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Zur Berliner Konferenz Eine Erinnerung an die Zukunft

 

Kritische Theorie ist weder ein Beruf noch ein Identitätsausweis, sondern eine Verhaltensweise des Geistes. Um davon etwas mitzubekommen, kann es nützlich sein, die Schriften von Adorno, Horkheimer und Benjamin zu lesen, doch es wird nur denen helfen, die für das darin Gemeinte ansprechbar sind. Wie man es begreifen kann, ohne es gelesen zu haben, weil das darin Gemeinte kein Besitz derer ist, die es formulierten, so kann man auch alles gelesen und trotzdem nichts begriffen haben. Nur wer die kritische Theorie in- und auswendig kennt, ohne je die Erfahrung gemacht zu haben, die sie pointiert, vermag sich als „kritischer Theoretiker“ zu verstehen: Im kritischen Theoretiker wird aus der Verhaltensweise des Geistes, über die sich nicht verfügen lässt, eine Kompetenz, die angelernt und abgelegt werden kann. Die Nachfrage nach kritischen Theoretikern, die den schon mit Mitte Zwanzig witzlos vor sich hinwurschtelnden Freiberufsdenkern eine Frischzellenkur verschaffen sollen, wird nicht nur von Fachblättern zur Förderung der Ideologiekritik, sondern auch von sich als kritisch anpreisenden Konferenzen gestillt, zu denen die Kritikhungrigen anreisen wie zum Feriencamp.

Der selbstreflexive Konformismus, den solche Veranstaltungen voraussetzen und fördern, lässt sich an der vom 29.11. bis zum 1.12. an der Berliner Humboldt-Universität stattgefundenen Konferenz Eine Erinnerung an die Zukunft studieren, in deren Programmheft die Abenteuerreisenden in Sachen Kritik so begrüßt wurden: „Liebe Freund_innen der kritischen Gesellschaftstheorie, in euren Händen haltet ihr das Programmheft unserer Konferenz. Dass diese stattfindet, war uns, der Organisationsgruppe, selbst eine Erfahrung der ‚verwalteten Welt’. Nicht nur, dass auch Veranstaltungen der Kritik der Gesellschaft bezahlt werden müssen und dass sie, sollen sie über die Grenzen einzelner Städte ausstrahlen, sich selbst den Mitteln ihrer spektakulären Inszenierung – von den Flyern bis zur Facebook-Seite – bedienen müssen, war uns eine Lehre der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation und der Schwierigkeiten, die der Versuch, sich in großer Zahl und kritischer Absicht zu versammeln und auszutauschen, mit sich bringen kann.“ Die Mischung aus Adorniererei und Analphabetismus – „es war uns selbst eine Erfahrung“, aber an Genitivschwäche leiden wir immer noch – zeugt vom Bedürfnis, jene Massen um sich zu versammeln, die man, nähme man es ernst mit der Kritik, vor den Kopf stoßen müsste. Statt in der Schrumpfung kritischer Theorie zur „kritischen Gesellschaftstheorie“, mit der man sich auch noch anfreunden soll, und im Bedürfnis, über Grenzen „auszustrahlen“, die Wundmale der „verwalteten Welt“ anhand der eigenen Sprach- und Denktrümmer zu entziffern, meint man deren Kritik zu leisten, indem man erwähnt, sie selbst erfahren zu haben. Jede Menge Erfahrungen hat man auch sonst gesammelt: „Wenn uns vielleicht mal zum Verzweifeln zu Mute war, der Kaffee kalt oder die Nerven blank, so haben wir doch von diesem Unterfangen nicht lassen wollen – vielleicht auch, weil wir ab einem bestimmten Zeitpunkt von der Dynamik des begonnenen Prozesses in angenehmer Weise überrascht wurden. Sich derart überraschen zu lassen, zu beginnen und sich des Produkts keineswegs sicher sein zu können, ist eine Erfahrung, die zu machen wir empfehlen möchten. Wir wollen nicht verleugnen, dass dies ohne Arbeit nicht zu haben ist. Die Konferenz ist das Produkt eines Jahres Arbeit. Auch ihr sieht man es – wie den Produkten der Warenwelt – vielleicht nicht an, die Vermittlung verschwindet im Resultat. Nun beginnt die Konferenz und ist auch uns insoweit entzogen, dass ihr Gehalt, das Moment ihres Gelingens, nicht zu planen war und ist, nicht in unseren Händen liegt, sondern samt dem Programmheft in den euren.“

Der Abhub Marxscher Fetischkritik taugt so zur Legitimation jedweder Konzeptionslosigkeit: Weil die „Dynamik des begonnenen Prozesses“ einen „überrascht“ hat und die „Vermittlung“ im „Resultat“ verschwunden ist, ist einem das eigene und fremde Gelaber der folgenden Tage „entzogen“, und wenn die ganze Sache in die Binsen geht, war nicht man selbst, sondern das Publikum schuld, mit dem man sich aber doch in der „Erfahrung“ verbunden weiß, dass der Kaffee mitunter kalt ist, die Nerven manchmal blank liegen, und jeder Prozess eine Dynamik hat. Wie bei der Gruppentherapie geht es nur um diese „Dynamik“, die miterlebt zu haben das einzige Substrat der beschworen „Erfahrung“ ist. Warum auch die Konferenz selbst den gegenwärtigen Stand kritischer Theorie zwar nicht auf den Begriff, aber in erschreckender Weise zur Anschauung gebracht hat, erklärt die AG No Tears for Krauts den „kritischen Theoretikern“ in einem Flugblatt, das bei der Konferenz verteilt wurde und das wir im Folgenden dokumentieren.

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