Westlichen Frauen, so scheint es, müsste die Rolle der Frau im Islam eindeutig erscheinen: objektiv wird sie nicht als eigenständig, sondern als passiv einem Mann untergeordnet betrachtet. Dennoch empfinden sich diejenigen, die sich als im Westen aufgewachsene Frau dem IS anschließen, als die Avantgarde der Umma und tragen das Kopftuch als ein Zeichen rebellischen Protests gegen die westliche Gesellschaft. Die Macht, die trotz des traditionellen islamischen Äußeren einigen ausgewählten IS-Terrortouristinnen unter anderem in der Ausübung körperlicher Gewalt auf andere Frauen übertragen wird, scheint zunächst der passiven Rolle zu widersprechen. Bei ihnen kann sich der in der islamischen Religion bedingte Hass aufs (eigene) weibliche Geschlecht und damit sich selbst freie Bahn brechen. Von daher stellen ihre Mechanismen der Identifikation mit dem Islam keine Rebellion oder Emanzipation, sondern eine Regression dar, auch wenn diese Frauen scheinbar mit der traditionellen Rolle der Hausfrau und Mutter zumindest teilweise brechen. Demgegenüber erscheint das Verhältnis zum anderen Geschlecht zunächst traditionell: alle Macht geht nach außen vom eigenen Ehemann aus, den es unbedingt zu haben gilt, auch für Mitglieder von Frauenbanden wie Al-Khansaa. Diese Männer werden jedoch von ihren Ehefrauen genau so wenig als liebenswerte Andere wahrgenommen, wie den Frauen im Islam Individualität zugebilligt wird: der einzige Zweck des männlichen Beziehungsteils in den Augen ihrer Ehefrauen ist es, ehrenwerte Märtyrerwitwen zu schaffen, deren Status durch den Tod des austauschbaren Gatten eine Aufwertung erfährt. Der Islam, das zeigen die Anhängerinnen von IS, ist nicht nur ein Ausstiegsmodell wie andere auch, sondern ein Wellnessangebot, das dazu ertüchtigt, die eigene Grausamkeit und Bindungsunfähigkeit unmittelbar auszuleben. Rebellisch anmutende und doch völlig konformistische Accessoires wie das Kopftuch liefern das dazu passende Styling. Wer diese Frauen verharmlost, verkennt ihre Barbarisierung durch ihre völlige Entgrenzung.
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