Schon vor Gründung der beiden deutschen Staaten hielt Jean-Paul Sartres Existentialismus, der wenig später zur progressiven Leitphilosophie der bundesdeutschen Kulturschickeria wurde, nicht nur in Gestalt seiner Theaterstücke, sondern auch von Sartre selbst Einzug ins junge Deutschland. 1947 fand in Düsseldorf die deutsche Uraufführung von Sartres Drama "Die Fliegen" ("Les Mouches") statt, 1948 reiste Sartre aus Anlass einer weiteren Premiere des Stücks nach Berlin. Bei der Düsseldorfer Aufführung führte Gustaf Gründgens Regie, bei der Berliner Jürgen Fehling. Beide waren während des "Dritten Reichs" auf der von Goebbels und Hitler erstellten "Gottbegnadetenliste" der wichtigsten NS-Künstler geführt worden und hatten ihre Karriere nach dem Sieg der Alliierten fortsetzen können. Das Drama, das zu seiner französischen Premiere unter deutscher Besatzung in Paris 1943 die Zensur passieren konnte, obwohl es der von Sartre beförderten Lesart zufolge eine Allegorie auf die Résistance war, wurde 1947 in Düsseldorf als antikisierende Parabel auf die alliierte Besatzung, 1948 angesichts der Blockkonfrontation als Kritik des Stalinismus aufgefasst und hat in seiner Rezeptionsgeschichte fast alle politischen Wendungen mitgemacht, die auch Sartre vollzog. Der Vortrag soll darstellen, dass der Grund dafür nicht eine den ästhetischen Rang des Dramas bezeugende Vieldeutigkeit war, sondern im Gegenteil eine konstitutive Vagheit, die mit dem politischen Konformismus existentialistischer Phraseologie in innigem Zusammenhang steht. Anhand einer Analyse der Diskussion über "Die Fliegen" 1948 mit Sartre in Berlin soll gezeigt werden, dass diese Vagheit wesentlich zur Neutralisierung der zwischen den Diskutanten bestehenden politischen und erfahrungsgeschichtlichen Widersprüche beigetragen hat.
Veranstaltet von der Fachschaft Philosophie
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