Das Grundrecht auf Asyl ist an eine Einzelperson gebunden, die ihre Verfolgungsgeschichte glaubhaft machen muss. Seit 2015 ist die Einzelfallprüfung vollends obsolet, eine Tendenz, die schon länger in der Erfindung „sicherer Herkunftsländer“ ihren Ausdruck fand. Nun wird gesammelt und kollektiviert, was Ethnologie und Stammeskunde hergeben. Die Entscheidung von Kanzlerin Merkel, die Grenzen zu öffnen, hat eine Situation geschaffen, in der die Einzelnen, die aus individuellen Verfolgungsgründen fliehen, mit einem abstrakten Kollektiv konkurrieren müssen, das allein aufgrund einer Definition seitens des Staates, aber eben auch der so genannten Zivilgesellschaft, geschaffen wurde. Für dieses Kollektiv, genannt „die Flüchtlinge“ oder „die Geflüchteten“, wird, vollkommen unabhängig von Fluchtgründen und Lebenszielen, Respekt und Anerkennung gefordert, gleichgültig, ob es sich um einen islamistischen Mörder handelt, der mit drei Ehefrauen aus dem Islamischen Staat einreist, weil er einen Auftrag bekommen hat, oder einen Homosexuellen, der aus der gleichen Gegend geflohen ist, weil sein Geliebter hingerichtet wurde und der selbst um sein Leben fürchtet. Vielmehr muss der Homosexuelle wegen der Islamistenfamilie, mit der er in der gleichen Unterkunft untergebracht ist, auch in Deutschland und Österreich um sein Leben fürchten. Das Regiment der Islamisten in den Flüchtlingsheimen wird geduldet, weil der Staat seine Rechtshoheit mit dem Kalkül nicht durchsetzen möchte, damit Terroranschläge zu vermeiden. Die staatliche Duldung von gesellschaftlichen Parallelstrukturen geht auf Kosten jener Einzelnen, denen das Grundrecht auf Asyl eigentlich zusteht – und nur ihnen. (Eine andere Ebene ist die Genfer Flüchtlingskonvention, die auch Kollektiven Aufnahme und Versorgung garantieren soll.)
Antirassistische Initiativen bekennen sich zwar vordergründig zum Recht auf Asyl, sind aber zugleich ebenfalls auf jenes Kollektiv versessen, das sie „die Geflüchteten“ zu nennen pflegen. Krieg und Armut reichen ihnen schon aus, ihnen sind „die Geflüchteten“ Resultate der Politik des Westens oder der Metropolen, und als solche werden sie zu Exemplaren, über deren Beweggründe man als selbst europäisch, weiß usw. nicht zu urteilen habe. Eine politische Bewertung, die eine Kritik des islamistischen Expansions- und Vernichtungswillens ins Zentrum rückt, ist dem antirassistischen Engagement unvorstellbar. Selbst wenn man sich solidarisch mit den Revolutionären und Feministinnen im Iran sein will und die Verbrechen des Islamischen Staats verurteilt: das muss zwanghaft vom staatlichen Umgang mit den Flüchtlingen getrennt werden, denn sonst würde man ja den deutschen Staat von „rechts“ kritisieren.
Im Vortrag wird eine klinisch-empirische Perspektive vorgestellt: Die Arbeit mit Menschen am – manchmal vorläufigen – Ende ihrer Flucht ist, wenn es um psychosoziale Belange geht, immer eine Herausforderung. Oftmals versagen Abwehrmechanismen, die bislang ihren Dienst getan haben, die (trügerische) Sicherheit vom Ausnahmezustand des Flüchtens und die gleichzeitige Herausforderung, sich in der neuen gesellschaftlichen Situation zurechtzufinden, führen nicht selten zu existentiellen Krisen bis hin zum Suizid. Die Herausforderung liegt in einem schmerzhaften Individuierungsprozess – der Fähigkeit, sich selbst als getrennt von anderen und von der Ethnie oder Kultur und die eigenen Bedürfnisse, Wünsche, Interessen und vor allem: die eigene Traumatisierung wahrzunehmen. Dass therapeutische Angebote fast ausschließlich von jenen Flüchtlingen wahrgenommen werden, die individuelle Fluchtgründe nachweisen können und gerade deshalb in den Flüchtlingseinrichtungen neuen Bedrohungen ausgesetzt sind, belegt die Notwendigkeit, das Elend der Einzelnen in den Blick zu nehmen.