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Mitten in der Zone: Hamburg

Zu den Angriffen auf die israelsolidarische Demonstration am 24.04.2004

 

Es ist immer noch das gleiche Bild, das sich einem bei Antifa-Expeditionen in die Brauntowns der Zone bietet: Pöbelnde Nazis, verstockt mit ihnen sympathisierende Mitbürger und Lokalgrößen, die sich um den Ruf ihrer jeweiligen Stadt sorgen und bitterlich darüber klagen, wie ungerecht und überzogen diese Antifa-Demos doch seien: eigentlich seien es ja erst solche Aktionen, die die Verhältnisse vor Ort über Gebühr dämonisierten, ja diese erst provozierten. Die Israelsolidaritätsdemo am 24.04.04 stieß im linken Vorzeigekiez Hamburgs auf ein Szenario, das dem in Hoyerswerda, Dolgenbrodt, Rostock, Gollwitz und anderswo durchaus gleicht: Den Job der dortigen Lokalfürsten übernahmen dabei in Hamburg die linken Abwiegler, während die lokale Sturmabteilung die Demonstration auch tätlich angriff, um ihre Durchführung zu verhindern; die einheimischen Zuschauer – egal, ob sie bloß im Café saßen oder gerade gegen Atomkraft oder für das Bauwagenelend demonstrierten – beteiligen sich an diesen Angriffen oder geben wenigstens ihrer Genugtuung darüber beredten Ausdruck: Die zionistischen Provokateure haben schließlich nichts anders verdient.

Auch wenn die Distinguierteren unter den Umstehenden den aufgeheizten Links-Mob und seine Vorhut aus Prügelpalästinensern&Freunden sonst vielleicht nicht besonders schätzen, so hat man gegen deren Haßparolen doch auch nichts Grundsätzliches einzuwenden; und diejenigen, die ihren dégoût an solchen Parolen schon mal auf betulichen Konferenzen und im Internet-Kaffeekränzchen kundgeben, taten den Teufel, sich bei den „antideutschen Provokateuren“ blicken zu lassen: man könnte es sich ja mit dem antisemitischen Pöbel verscherzen oder sich die Fingerchen mit „identitären Symbolen“ beschmutzen.

Beschmutzt allerings wurden die ca. 200 Demonstranten tatsächlich: aber nur durch die Farbbeutel und das faulige Obst, womit sie beworfen wurden. Nur der glückliche Zufall sorgte dafür, daß niemand durch die mehrfach erfolgenden Flaschenwürfe ernsthaft zu Schaden kam. Daß die Demo schließlich überhaupt durchgeführt werden konnte, war nicht der tätigen Solidarität Hamburger Israelfreunde zu danken – von rühmlichen Ausnahmen abgesehen, glänzten diese famosen OSZE-kompatiblen Antifaschisten ja durch Abwesenheit –, sondern zwei Hundertschaften Polizei, die den Links-Mob immer wieder in Seitenstraßen abdrängten, einen Barrikadenbau verhinderten und Steine und andere Wurfgeschosse, die besonders eifrige Kiez-Intifadisten vorbereiteten, umstandslos konfiszierten. So blieb denen nichts anderes übrig, als ihren Haß nurmehr hinauszuschreien, das aber mit manischer Ausdauer: „Allahu akbar! Israel Mörderstaat! Mörder! Mörder! Sharon ist, ein Mörder und Faschist! Nazis raus! Hoch die internationale Solidarität! Freiheit für Palästina! Tod dem Staat Israel! USA, Israel, Internationale Völkermordzentrale!“ und was das aktuelle Wörterbuch des Unmenschen sonst noch so zu bieten hat.

Es empfahl sich also, alle Regeln einzuhalten, die, will man ungeschoren davonkommen, für Antifa-Demos in der Zone gelten. Wer darauf vertraut hatte, daß es im Schanzenviertel ja nun doch ein bißchen anders zuginge, bekam seinen Irrtum zu spüren: Wer sich außerhalb des Polizeispaliers begab, um Flugblätter zu verteilen oder bloß etwas zu Trinken zu kaufen, der wurde bedroht, bespuckt und tätlich angegriffen; wer sich einzeln oder nur in einer kleinen Gruppe von der Abschlußkundgebung entfernte, wurde verfolgt, bepöbelt und tätlich angegriffen („Ich werde Dich töten“); wer sein Auto mit ortsfremdem Kennzeichen zu nahe am Anfangsort der Demonstration, dem Bahnhof Feldstraße, geparkt hatte, fand es mit zerstochenen Reifen und mit Scheiße beschmiert vor; wer als Ortsansässiger sich nicht mit dicker Sonnenbrille und Basecap tarnte und dementsprechend von der Kiez-Miliz identifiziert wurde, erhielt gleich Hausverbote für Szene-Kneipen, die man aber ohnehin besser meiden sollte.

Was sich in Hamburg seit der antizionistischen Prügelorgie am 31.01.04 anläßlich der Wehrmachtsaustellungs-Gegendemo geändert hat, ist allein, daß man anscheinend den Einsatzleitern der Polizei immerhin eines beigebracht hat: daß diejenigen mit der bewußten „Nationalfahne“ nämlich per definitionem keine Nazi-Provokateure sein können, daß sie also nicht zu verhaften seien. Von diesem kleinen Fortschritt abgesehen, wird man wohl so weitermachen wie bisher: Die antiimperialistischen Schläger sowieso, ebenso das antiisraelische Staatsfernsehen NDR und sein Ich-AG-Ableger FSK. Und die Apostel einer „kritischen“ Israel-Solidarität, die es häufig genug noch nicht einmal schaffen, dessen Existenz als jüdischer Staat hinzunehmen, geschweige denn diese in der öffentlichen Diskussion zu verteidigen? Sie werden wohl den Empfang, den das Schanzenviertel Leuten bereitete, die genau das tun, was sie selbst nicht fertig bringen, als Resultat eines „Sektenkrieges“ bagatellisieren. Dieser betreffe demnach allein die Radikalen beider Seiten, und hielten die fremden antideutschen Provokateure, die den ganzen Schlamassel ja erst ausgelöst hätten, schlicht den Rand, dann könnte ja wieder Ruhe in den Kiez einkehren, dann könnte man auch wieder mit Nazis gegen Nazis demonstrieren wie am 31.01.04.

Daß man genau das will, liegt deutlich zutage: Weder hat man die Angriffe auf die Israelfahnen an jenem Tag kritisiert – ganz im Gegenteil, wie konkret und Jungle World eindrucksvoll bewiesen – noch ist man wenigstens der gängigen Lesart, daß das bloße Mitführen dieser Fahnen bereits einen „Angriff“ auf eine Antifa-Demonstration darstelle, entgegengetreten. Entsprechend fiel die Reaktion auf die Demonstration vom 24.04.04 aus: Obwohl schon vorher bekannt war, daß es Angriffe geben werde, ließ man sie nicht nur geschehen, sondern schob noch ein mokantes „Selber Schuld!“ hinterher wie Gaston Kirsche sinngemäß in der Hamburger taz; aber wenn der von einem „Feldzug gegen die Hamburger Linke“ (27.04.) schreibt, vergißt er zweierlei zu erwähnen: Erstens, daß es sich in Wahrheit nämlich um eine Demonstration gegen die antisemitischen Kumpaneien dieser Linken handelte, und zweitens, daß diese Kumpaneien nur ein Teil des Problems sind. Der Demo-Aufruf schrieb nämlich nicht: „Ärgert die Alt-Antideutschen in Hamburg“, sondern richtete sich gegen einen „Antisemitismus“, bei dem „regierungsoffizielle ,Israelkritik‘ und der Haß der Straße, der sich in Europa vorzugsweise pazifistisch, also antiamerikanisch und israelfeindlich äußert, einander ergänzen.“  Aber nun gut – gemeint ist, wer sich angesprochen fühlt. Und das sind in Hamburg wohl auch diejenigen „Israelfreunde“, die einfach nicht von Postzionismus und Antiamerikanismus lassen können oder wollen, und die deswegen mit der quietistischen Lüge zu kontern versuchen, daß diese Demonstration ja gar nicht nötig gewesen wäre, sie nur falsche Akzente gesetzt habe, und daß man schon noch selbst etwas unternommen hätte – irgendwie, irgendwo, irgendwann.

Bis zu diesem St.Nimmerleinstag wird höchstwahrscheinlich weiter die Strategie der friedlichen Koexistenz mit dem antisemitischen Ressentiment gelten, um ruhigen Gewissens Linker unter Linken bleiben zu können. Der ist man in Hamburg nämlich aus Tradition. Die Linke wird als Bedingung der eigenen Existenz begriffen, die deshalb als Ganze zu erhalten sei. Niemand könnte sich vorstellen, daß dabei ein Teil fehlen dürfte – außer natürlich den Provokateuren mit der Israelfahne. Der Wunsch, diese loszuwerden, treibt nicht nur besonders differenzierte und symbolkritische Hamburger um: Das nämliche Interesse an militantem Rollback gegen Israelfreunde und ihre Helfershelfer besteht auch anderswo im entsprechenden Milieu. Der Rettungsversuch einer abgewirtschafteten Linken, die in ihrer Mehrheit einem antiimperialistischen Programm gegen die Emanzipation verhaftet ist, braucht eine kompromissbereite und mit Diskursstrategien hantierende Fraktion, die sich mit der Dominanz der romantischen Antikapitalisten „kritisch“ arrangiert hat, die mehr noch als Verschwörungstheorien die Springer-Presse haßt, und die nicht begreifen kann oder will, daß Ho-Chi-Minh partout nichts mit Saddam Hussein zu tun hat.

Die linke Kumpanei der vorgeblichen Antisemitismus-Kritiker mit den tatsächlichen Antisemiten gilt es auch weiterhin zu stören. Der nächste „Feldzug“ (Kirsche) wird in Köln am 5. Juni 2004 durchgeführt, wenn, wie angekündigt, der Doyen des Postzionismus, Moshe Zuckermann, mit den Saddamiten von der jungen Welt und den Westentaschen-Goebbels des palästinensischen „Widerstandes“ den Schulterschluß übt, egal, ob die „kritische Solidarität“ mit Israel das für „kitschige Propaganda“, für überzogen, der Sache schadend, selbstdarstellerisch, besonders deutsch oder antikommunistisch hält.

 

Das Berliner Nachbereitungstreffen (03.05.2004)

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