeiten der Menschen wenig. Es ist pragmatisch und nimmt, was es kriegen kann. Wenn Frauen aus historischen und geschlechtsspezifischen Gründen billiger zu haben sind, schlägt der durchschnittliche Kapitalist dieses Angebot nicht aus. Auch wenn es darum geht, den innerbetrieblichen Konkurrenzkampf zu steigern, der, wenn er nicht zu mörderisch wird, durchaus zu Höchstleitungen anspornt, sind karrierebewusste Frauen immer willkommen. Es mag bei dem einen oder anderen Unternehmer noch emotionale Vorbehalte gegen arbeitende Frauen geben, eine Zukunft hat diese irrationale, ergo: unproduktive Einstellung allerdings nicht.
Die Kopftuchfrau
Nun hat aber eine neue Akteurin die Bühne betreten: die verschleierte Frau. Das archaisch anmutende Gefängnis, das sie um den Kopf trägt, verwandelt das schönste Gesicht in eine Visage. Wo nichtmuslimische Frauen ihre Stärken und Fähigkeiten stets ins Licht zu rücken bestrebt sind, da versucht die Muslima, mit der Betonung von Demut und Unterwerfung aufzutrumpfen – also damit, kein gleichberechtigtes Warensubjekt zu sein. Eine solche Akteurin verunsichert die Gesellschaft, stellt sie doch die Grundlage des bürgerlichen Glücksversprechens in Frage: Nicht das autonome Individuum, das sich erfolgreich auf dem Markt bewährt, soll das Ideal sein, sondern der Einzelne, der vollends in seinem für ihn vorgesehenen Platz in Familie und Gemeinschaft aufgeht. Die Kopftuchträgerin ist das sichtbarste Symbol dieser Selbstpreisgabe des bürgerlichen Subjekts.
Für das Bürgertum, das in all seiner Zukunftsangst durchaus vom islamischen Modell fasziniert ist, geht es darum, dieser Versuchung zu widerstehen. Deshalb macht es sich daran, auch die Kopftuchfrau nach den Kriterien der Verwertbarkeit zu beurteilen, in der Hoffnung, aus den islamischen Familienverhältnissen das Nützliche herauszuziehen. Ob das gelingt oder ob deren Potential, wie Sarrazin meint, überschätzt wird, ist eine von jenen langweiligen und unwichtigen Fragen, welche immer wieder darauf hinauslaufen, sich dem Kapitalstandpunkt anzubiedern. Entscheidender ist, dass im Zuge dieser Debatte permanent weggeredet wird, was doch jeder sehen kann: dass die Frau unter dem Kopftuch das traute Heim nur verlassen hat, um zu besorgen, was auf den Herd kommt. Es wird abends keine geilen Partys geben, am Wochenende keinen Besuch im Fußballstadion, die Spätvorstellung im Kino ist gestrichen, und die Affäre mit zwei Männern, zwischen denen sich zu entscheiden schwer fällt, findet nicht statt. Kurz: Wer noch nicht ganz zum Zombie verkommen ist, wird das Kopftuch als Bedrohung erkennen. Es ist das Symbol der geknechteten Frau. Der Sex mit ihr ist wahrscheinlich so spannend wie die Tagesschau. Und der mit ihm dementsprechend ekelhaft; unsinnliches, rohes Hinundhergeschiebe.
Die meisten Menschen wissen sehr wohl um die nicht zu trennende Symbiose von Islam und Frauenunterdrückung. Gerade Feministinnen wie Alice Schwarzer, die sich, trotz vieler Zugeständnisse, für nicht verhandelbare Inhalte eingesetzt haben, wissen, dass es mit dem Kopftuch keine Gleichberechtigung geben wird. Zu sehr verkörpern die geknechteten Frauen das Schreckbild, gegen das Schwarzer auch dann noch gekämpft hat, als es bezüglich nichtmuslimischer Frauen längst zur Chimäre geworden war.
Die Krise der antisexistischen Linken
Die antisexistische Linke aber hat, anders als der Feminismus, ein nicht eben kleines Problem: Weil sie sich als radikal kapitalismuskritisch versteht, kann sie sich mit so reformistischen Fragen wie der nach Gleichberechtigung nicht aufhalten. Ihr geht es um mehr, und je ohnmächtiger sie angesichts der schrankenlosen Herrschaft des Kapitals wird, desto irrer wird die antisexistische Programmatik, mit der die Ohnmacht übertönt wird. Daher sprossen postmoderne Konzepte wie das des entsexualisierten Cyborgs ins Kraut. In dem Maße, wie sich die radikale Linke von profanen Forderungen der Gleichberechtigung und Unabhängigkeit entfernt, flieht sie in höhere Sphären und versucht, einen »Schutzraum« zu errichten, in dem alles gut wird. Die Marburger Gruppe »Lisa 2«, die im Juli eine Veranstaltung von Thomas Maul überfiel, lässt beispielsweise verlautbaren: »Wir haben Wut auf den Umstand, dass es Menschen gibt, die sich das Recht rausnehmen unsere Körper zu kommentieren – die unsere Grenzen anhand einer Idee von dem, was ›Normal‹ ist, verletzen. […] Wir wollen einen ›geschützten‹ Raum schaffen, indem wir üben können, wie sich bestimmte Situationen anfühlen – herauszufinden, wie Agierende empfinden könnten und wie dabei grenzüberschreitende Dynamiken mit selbstentwickelten Taktiken gebrochen werden können. Durch Rollenspiel und Reflexion kann hiermit ein Mehr an Handlungsmöglichkeiten entstehen.«[4]
Wer denkt, es ginge der Gruppe darum, dass es für kollektive Kritik eines Raumes bedarf, in welchem diese entwickelt werden kann, der irrt. Nicht um die »Öffentlichkeit«, welche sich in Vorträgen, Talkshows, Feuilletons oder Ringvorlesungen formiert und auf die Habermas und Luhmann so großen Wert gelegt haben, ist es ihr zu tun. Sie will »anfühlen« und »empfinden«, damit »Handlungsmöglichkeiten entstehen«. Damit aber wird Kritik unmöglich und driftet ins Esoterische ab. Durch Abspaltung von der Welt wird der Schutzraum zum Gefängnis und es kommt, ähnlich wie in der bürgerlichen Ehe, zu fürchterlichen Ritualen, deren Inhalt Demutsgesten und Psychoterror sind. Aus der Raumfahrt und aus Expeditionen in die Antarktis kennt man das third-quarter phenomenon, das die Probleme zusammenfasst, die entstehen, wenn Menschen auf zu engem Raum eingesperrt sind. Nach der Hälfte der Zeit, die sie zusammen verbringen müssen, also im dritten Viertel, setzt eine Verschlechterung der Stimmung ein. Es entstehen Frust und Verbitterung, die sich erst nach innen, dann gegen einen imaginierten äußeren Feind richten. Die Tatsache, dass sich solche Verhältnisse permanent in den verschiedenen linken Gruppen vorfinden lassen, lässt darauf schließen, wie stark die Innen-Außen-Unterscheidung getroffen wird. Die kapitalistischen Verhältnisse werden nicht mehr ertragen, sondern Grenzen gezogen und ein »Schutzraum« errichtet. Glücklicherweise haben solche Gruppen keine Rechtsform, so dass die Konsequenzen für den einzelnen verhältnismäßig milde sind, sofern der Ausstieg gelingt.
Mit dem Kampf für das autonome Individuum hat die Linke allerdings nur noch wenig zu tun, vielmehr gefällt sie sich darin, den zahlreichen selbst ernannten Opfergruppen, also fiktionalen Schicksalsgemeinschaften, zu ihrem Recht zu verhelfen. Nur so kann man es erklären, dass sie dem Kopftuch nichts entgegenzusetzen hat. Wo sie sonst wenig Verständnis für »die Herrschenden« und deren Kultur hat, zeigt sie sich empfänglich für die Eigentümlichkeiten des islamischen Racketwesens, welches sie ständig »kritisch« und vor dem jeweiligen Migrationshintergrund beleuchten möchte. Den »Schutzraum«, den die Antisexisten suchen, erkennen sie sogar in der islamischen Großfamilie, in der die Frauen vor den lüsternen Blicken der Männer »geschützt« werden, wieder. Ihr Idol Judith Butler meint, dass die Burka »symbolisiert, dass eine Frau bescheiden ist und dass sie ihrer Familie verbunden ist, aber auch, dass sie stolz auf ihre Familie und Gemeinschaft ist. Sie symbolisiert Modi der Zugehörigkeit innerhalb eines sozialen Netzwerks. Die Burka zu verlieren bedeutet mithin auch, einen gewissen Verlust dieser Verwandtschaftsbande zu erleiden, den man nicht unterschätzen sollte. Der Verlust der Burka kann eine Erfahrung von Entfremdung und Zwangsverwestlichung mit sich bringen, die Spuren hinterlassen wird. Wir sollten keineswegs davon ausgehen, dass Verwestlichung immer eine gute Sache ist. Sehr oft setzt sie wichtige kulturelle Praktiken außer Kraft, die kennen zu lernen es uns an Geduld fehlt.«[5]
Kritik des islamischen Patriarchats
Spätestens jetzt wäre eine Kritik am Begriff des Schutzraumes fällig. Denn in der islamischen Großfamilie wird die Tochter am Esstisch dem Vater nichts entgegenhalten können, weil sie nichts zu sagen hat. Und jeder Mensch, der sich auch nur ein Quäntchen Common Sense bewahrt hat, wird ahnen, dass auf jeden Ehrenmord tausend Fälle kommen, in denen es nicht nötig oder möglich war, bis zum äußersten zu gehen. Die Frauenhäuser sind vorwiegend von muslimischen Frauen bewohnt, es herrschen unhaltbare Zustände. Aber die Linke will und kann nicht zurück. Womöglich ist es die immer schon starke Prägung durch den Protestantismus, welche die deutsche Linke dazu führt, die permanente Gewalt in islamischen Familien klein zu reden, mit perversen Vergleichen (»Ehekrach«) zu relativieren und anstelle dessen auf Innerlichkeit zu schielen. So zaubert sie das vermeintlich stärkste Argument für das Kopftuch hervor: Frauen unter dem Kopftuch fühlen sich womöglich weniger unterdrückt als diejenigen, welche mit ihrem Körper immer in Konkurrenz zu anderen stehen. Trotz der offenkundigen Entmündigung und Unterdrückung protestieren antisexistische Linke nicht gegen das islamische Patriarchat, sie verdrängen dessen Existenz. Mit Neid und Hass reagieren sie daher auf diejenigen, die es wagen, das Offenkundige auszusprechen. Es steht diesen nicht zu, ein Urteil abzugeben, welches nicht im Konsens zustande kam. Mehr noch, es kann ein solches Urteil nicht geben. Es muss sich, von außen kommend, um eines jener Urteile handeln, das von den Agenten des Kapitalismus, Rassismus und Nationalismus kommt. Es darf daher nicht diskutiert oder widerlegt, sondern nur entfernt werden. Die Aggression, mit der sie zuschlagen, ist ein Indiz für die Wahrheit, die sie nicht ertragen. Aus genau diesem Grund haben antisexistische Schläger Veranstaltungen mit Thomas Maul in Berlin und Marburg angegriffen und ausgerechnet ihn, der sich seit Jahren publizistisch gegen die Persistenz des islamischen Patriarchats engagiert, des »Antifeminismus« geziehen.[6]
Um diesem Treiben etwas entgegen zu setzen, ist jeder, der diese Zeilen liest und die Wirklichkeit noch ertragen kann, von uns eingeladen und aufgerufen, zu einer Veranstaltung mit Thomas Maul zu kommen, auf der er versuchen wird, die oben aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Alle, die nur ihren Hass an uns abarbeiten wollen, fordern wir auf, sich stattdessen sinnvollen Aufgaben wie dem Abfassen einer Seminararbeit oder dem Tierschutz zu widmen.
Der Vortrag findet am Samstag, den 22. Oktober 2011 um 19:00 Uhr in der SexBox, Theater Halle 7, auf dem Gelände der Kultfabrik statt. Treffpunkt ist um 18.30 Uhr der Eingang der Kultfabrik, Gräfinger Straße 6, am Ostbahnhof, Ausgang Friedenstraße, um das Finden des Veranstaltungsortes zu erleichtern.
Der Eintritt beträgt € 3.-, Spenden sind willkommen.
[1] http://www.csu.de/partei/jahr_der_frau/151311154.htm
[2] http://www.gender-mainstreaming.net/
[3] Bundesagentur für Arbeit, Perspektive 2025: Fachkräfte für Deutschland, o.O., 2011, S. 14.
[4] http://lisa2.blogsport.de/praktisch-werden-antisexistisch-rollen-spielen/
[5] Judith Butler, Krieg und Affekt, Zürich – Berlin 2009, S. 86
[6] Dokumentiert auf: http://www.thomasmaul.de/2009/06/die-bockwurstparty-ist-vorbei.html
Frühere Aktivitäten sind im Aktuell-Archiv aufgeführt. Dort gibt es auch einige Audio-Aufnahmen.
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