Am 20. Januar 2017 hat das türkische Parlamant mit den Stimmen von Erdoğans AKP und der Mehrheit der Abgeordneten der nationalchauvinistischen MHP – zusammen 80 % der Abgeordneten – für die Errichtung einer Präsidialdiktatur gestimmt. Damit hat sich im Grunde wenig geändert, denn die Präsidialdiktatur ist schon seit zehn Jahren auf dem Vormarsch und seit dem Putschversuch vom Juli 2016 faktisch, wenn auch nicht rechtlich, Realität. Insofern stellte die Abstimmung lediglich den vorläufigen Schlusspunkt einer Entwicklung von der kemalistischen Republik Türkei zum islamischen Volksstaat dar.
Im Zentrum des Vortrags werden deshalb der Charakter und die Entstehung der türkisch-islamischen Diktatur aus dem Geist und der Praxis der kemalistischen Republik stehen. Denn so bitter es ist: Viele von denen, die als die nächsten Opfer des unaufhaltsamen Durchmarsches des einfachen Volkes unter seinem geliebten Führer schon feststehen, haben am Untergang einer Republik, in der es nie selbstbewusste Bürger gegeben hat, fleißig mitgewirkt. Kaum ein türkischer Sozialdemokrat oder Linker würde zugeben, dass der selbstbewusst und aggressiv Türkentum geheißene Nationalstolz, an dem keiner rühren mag, auf dem Genozid an den Armeniern 1916 genauso wie auf den Massenmorden an vor allem Griechen in den Jahren 1920 bis 1923 aufruht. Im Gegenteil: Wenn einer die Gründungsverbrechen auch nur benennt, kommt es zum ganz großen Schulterschluss, dann gibt es keine Parteien mehr, sondern nur noch Türken.
Eine Veranstaltung der Gruppe Kir Royal