Vortrag und Diskussion in Berlin
Am Freitag, den 8. März 2013, um 19 Uhr
Chachachicas, Hasenheide 9, nahe Hermannplatz
Mit Thomas Maul und Magnus Klaue
Die bedrängte Kreatur.
Zum Antihumanismus kritischer Theorie
Als in den achtziger Jahren in Frankreich eine im Namen des „Humanismus“ antretende Kritik (am prominentesten Luc Ferry und Alain Renaut in ihrem Buch Antihumanistisches Denken) mit triftigen Argumenten Michel Foucault, Claude Lévi-Strauss und andere Vertreter des Strukturalismus und Poststrukturalismus als Propagandisten der Gegenaufklärung bloßstellte, wurden auch Adorno und Horkheimer gemeinsam mit dem neuen französischen Irrationalismus als „Antihumanisten“ denunziert. Wie schon in den siebziger Jahren Jürgen Habermas in der Bundesrepublik warfen die französischen „Humanisten“ den Vertretern der frühen kritischen Theorie vor, ein deterministisches, kulturkonservatives und verfallstheoretisches Geschichtsbild zu pflegen, das aufgrund der Erfahrung der Shoah menschlich verständlich, bei der Suche nach progressiven Alternativen in der Gegenwart aber wenig hilfreich und daher durch allerlei „Ergänzungen“ zu revidieren sei. Der sich gegenwärtig in Rekurs auf Jean-Paul Sartre und Jean Améry vollziehende Versuch, die kritische Theorie durch Versatzstücke humanistischer Existentialphilosophie zu „ergänzen“, folgt einem ähnlichen Programm.
Dagegen soll anhand einer Lektüre von Amérys Strukturalismus-Kritik und des darin entwickelten Begriffs des Menschen exemplarisch gezeigt werden, dass jede affirmative Restitution des Humanismus nicht nur erkenntnistheoretisch hinter die negative Anthropologie und Subjektkritik des Materialismus zurückfällt, sondern auch blind bleiben muss gegenüber der realen Korruption des Begriffs der Menschheit, der nur als negativer, als Bezeichnung eines erst zu Verwirklichenden und durch den Geschichtsprozess Kassierten, zu verteidigen ist. Darin besteht der unbeabsichtigte Wahrheitsgehalt des Strukturalismus gegenüber seinen humanistischen Feinden, aber auch gegenüber dem Poststrukturalismus, der dem im Strukturalismus neutralisierten Subjekt als Nicht-Subjekt des freiflutenden Wahns erneut Genugtuung verschaffen will. Während der Neoexistentialismus ein unbeschädigtes, wenngleich nur theoretisch postulierbares humanistisches Subjekt zu revitalisieren trachtet, zu dem es in der entmenschten Menschheit kein empirisches Korrelat gibt, versucht kritische Theorie, die freie Menschheit in Anbetracht ihrer faktischen Negation als Möglichkeit zu retten. Darin besteht der Unterschied zwischen aufbauender „humanistischer“ und radikaler Kritik, der ein Unterschied ums Ganze ist.
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