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(Der Text ist die leicht überarbeitete Fassung eines Referates, das auf einer Veranstaltung zur Kritik der 3. Oktober-Aktivitäten linksradikaler Gruppierungen in Berlin unter dem Titel „Was heißt ,Der Hauptfeind steht im eigenen Land‘?“ am Vorabend des 3. Oktober gehalten wurde.)

 

 

Möchtegern-Antideutsche als deutsche Avantgarde

Ein Vortrag, gehalten in Berlin, am 3. Oktober 2003

 

Man stelle sich einmal vor, die Bundesrepublik Jugoslawien läge vor der US-Küste und es würde dort genauso ethnisch rumoren wie in den 90er Jahren im wirklichen Jugoslawien. Was wohl hätten die Vereinigten Staaten getan? Hätten sie wie die Deutschen die ethnische Parzellierung, also die völkische Zerschlagung der Bundesrepublik vorangetrieben und international durchgesetzt wie sie es im Sinne der Deutschen und mit ihnen im Bunde ende der 90er Jahre taten? Oder hätte sich ihnen, da ihnen dergleichen gar nicht eingefallen wäre, nur die Alternative die notwendige Erhaltung Jugoslawiens als Bundesstaat eröffnet?

Sogenannte radikale Linke, die sich mit ihren abstrakten Erkenntnissen über Staat, Nation und Kapital die Welt sträflicherweise theoretisch gleicher machen als die Wirklichkeit kapitaler Vergesellschaftung es zuläßt, werden diese Frage so beantworten, daß die deutsche Politik wegen fehlender militärischer Stärke eben eine besonders ausgebuffte Großmacht-Strategie in Jugoslawien anwenden mußte, die für die Amerikaner auf Grund ihrer Militärmacht gar nicht in Frage käme, weil die gleich militärisch zuschlagen könnten. Nach dieser radikal-linken Logik hätten die Amis in Wildwestmanier also einen Milosevic wohl einfach abgeknallt und an seine Stelle eine Marionette gesetzt, die Deutschen aber, weil sie nicht über die hierfür nötigen Mittel verfügten, hätten so vorgehen müssen, wie sie es taten, um in Kroatien, Slowenien und dem Kosovo ihre imperialistischen Interessen durchzusetzen, die im Grunde keinen Deut andere wären als die amerikanischen: Jagd nach geostrategischer Macht, Akkumulationsstandorten und Absatzmärkten.

 

Unterschied ums Ganze

 

Es ist die unsägliche Ignoranz gegenüber den Besonderheiten kapitaler Vergesellschaftung, die es den linken Radikalinskis verunmöglicht, den eklatanten Unterschied zwischen der Politik der Vereinigten Staaten und der deutschen zur Kenntnis zu nehmen. Tatsächlich nämlich spricht vieles dafür, daß der US-Politik wohl kaum eingefallen wäre, Jugoslawien zu zerschlagen, wie es die Deutschen international durchsetzten und sukzessive von den Amerikanern ohne großen Widerwillen vollstreckt wurde. Warum also fiel den Deutschen einzig und allein der völkische Weg als Krisenlösung ein?

Nur falsche Antworten auf diese Frage kann geben, wem zum Thema nur einleuchtet, daß Politik sich nun mal immer instrumentell verhalte, um die eigentlich ja überall gleichen und völlig identischen Kapitalinteressen zu verfolgen; die Deutschen also in Jugoslawien gerade jenes UN-Völkerrecht brachen, das sie im Falle des Irak so vehement verteidigen. Die richtige Antwort dagegen beruht auf der Erkenntnis, daß man mit der Zerschlagung Jugoslawiens gerade jenes Völkerrecht auf Selbstbestimmung der Völker durchsetzte, das man im Irak als eine Art Fremdbestimmung des irakischen Volkes durch die Vereinigten Staaten bedroht sieht. Denn in den Augen der Deutschen gilt der Irak als untrennbarer Bestandteil des als natürlich begriffenen arabischen Organismus, dessen harmonische und friedliebende Existenz durch westlichen Kolonialismus und Imperialismus empfindlich gestört wurde und deshalb eine faschistische Diktatur wie das irakische Baath-Regime vor allem anderen erst einmal als eine Art antikoloniale bzw. antiimperialistische Selbstbehauptungsreaktion gegen den Westen begriffen wird. So liegt dem moralischen Gezeter über die Verletzung des verbürgten Völkerrechts auf Souveränität derselbe völkisch konnotierte Begriff des Politischen zugrunde wie bei der Zerschlagung Jugoslawiens, nur daß im Falle des Irak Saddam Husseins das Völkerrecht gerade wegen des ethnischen Blickes auf die arabische Nation als einem homogenen natürlichem Gebilde verteidigt werden mußte, weil Saddam als Repräsentant der arabischen Gemeinschaft zuvorderst nicht als brutaler Aufseher eines irakischen Völkergefängnisses wahrgenommen wurde, der in erster Linie dafür zur Rechenschaft gezogen werden müßte, weil er Kurden und Schiiten unterdrückte, sondern eben als einer, dem man das wegen seiner verständlichen antiwestlichen Haltung nachsehen könnte und der deshalb noch lange nicht von der Herrschaft entfernt werden müsse wie weiland Slobodan Milosevic.

Schaut man sich einmal die linksradikalen Aufrufe zur diesjährigen 3. Oktober-Demonstration in Berlin an, so stellt man fest, daß der Unterschied zum Agieren der USA nicht begriffen wird – ein Unterschied, der insbesondere auf dem nach 9/11 notwendig gewordenen Ende des multilateralen Prinzips eines „partnership in leadership“ basiert, wie es der Politik eines George Bush sen. wie auch einem Bill Clinton zugrunde lag. Im gemeinsamen Aufruf von unter anderem den Gruppen Kritik & Praxis Berlin (K&P) und Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus (BgAA) kann man lesen: „Deutschland heißt, daß der Zweck der Nation, die Herstellung von Identität zwischen Staat und Bevölkerung, völkisch vollzogen wird.“ An anderer Stelle gar: „Die (...) Reeducation-Versuche (nach ’45 – S.P.) bewirkten angesichts des tiefverwurzelten Antisemitismus und der großen Unterstützung der Nazi-Politik seitens der deutschen Bevölkerung lediglich oberflächliche Erfolge.“ So weit, so akzeptabel, könnte man meinen. Geht man nun aber weiter ins Detail, dann wird man in besagtem Aufruf anderweitig fündig und die mutmaßlich richtigen Erkenntnisse entpuppen sich als Worthülsen jenes typischen Bekennertums, das man nur allzugern antideutschen Kommunisten mit Schlagworten wie ‚identitär‘ ‚Schwarz-weiß-Denken‘ oder ‚Undifferenziertheit‘ vorwirft. Bezüglich der deutschen Ablehnung des Irakkrieges heißt es: „In Deutschland geht das so: das Interesse der Amerikaner ‚am Krieg‘ sei kapitalistisch-nationaler Eigennutz, das heißt partikular, borniert. Das Interesse Deutschlands und seiner Verbündeten ,am Frieden‘ sei weder kapitalistisch noch national zu begründen, sondern diene der höheren allgemeinen Sehnsucht der Menschheit nach Frieden.“ Was hier vordergründig richtig beschrieben ist, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als der beliebte Vorwurf einer deutschen Verschleierungstaktik, um die eigentlichen Interessen zu verbergen; als eine perfide Konkurrenz-Strategie gegen Amerika. Man kommt also gar nicht auf die Idee, die Deutschen könnten das ja vielleicht auch so meinen wie sie es sagen, und schlußfolgert letztlich: Weil die Deutschen eigentlich dasselbe wollen wie die Amerikaner, müßte man der deutschen Politik vor allem die friedliche Maskerade vom Gesicht zerren, um den deutschen Militarismus und die kriegslüsterne Großmannssucht als das zu enttarnen, was sie sind: keinen Deut besser und im Grunde genauso imperialistisch wie diejenigen der Vereinigten Staaten von Amerika.

Was ein George W. Bush beiläufig der Welt kund tut, daß nämlich die Deutschen nach ’45 Pazifisten seien, vermag radikalen deutschen Linken partout nicht einzuleuchten. Warum man also davon reden muß, daß der deutsche Sozialcharakter sich nicht etwa trotz, sondern gerade wegen seiner pazifistischen Wendung schier ungebrochen erhalten konnte, warum sich das völkische Moment gerade wegen einer antimilitaristischen Grundstimmung nach Auschwitz als ungebrochene Konstitutionsbedingung des Deutsch-Seins erhalten hat, muß all jenen verborgen bleiben, die sich im Schwadronieren über Staat, Nation und Kapital in abstrakter Negation verlieren anstatt anhand historischer Verlaufsformen kapitaler Vergesellschaftung jene bestimmte Negation vorzunehmen, die sich im Gegensatz zum konsequenzlosen Geschwätz über Kommunismus als jene Kritik im Handgemenge erweist, die die konkrete Abschaffung von etwas zum Ziel hat und damit jene kommunistische Kritik ist, von der es nun mal nur eine wahre geben kann und nicht unendlich viele.

Weil man den historischen Materialismus als die einzig mögliche kommunistischen Kritik nicht ernst nimmt, bewegt man sich in besagtem Bündnisaufruf folgerichtig auf Feuilletonniveau und beklagt allen Ernstes, daß in Deutschland gegenwärtig eine „neue Losung“ ausgegeben würde: „Individueller Verzicht zugunsten des im Staat verkörperten Allgemeininteresses der ,Gemeinschaft‘ (...).“ Genau da also, wo man erkennen müßte, wie wenig sich in Deutschland im Verhältnis von individuellem und allgemeinem Interesse geändert hat, macht man plötzlich eine „neue Losung“ aus und zeigt damit, daß man letztlich von der Kontinuität des deutschen Wesens so gut wie gar nichts begriffen hat. Besonders perfide wird das dann, wenn man sich zu allem Überdruß auch noch als antideutscher Kritiker profilieren möchte, wie es der Klüngel um das Berliner Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus (BgAA) tut. Deren antideutsche Kritik klingt in ihrem Papier zum Irakkrieg von anfang März diesen Jahres so: „Der Unterschied (zwischen Deutscheuropa und den USA – S.P.) besteht darin, daß die USA wegen ihrer militärischen Stärke weltweit das können, wozu die europäischen Nationalstaaten derzeit erst im begrenzten Rahmen des Kosovos, Mazedoniens und Afghanistan in der Lage sind.“ Antideutsch heißt also laut BgAA nicht nur, alles sei eine militaristische Soße, sondern die Deutschen seien letztlich US-Imperialisten, die derzeit nur noch nicht so könnten wie die Amis. Die Spitze dieses 08/15-Antiimpmülls stellt die eben zitierte dreiste Behauptung dar, die Amerikaner täten weltweit dasselbe wie die Deutschen in Jugoslawien. Das ist Antiamerikanismus in Reinform, der auf die Amerikaner projiziert, was einzig und allein die Deutschen sind, nämlich durch und durch völkisch.

Angesichts solch deutschtümelnder Verlautbarungen von Möchtegern-Antideutschen kann es auch nicht verwundern, was das BgAA in besagtem Papier zur militärischen Befreiung des Iraks durch die Amerikaner und Briten im besten MG-Sprech zum Besten gibt: „Daß der US-Angriff von Zwecken und Mitteln her abzulehnen ist, sollte (...) unstrittig sein.“ Daß die Ablehnung eines antifaschistischen Krieges wie im Falle des Irak unstrittig zu sein hat, basiert auf einem besonders ausgebufften Kniff, den linksradikale Pseudo-Freunde Israels schon seit längerem gefunden zu haben glauben und nun auch auf das Vorgehen der Amerikaner anwenden – ganz vorneweg dabei immer Hermann L. Gremliza: Genauso, wie man sich gegen den militärischen Sturz Saddam Husseins vorgeblich gerade wegen der Sorge um Israel auszusprechen meinte, wendet man diese Verdrehung von Tatsachen nun auf die Amerikaner im Irak an: Man müsse, so beispielsweise Gremliza sinngemäß in der Oktoberausgabe von konkret, gerade deshalb gegen die Präsenz der Amerikaner sein, weil die sich gerade selbst schweren Schaden zufügten, das nur den Antiamerikanismus weltweit stärkte und die Amis schwächen würde. Und schwups werden aus antideutschen Bellizisten, die vor kurzem noch laut Gremliza ihr Vaterland in den USA gefunden hätten, implizit die eigentlichen Antiamerikaner. Gremliza: „Wer Amerika haßt, muß diesen Krieg lieben.“ Mit Verlaub, das ist nichts anderes als die netter formulierte Variante der Forderung der antisemitischen Internationale, die da lautet: ‚Besatzer raus aus dem Irak‘.

 

Gemeinnutz vor Eigennutz

 

Wie das antiamerikanische Ressentiment hierzulande in unterschiedlichem Gewande immer nur die Wiederkehr der immergleichen Ideologie bedeutet, von diesem Umstand kündet in seiner ganzen gefährlichen Besinnungslosigkeit der separate Aufruf der Gruppe Kritik & Praxis Berlin zum 3. Oktober, der zugleich belegt, wie deutsch diese linksradikale Gruppe in Wirklichkeit ist. So behauptet man dort allen Ernstes, es fände derzeit eine „neoliberale Umgestaltung des deutschen Staates (...) nach Maßgabe der gleichen neoliberalen Verwertungsbedingungen (statt), die in den USA weitgehender durchgesetzt sind“. Damit beweist man allerdings nichts anderes, als daß die jeweiligen Unterschiede zwischen den USA und Deutschland hinsichtlich des Verhältnisses von Staat und Kapital schlichtweg geleugnet werden. Denn was man am sogenannten Neoliberalismus, was immer das letztlich auch sein mag, beklagt, fällt nicht zufällig in eins mit der Grundsubstanz des Hasses auf den american way of life, die zugleich eines der wesentlichsten Elemente deutscher Ideologie ist: Weil keine Gesellschaft soweit entfernt ist von der Wirkungsmächtigkeit des 24. Punktes des NSDAP-Parteiprogrammes wie die amerikanische, man nirgends also weiter vom deutschen Diktum, daß der Gemeinnutz vor dem Eigennutz stünde, entfernt ist als in den Vereinigten Staaten von Amerika, nirgends sonst privates Eigentum „an sich“ zu so gut wie nichts gegenüber dem Gemeinwohl verpflichtet wie in den USA – ganz im Gegensatz also zur postnazistischen BRD, in der das quasi Staatsdoktrin ist – fallen der linke Begriff des Sozialen und der deutsche mittlerweile weltweit so unmittelbar in eins, daß man ohne Übertreibung sagen kann: links gleich deutsch und deutsch – wenn auch nicht ausschließlich – gleich links.[1] Es ist also nicht einfach nur schwachsinniger Analphabetismus, wenn im besagten Aufruf von Kritik & Praxis Berlin zu lesen ist: „Politik von links heißt, die Verwertungsbedingungen selbst zur Disposition zu stellen“ oder gar „zu einem Kampf gegen die Grundlagen des Kapitalismus als solche“ aufgerufen wird, sondern dieser nichtssagenden Schaumsprache liegt tatsächlich jener deutsche Begriff des Sozialen zugrunde, der solchen Nonsens zu Papier bringen läßt. (Herv. S.P.)

Es stellt sich die Frage, ob man eine Gruppe, die solchen Schmarn veröffentlicht, noch ernst nehmen kann. Und diesbezüglich geht es leider weniger um ein Können als um ein Müssen. Denn die K&P Berlin hat den Klassenkampf entdeckt, weil „das Kapital (jetzt) wieder deutlicher als ein Part im Klassenkampf wahrzunehmen ist“, wie es in ihrem Aufruf heißt. Was die Gruppe damit meint, erklärt sie in besagtem Aufruf allen Ernstes dahingehend, den Begriff der Solidargemeinschaft und der Solidarität nicht mit völkischem Nationalismus in Verbindung bringen zu wollen: „Der Kampf gegen Kapitalismus aber kann nur ein gemeinsamer sein. (...) Für eine Solidarität jenseits von Nation und Volk.“ Wer aber genau das im Schilde führt, also meint, in Deutschland ließe sich tatsächlich eine nichtvölkische Solidargemeinschaft begründen und eine Solidarität jenseits von Volk und Nation, hat reinweg gar nichts begriffen und präsentiert sich als geschichtsloser Idiot, der nicht wahrhaben will, daß die soziale Frage in Deutschland notwendig zur Judenfrage wird und nicht etwa zur Antisemitenfrage, wie es einzigst vertretbar wäre. Wer also tatsächlich nach Auschwitz meint, man könne eine Krisensituation in Deutschland zur Revolution oder besser: zur Revolutionierung der Massen nutzen, ist nichts geringeres als Steigbügelhalter einer sich gegen die Krise formierenden Volksgemeinschaft, die in Deutschland aufgrund der besonderen kapitalen Vergesellschaftung quasi wie von selbst Gestalt annimmt – soviel könnte man aus den schwerwiegenden Fehlern der KPD vor ’33 zumindest gelernt haben. Zur Erinnerung: Die Gruppe K&P Berlin ist dieselbe Gruppe, die den weiter oben zitierten Bündnisaufruf zum 3. Oktober mitunterzeichnet hat, in dem steht: „Deutschland heißt, daß der Zweck der Nation, die Herstellung von Identität zwischen Staat und Bevölkerung, völkisch vollzogen wird.“ Und: „Die Reeducation-Versuche bewirkten angesichts des tiefverwurzelten Antisemitismus und der großen Unterstützung seitens der deutschen Bevölkerung lediglich öberflächliche Erfolge.“

Obwohl man scheinbar nicht mal im Ansatz begreift, was Deutschland eigentlich heißt, posaunt man groß herum, man wolle – so das Demomotto zum 3. Oktober – „Deutschland verraten“. Wer aber in Deutschland mit den Deutschen gemeinsame Sache machen will, den Deutschen die Solidarität anbietet, wie die K&P Berlin es unverblümt verkündet in dem sie zum „gemeinsamen Kampf“ aufruft, der ist nicht etwa ein Vaterlandsverräter, sondern ganz im Gegenteil die linke Avantgarde des deutschen Vaterlandes. Weil man sich also als unfähig erweist, den eigenen subjektiven kämpferischen Anspruch – der erstmal überhaupt nicht verwerflich ist – ins Verhältnis zu den objektiven Möglichkeiten und Bedingungen für Klassenkampf in Deutschland zu setzen, man also gar nicht über Klassenkampf reden will, sondern ihn nur blindwütig machen, ist es die Aufgabe antideutscher Kommunisten, die KP-Berlin an ihrem Treiben zu hindern. Und mit Verlaub. Man muß nicht erst die Bahamas lesen, denn tatsächlich steht in dem merkwürdigen Antifa-Fanzine Phase 2 von einem Anonymus verfaßt unter der Überschrift „Argumente für eine Demonstration am 3. Oktober in Berlin“ eine antideutsche Basisbanalität gedruckt, die sich die KP-Genossen gefälligst hinter die Ohren schreiben sollten und die deshalb hier zitiert wird. Es heißt dort also in Ausgabe Nummer 9 über die deutsche Wirklichkeit: „Jedes schnöde Interesse hat sich, bevor es artikuliert werden darf, vor dem vermeintlich im Staat verkörperten Allgemeininteresse zu rechtfertigen. Ein jeder ist aufgerufen, dem nationalen Kapital auch im eigenen Interesse (...) gegen den Druck der globalen Konkurrenz zur Seite zu springen.“ Nicht nur ist damit beiläufig der Unterschied ums Ganze zu den USA erklärt – also zugleich der Quatsch miterledigt, in Deutschland soll ein „neoliberales“ Modell durchgesetzt werden, das in den USA schon weiter fortgeschritten sei, sondern damit die Spur dahin gelegt, daß dem deutschen Staatsbürger die NSDAP-Parole vom Gemeinnutz der vor dem Eigennutz zu gehen hat, quasi zur zweiten Natur geworden ist und man auf dieser Basis nur den ungebrochenen kollektiven Willen zur Volksgemeinschaft als das Charakteristikum des deutschen Sozialcharakters par excellence konstatieren kann. Das heißt, eine Art irreversible libidinöse Bindung des deutschen Staatsbürgers an den Staat, welcher spiegelbildlich unlösbar an sein Volk von Staatsbürgern gebunden ist.

Gerade deshalb aber steht die antideutsche kommunistische Kritik vor der schier unlösbaren Aufgabe, den deutschen Zustand nicht etwa mit, sondern nur gegen die Massen abschaffen zu können. Denn nach Auschwitz ist die paradox anmutende Aufgabe des Revolutionärs in Deutschland die Verhinderung einer Revolution statt ihrer Beförderung, solange diese nur notwendig eine deutsche sein kann, wie es sie ähnlich bereits zwischen 1933 und 1945 gab. Es geht also um die Verteidigung bürgerlicher Restbestände und nicht um die Forcierung ihrer Abschaffung, also gerade nicht um Radikalisierung antiwestlicher und antibürgerlicher Ressentiments, sondern um Verteidigung und Bewahrung letzter Züge von Liberalität.

 

Im Augenblick der Gefahr

 

Für alle, die noch einigermaßen bei Trost sind, die also noch die Leidenschaft in sich verspüren, eine Denkanstrengung zu vollbringen, die einen kritischen, d. h. reflektierten Gedanken überhaupt erst möglich macht, es ihnen eben nicht zu anstrengend ist, gilt es, mit zwei grundsätzlichen Irrtümern aufzuräumen. Der erste besteht darin zu meinen, links und kommunistisch fielen in eins und hätten automatisch auch nur irgendetwas miteinander zu tun. Der zweite derzeit fatalere äußert sich dahingehend, es sei angezeigt, die Linke vor was auch immer retten zu müssen. In wem es aber so denkt, der will damit zugleich das Deutschtum, also den deutschen Begriff des Sozialen retten – auch wenn das den meisten gerade nicht bewußt ist. Es gehört zu den derzeit wichtigsten Erkenntnissen über den Weltzustand, daß das deutsche Modell des Wahrheitsverzichts und Kulturrelativismus, des völkischen Partikularismus also, als Exportschlager insbesondere bei Linken und Islamisten gleichermaßen Hochkonjunktur hat und nur zwei Kräfte auf der Welt diesem Erfolg qua materieller Gewalt wirkliche Schranken zu setzen vermögen. Die eine Kraft heißt Israel und die andere sind die Vereinigten Staaten von Amerika, die sich als Notbremse globaler Barbarei betätigen, welche ihre institutionalisierte Entsprechung zunehmend in der UNO oder dem Internationalen Strafgerichtshof mittels Menschen- und Völkerrecht findet.

Wer die barbarische Gefahr nicht sehen will, die von Islamisten und no-globals gleichermaßen ausgeht, also meint, statt einer klaren Parteinahme und Kampfansage den dritten Weg des Differenzierens gefunden zu haben und überall die Relativierung des Nationalsozialismus und von Auschwitz wittert, wenn die weltweit agierende antisemitische Internationale von antideutschen Kommunisten auf ihren nationalsozialistischen Kern gebracht wird, dem sei abschließend ein Zitat aus Walter Benjamins „Über den Begriff der Geschichte“ mit auf den Weg gegeben: „Vergangenes historisch artikulieren heißt nicht, es erkennen ,wie es denn eigentlich gewesen ist‘. Es heißt, sich einer Erinnerung zu bemächtigen, wie sie im Augenblick einer Gefahr aufblitzt. Dem historischen Materialismus geht es darum, ein Bild der Vergangenheit festzuhalten, wie es sich im Augenblick der Gefahr dem historischen Subjekt unversehens einstellt.“ (Herv. S.P.) Mit anderen Worten: Im Augenblick der islamistischen Gefahr ist die bittere Wahrheit, ein zweites Auschwitz oder ähnliches ist möglich.

Sören Pünjer

 

Nachbemerkung:

Wie zu erfahren war, gab es innerhalb des Demonstrationsbündnisses „Deutschland verraten“ für den 3. Oktober einen Beschluß, daß sämtliche „Nationalfahnen“ auf der Demo unerwünscht wären. Gemeint war damit natürlich nichts anderes, als daß das Symbol des jüdischen Staates auf einer Demo gegen Deutschland nicht erwünscht ist.

Auf der Demonstration wurde dann auch lautstark die Aufforderung vom Lautsprecherwagen bejubelt, die Träger der einzigsten beiden Israel-Fahnen sollten sich doch gefälligst ans Ende der Demo begeben, um sich als quasi Anhängsel der Demo zu präsentieren.

Was nur spukt in Köpfen herum, die die Israelfahne als ein Nationalsymbol wie jedes andere betrachten und wann, so ist zu fragen, ist denn in Deutschland der richtig gewählte Zeitpunkt um das Symbol des jüdischen Staates der deutschen Öffentlichkeit unter die Nase zu halten wenn nicht an jedem Tag des Jahres und zu jedem Anlaß?

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