Dokumentation der Redebeiträge
„Flagge zeigen! Für israel – gegen Old Europe“ am 24.4.04 in Hamburg
Wir halten nicht sehr viel vom linken Nachbereitungsbusiness, jenem emsigen Dokumentieren in Wort und Bild auch des letzten Furzes, der auf einer Demonstration, Aktionswoche oder was auch immer gestunken hat. Wenn wir hier alle Redebeiträge der Demonstration vom 24.4. in Hamburg zugänglich machen, dann nicht nur deshalb, weil dieser Umzug jedenfalls kein linker gewesen ist und schon von daher, alles was dort geschah nach anderen Kriterien zu bewerten ist. Alle gehaltenen Beiträge verdienen es zugänglich gemacht zu werden, weil sie sich angesichts des unheimlichen Aufmarsches der Hamburger Intifada-Linken als vorweggenommene Analyse dessen lesen lassen, was die knapp 200 Demonstranten vor Ort erfahren haben und als Hamburger Verhältnisse, also die Schande der gesamten Hamburger Linken, nicht nachdrücklich genug gebrandmarkt werden kann.
Wir sind darüber hinaus davon überzeugt, daß für alle, die nicht so genau wissen, was sogenannte Antideutsche mit ihrer Israelsolidarität, aber auch mit ihrer Zivilisationsfreundschaft, ihrer Befürwortung des Afghanistan- und des Irakkriegs und des Kommunismus eigentlich genau meinen, und es wirklich wissen wollen, diese voneinander unabhängig entstandenen Beiträge kurze aber ergiebige Auskünfte darüber geben, was antideutsche Kritik ist.
Diese kleine Dokumentation ersetzt die Einschätzung der Ereignisse vom 24.04.2004 aus dem Demonstrationsbündnis nicht. Eine solche sei hiermit schon einmal angekündigt. Bis zu ihrer Veröffentlichung müssen sich daran Interessierte jedoch noch eine gute Woche gedulden – wir haben angesichts der samstäglichen Ereignisse noch Recherche- und Diskussionsbedarf.
Das Berliner Vor- und Nachbereitungstreffen
4. Rote Flora
5. Zum öffentlich verabredeten Angriff auf die Fahne Israels in Hamburg
6. Muß man als Linker dümmer sein als die Bildzeitung?
7.Unsere Kritik an ihnen trifft ins Schwarze
Vorgeschichte
Schon seit Monaten drohte der Streit darüber, ob auf antifaschistischen und linken Bündnisdemonstrationen israelische Fahnen oder die Fahnen der westlichen Alliierten mitgeführt werden dürfen, zu eskalieren.
Dabei hätten wir es schon lange wissen können: es kann keine linken Bündnisse mehr geben, auf die wir uns sinnvoll beziehen können. Der Beweis wurde in Hamburg am 31. Januar 2004 angetreten: Ein paar blauweiße Fahnen mit dem Davidstern, getragen auf einer Demonstration gegen Rechtsextreme, führen zum zu erwartenden Eklat: Antisemitisches Gebrüll leitet den Sturm auf Flaggen und Flaggenträger ein, die Fahnen Israels sollen zu Boden gehen. Die Täter sind keine Neonazis. Es sind deutsche Antifaschisten. Die Rufe „Mörder, Mörder!“, „Intifada!“ und auch „Juden raus!“, die man, wie die Gruppe Bad Weather zu recht in ihrem Basisbanalitäten-Papier anmerkt, zum gleichen Anlaß auch beim Naziaufmarsch hören konnte, blieben von der Mehrheit der Demonstration unbeanstandet.
Nicht daß die bekennenden und prügelnden Antisemiten inzwischen die Mehrheit bei derartigen Veranstaltungen stellen würden. Aber es existiert der Konsens, eine zu eindeutige und zu unmißverständliche Solidarität mit Israel – die an den Fahnen Israels festgemacht werden kann – mit allen Mitteln zu verhindern. Dieser Konsens trägt von den Antiimps bis zu den Vertretern einer – dann praktisch nicht existenten – „kritischen Solidarität“ mit Israel, von Attac bis KP Berlin, von Analyse und Kritik bis Jungle World, Konkret und Phase2. Die beschworene Formel lautet: Nationalfahnenverbot. Sie meint: Israel.
Der Skandal, der keiner ist
Was ist, nach den Vorfällen vom Januar, das Thema innerhalb der Linken, die sich immer „kritisch israelsolidarisch“ wähnen? Nicht der Bruch mit dem antisemitischen Mob in den eigenen Bündnissen und nicht die Kritik an denen, die das Bündnis weiter propagieren. Das Thema ist, zur Unzeit selbst ein Skandal, ob die israelische die richtige Fahne auf linken Veranstaltungen sei.
In den Monatsheften des Herman L. Gremliza, die spätestens seit dem 11. September als Blätter des geläuterten, antiamerikanischen Deutschtums gelten müssen, und die – wie im Falle des Jürgen Elsässer – nur dann ästhetische Grenzen ziehen, wenn der alte neue Antiimp zu pöbelhaft daherkommt, wurden die Ereignisse von Hamburg von Herman the German auf die Formel zusammengedampft: antideutsche Kommunisten sind deutsche Antikommunisten. End of Story. Ich hielte es für falsch, Gremliza damit zu entschuldigen, daß kritische Köpfe eine Halbwertszeit besäßen und Gremliza in persona schon recht fortgeschrittenen Semesters sei. Es gehört zur Würde eines vernunftbegabten Wesens, daß ich ihn auch dann ernst und beim Wort nehme, wenn ich ihn kaum noch ernst nehmen kann.
Identität
Der immer wieder erhobene Vorwurf, mit den Symbolen des jüdischen Staates Identitätspolitik zu betreiben, ist absurd und wird von denen erhoben, die ein notorisch gestörtes Verhältnis zu einem konkreten Antifaschismus haben.
Mit dem Wort der Identität jonglierend, ohne den gemeinten Begriff zu bestimmen, wird dabei aufs Vorurteil gesetzt.
Wir sind keine Israelis. Es ist nicht unser Land. Der Zionismus ist nicht unser Projekt. Soweit die Banalitäten für die, die sie noch einmal aufgezählt bekommen wollen. Unser Begriff von Identität meint aber, sich für etwas, im Sinne eines als richtig und wahr Erkannten, einzusetzen. Dies meint die Aufgabe von Äquidistanz, die zumeist nichts anderes ist als verlogene Neutralität. Dies meint das Parteiergreifen nicht in fremdem, sondern in eigenem Interesse.
Was kann dies praktisch heißen? Israel, historisch und politisch verstanden, ist unser Maßstab des Handelns im Ursprungsland der Shoa. Mehr noch: Wegen der Interessensgleichheit – von der Ablehnung antimoderner und kollektivistischer Tendenzen bis zum Bekenntnis zur Aufklärung als permanenter Aufgabe – ist ein Bündnis mit Israel im eigenen Interesse.
Dabei ist den politischen wie militärischen Fähigkeiten der Israelis zu vertrauen, sie sind sich selbst der beste Schutz vor den aggressivsten Bedrohungen. Unser dirty job ist es, dem dreifachen Elend in Europa, das sich antiwestlich, antimodern und antisemitisch geriert, entgegenzutreten.
Vier gute Gründe
Wenn es darum geht, sich heute positiv auf Israel zu beziehen, für Israel auch praktisch Partei zu ergreifen, so ist eine Diskussion darüber, welche Mittel die geeignetsten sind, sinnvoll und notwendig.
Natürlich geht es nicht darum, daß sich Israelsolidarität im Herzeigen der Fahne erschöpfen kann. Natürlich geht es nicht darum, daß jüdische oder israelische Symbole zum sinnfreien Abziehbild oder Aufnäher einer Pop-Antifa werden. Alles dies steht nicht zur Diskussion und wird zumeist böswillig behauptet.
Für das Herzeigen der Fahne sprechen aber gute Gründe:
Erstens
Diese Fahne ist ein Symbol dafür, daß wir uns als Bündnispartner Israels verstehen, daß der konkrete Einsatz für Israel unsere Aufgabe ist. Diese Fahne dient in besagtem Kontext als eine sichtbare Absage an Bettlaken mit Pace-Schriftzug und ähnliche politische wie ästhetische Grausamkeiten.
Die Fahne Israels wollen wir als Zustimmung dazu verstanden wissen, daß die Juden ihr eigenes Schicksal in die Hände nehmen und sich die Mittel wählen dürfen, die notwendig sind, nicht als permanentes und passives Opfer – so sehr es auch von ihnen erwartet wird – zu dienen.
Wir teilen die Ansicht des amerikanischen Präsidenten, der von seinem demokratischen Herausforderer John Kerry uneingeschränkt geteilt wird: Israel hat das unbedingte Recht, sich zu schützen und sich die notwendigen Mittel dafür selbst zu wählen.
Zweitens
Israels Fahne ist in Anbetracht einer symbolverliebten Linken die wohl eindeutigste Bekundung eines konkreten Antifaschismus. Sie ist ein Zeichen, daß nicht anti-antifaschistisch, nicht in Querfront-Strategien und auch nicht im Rahmen dogmatischer Klassenkampf- respektive Volkstums-Ideologien mißbraucht und entwendet werden kann.
So vieles hat seinen falschen Platz in der Linken: die bekenntnishaften Aufnäher, die Halswickel des palästinensischen Terrors und natürlich Sowjetflaggen, die bestenfalls die revolutionäre Utopie, doch meist nur das Historie gewordene Elend des Moskauer Regimes meinen.
Die Fahne mit dem Davidstern ist eindeutig und meint etwas Konkretes: Israel! Unserer Sympathie gehört uneingeschränkt dem jüdischen Staat, der sich gegen klerikal-faschistische Regimes und Terrorgruppen und gegen die antizionistische EU und UNO zur Wehr setzen muß. Diese Position meinen wir, wenn wir vom ernsthaften, konkreten Antifaschismus sprechen!
Drittens
Im Frühsommer 2003 wurde uns in Berlin der Mietvertrag wegen einer am Balkon befestigten Israelfahne gekündigt. Ein kurzer Beitrag im israelischen Militärrundfunk, nicht mehr als 10 oder 12 Sätze lang, führte in Israel zu einer wahren Flut an eMails an den Sender. Innerhalb von 48 Stunden gab es mehr als 200 Reaktionen der Art „Herzlichen Dank für euren Mut“ oder „Danke, daß ihr zu uns steht“.
Unsere Verwendung dieser Fahne wird von jenen, denen unsere Solidarität gilt, sehr wohl richtig verstanden.
Wer aber meint, das Ungeheuer des Antisemitismus schlafe noch, wird hoffen, daß es nicht aufgeweckt wird. Man verzeihe mir diese schwülstige Allegorie, aber das Ungeheuer braucht kein Schlafmittel. Israel hat am Beispiel der Hamas-Führer gezeigt, wie dieser wehrhafte Staat diese Frage beantwortet. Wir gratulieren den Israelis zu diesen wunderbaren, Sicherheit und Gerechtigkeit schaffenden Erfolgen!
Viertens
Die israelische Fahne zwingt dort zu Entscheidungen, wo sie anstehen, nämlich auch in einer Linken, die sich als antifaschistisch versteht, aber über Floskeln der Art: „Ich habe nichts gegen Israel, aber...“ nie hinauskommt. Damit sind wir bei der Frage, wo der richtige Ort ist für diese Fahne.
Ich behaupte: Überall in Deutschland. Denn überall in Deutschland, quer durch die Gesellschaft, quer durch die politischen Lager und sozialen Schichten wird diese Fahne immer wieder auf Widerspruch stoßen, weil sie genau richtig verstanden wird: als unmißverständliches Zeichen eines konkreten Antifaschismus, der sich an Israel festmacht.
Es gehört damit erst recht einer Linken vorgehalten, bei der die offenen Gegner Israels die Lautesten, die toleranten Bündnishüter die Leisesten sind – und sie zusammen die überwältigende Mehrheit stellen.
Wenn diese Fahne dazu führt, daß der linke Mob tobt und sich antisemitisch outet, denn danken wir für soviel Offenheit: Mit diesem Pack haben wir dann nichts mehr gemein!
Pflichtprogramm
Aufklärung als politisches Programm schließt die Bewußtmachung von Mißverständnissen über sich selbst ein. Ein solches wird im Streit um die israelische Flagge offengelegt. Denn ein nicht geringer Teil der vermeintlich israelsolidarischen Linken hat keine entsprechende politische Praxis und wird dem eigenen Anspruch nicht gerecht. Dabei ist nicht gemeint, daß Flaggezeigen zum Pflichtprogramm erklärt wird.
Aber wenn die Fahne Israels zu Boden geworfen, zertrampelt und verbrannt werden soll, ist sie zu verteidigen. So ist nicht gleich Antisemit, wer nach den Vorfällen von Hamburg immer noch an den alten Antifabündnissen festhalten möchte oder wer tatsächlich über die Fahne und nicht über die Angreifer glaubt diskutieren zu müssen. Aber der Brückenschlag zum antisemitischen Mob, gern als Fähigkeit zum innerlinken Diskurs verniedlicht, scheint wichtiger als eine politische Praxis, die einem moralischen Minimum genügte. So sieht es fast so aus, als stritten linke Antifaschisten mit den Nazis um das Vorrecht auf palästinensische Symbole und Attacken auf die des jüdischen Staates. Diese verkommene Linke perpetuiert ihren Verrat an Aufklärung und Emanzipation.
Das Pflichtprogramm heißt also nicht, die Fahne zu zeigen. Jeder wähle sich seine Mittel. Das Pflichtprogramm aber heißt die Fahne dort zu verteidigen, wo sie angegriffen wird!
Linke Medien
Was treibt heute Zeitschriften wie die Jungle World, einst ehrenhaft in Abgrenzung zum antisemitischen Flügel der jungen Welt gegründet, zum politischen Rollback, zur Aufkündigung der Solidarität mit Israel? Man munkelt, mit Israelsolidarität sei keine Auflage zu machen, man müsse sich dem linken Mainstream nähern. Oder, wie die Konkret vor gut 30 Jahren vormachte, Pin-Up-Girls aufs Cover setzen.
Während in der Mitte der Gesellschaft von deutscher Schuld abgelenkt und die Deutschen als Opfer halluziniert werden, findet am linken Rand ein paralleler Paradigmenwechsel statt: Es werden nicht die Antisemiten in den eigenen Kreisen, sondern ihre schärfsten Gegner zum Problem stilisiert.
Die linksradikale Lächerlichkeit, die sich in Berlin, Hamburg und anderswo als „antifaschistische Szene“ versteht, spricht ganz wie die klassischen Antiimps von „Revanchismus“, „Expansionsdrang“ und „„Imperialismus“ – sie spricht von Israel, den Vereinigten Staaten, ja mit eben diesem Vokabular sogar schon – wie in der letzten Phase2 nachzulesen – von Polen.
So steht dort tatsächlich zu lesem, die polnische Partnerschaft mit den Amerikanern im Irak stütze sich auf eine „imperialistische Außenpolitik“ und „polnische Expansionswünsche“ ein. Polen ginge es doch auch nur um Öl und Rüstungsgeschäfte. Mit dieser so zusammengestauchten, grundfalschen Analyse in leninistischem Jargon ist der Schritt, den Polen die Freundschaft aufzukündigen und die nie praktisch gewordene Solidarität einzustellen, naheliegend. Diesen Schritt haben nicht wenige sogenannte Softcore-Antideutsche, die eigentlich Softcore-Antiimps zu nennen wären, am Beispiel Israels schon hinter sich gebracht.
Man treibt es soweit, den Polen tatsächlich zu unterstellen, das imperialistische Projekt eines Großpolens von Ostsee bis Krim zu verfolgen.
Linke Wahrnehmungsstörungen enden nicht bei Israel.
So wie die Entwicklungen der letzten Monate vom diskustheoretischen Geschwätz in der Jungle World bis zum antisemitisch motivierten Gewaltausbruch am 31. Januar liefen, ist nun klar:
Die deutsche Linke ist grundsätzlich wahrnehmungs- und verhaltensgestört!
Adorno und Horkheimer schrieben zur Neuausgabe der Dialektik der Aufklärung 1969:
Kritisches Denken, das auch vor dem Fortschritt nicht innehält, verlangt heute Parteinahme für die Residuen der Freiheit, für Tendenzen zur realen Humanität, selbst wenn sie angesichts des großen historischen Zuges ohnmächtig erscheint.
Diese Parteinahme meint für uns Israel. Wir dürfen dabei zu Israel kein taktisches Verhältnis haben. Dies meint Parteinahme nicht „im Prinzip“, sondern „aus Prinzip“.
Die Fahne Israels ist ein starkes politisches Statement. Ein unzweideutig antifaschistisches allemal. Lang lebe Israel!
Ralf Schröder
Einem guten materialistischen Brauch zufolge setzt jede Position, d.h. die Bestimmung dessen, was man will und propagiert, die Durchdringung dessen voraus, was man ablehnt und bekämpft. Das Motto dieser Demonstration „Für Israel“, die Parteinahme für den Staat Israel, ist in dieser Perspektive die äußerste Zuspitzung und logische Konsequenz der Kritik der politischen Ökonomie, d.h. der Kritik an einem staatlich garantierten Produktionsverhältnis, das seinen eigenen unheilbaren Krisencharakter im Antisemitismus abspalten und in der Vernichtung der Juden exorzieren muß, wie es die Deutschen – und eben nicht nur die Deutschen, sondern sie zusammen im Bündnis etwa mit der bosnischen SS-Freiwilligenbrigade, dem Mufti von Jerusalem und den faschistischen Moslembrüdern – 33–45 exemplarisch betrieben haben. Diese Parteinahme für Israel folgt aus der Anstrengung des Begriffs, ist also keine willkürliche „Identifikation“ oder „Verklärung“ Israels, wie uns ausgerechnet die Linken vorzuwerfen belieben. Daß es Linke sind, die diesen Vorwurf erheben, ist aber wiederum kein Zufall, denn als ausgebuffte Politikaster können sie sich Erkenntnis gar nicht mehr anders vorstellen denn als blinde Projektion, Parteinahme gar nicht mehr anders denn als blanke Idealisierung – wie sie überhaupt außerstande sind, frei zu denken und zu handeln, solange sie kein selbst imaginiertes Vaterland als Rückendeckung haben. Diese Linke – nicht nur die ortsansässige, wie sie sich im Schanzenviertel in einer auch für deutsche Verhältnisse beeindruckenden Verwahrlosung präsentiert; (nicht nur die deutsche, sondern die gesamte europäische) – diese Linke ist deutsch bis in die Knochen , weil sie in ihrem Agieren besonders in den letzten 40 Jahren den konstanten Grundzug, der die deutsche Variante kapitalistischer Vergesellschaftung auszeichnet, exemplarisch verkörpert: den Antiimperialismus nämlich, dessen Grundmuster das der verfolgten und deswegen zur Verfolgung ermächtigte Unschuld ist. Es ist die Linke, an erster Stelle die sogenannte 68er, die, anstatt mit dem deutschen Opferwahn zu brechen, sich selbst als Opferbewegung konstituiert hat, denn als Opfer haben die Linken sich immer begriffen: Opfer des Kapitals, der Isolationsfolter, des Imperialismus, der Männer oder der Frauen, der Supermächte oder der Umweltverschmutzung. Noch vor allem besonderen Inhalt, der bei Linken nie eine große Rolle spielte, agierten sie immer schon der Form nach als deutsche Antiimperialisten. Daß sie mittlerweile auch inhaltlich ihre Teilhabe am Vernichtungszusammenhang der Deutschen selbstbewußt bezeugen, haben die Linken in ihren Reaktionen auf den Massenmord von Manhattan ebenso hinlänglich unter Beweis gestellt wie in ihrem Eintreten dafür, daß einer der größten Sponsoren des palästinensischen Terrors Staatschef des Irak bleiben dürfe – aber da waren, Bush sei Dank, die US-Truppen und ihre Verbündeten vor.
Diese Demonstration ist also eines bestimmt nicht und kann es logischerweise auch gar nicht sein: links. Vielmehr ist es ihr erklärter Zweck, die Linke zu delegitimieren und deren Schmach noch schmachvoller zu machen, indem sie ihr das Bewußtsein der Schmach hinzufügt.
Die heutige Demonstration, auf der wir unsere Parteinahme für Israel unter anderem kurz und bündig durch das Zeigen der Israel-Fahne bekunden, ist keine linke, sondern eine antideutsche; aber auch die Bestimmung dessen, was antideutsch ist, ist nicht voraussetzungslos und bedarf der Präzisierung und Abgrenzung – und zwar gegen diejenigen, die sich diese Bezeichnung nur angemaßt haben, ohne wirklich die Konsequenzen zu ziehen, die in antideutscher Kritik notwendig beschlossen liegen. Die Demonstration richtet sich daher auch gegen jenen antideutschen Linksradikalismus, wie er nicht zufällig Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre in Hamburg rund um die heutzutage völlig heruntergewirtschaftete konkret und die sogenannte „Radikale Linke“ seinen Ausgangspunkt nahm und wie er von namhaften Hamburger Platzhirschen und -innen maßgeblich geprägt wurde. An diesem antideutschen Linksradikalismus war nicht falsch, daß er antideutsch, sondern daß er linksradikal war und dadurch die Kritik dessen, was mit recht deutsch genannt werden kann, auf einen ordinären Antiimperialismus gegen Deutschland, auf selbstanklägerisches Bekennertum herunterwirtschaftete. In der moralischen Emphase, mit der fortwährend auf der „Singularität“ von Auschwitz insistiert wurde; im Polit-Kitsch, der um den Tod, der ein Meister aus Deutschland sei, veranstaltet wurde; in der Zirkularität, mit der immer neue und immer langweiligere Studien über den europäischen Antisemitismus auf den Markt geworfen wurden, war immer schon Verweigerung gegen die Erkenntnis beschlossen, daß der Nationalsozialismus keine bloß innergesellschaftliche, auf Deutschland bezogene, sondern eine internationale Bewegung war, der unter deutscher Führung die jungen, erwachenden Völker des Balkans und des Nahen Ostens im Kampf gegen die Juden und Plutokraten versammelte. Vom Antisemitismus sollte also schweigen, wer vom Antizionismus nicht reden mag und über Hitler und die Nazis sollte besser den Mund halten, wer vom Mufti von Jerusalem und den Moslembrüdern, den Islamnazis, nicht reden mag. Die Tat Auschwitz war singulär, nicht aber die spezifische gesellschaftliche Konstellation, der sie sich verdankt, die vielleicht zuerst in Deutschland sich herausbildete, aber sehr bald für all diejenigen Attraktivität gewann, die sich vom Imperialismus geknechtet, ausgebeutet und übers Ohr gehauen fühlen. Es sind dies dieselben Kollektive, zu denen nicht mehr nur Deutschland, sondern das ganze alte Europa die herzlichsten Beziehungen unterhält. Was deutsch ist, ist keine positiv bestimmbare, ausschließlich in Deutschland anzutreffende Eigenschaft, sondern eine verallgemeinerbare polit-ökonomische Konstellation und deshalb umfaßt „antideutsch“ heute notwendig und selbstverständlich auch die Gegnerschaft zu old europe und zum militanten Islam, weltweit und vor der eigenen Haustür. Antideutsch heißt auch anti-europäisch und anti-islamistisch.
Die heutige Demonstration richtet sich des weiteren gegen die spezifische bundesdeutsche Vergangenheitsbewältigung, wie sie sich mit geballter Wucht seit Beginn der 80er Jahre herausgebildet hatte. Worauf deutsche Schuldbekenntnisse hinauslaufen, das wußte Horkheimer schon 1959, als von Aufarbeitung im großen Stil noch gar nicht die Rede sein konnte: „Immer wieder zu formulieren: das Schuldbekenntnis der Deutschen (...) war ein famoses Verfahren, das völkische Gemeinschaftsempfinden in die Nachkriegsperiode hinüberzuretten. Das wir zu bewahren war die Hauptsache (...) Das Schuldbekenntnis hieß vielmehr, ,wir‘ und die Nazis gehören zusammen, der Krieg ist verloren, ,wir‘ müssen Abbitte tun, sonst kommen wir nicht rasch genug wieder hoch. Erst wenn die Sieger Konsequenzen ziehen wollten, griff man zur unverschämten Lüge und behauptete das Gegenteil der Schuld, ,wir‘ haben davon nichts gewusst (...) Selbst noch das ,Ich‘ stand für das ,Wir‘. Ich war kein Nazi, im Grund waren wir’s alle nicht. Das Wir ist die Brücke, das Schlechte, das den Nazismus möglich machte.“
An der deutschen Vergangenheitsbewältigung, der Aufarbeitung der Vergangenheit, am kollektiven Volkstrauern wegen Auschwitz ist nichts, rein gar nichts zu beerben, sondern es ist als solches und erst recht in seinen Konsequenzen zu bekämpfen. Aufarbeitung der Vergangenheit bedeutet zu keiner Zeit historisches Eingedenken oder Einsicht in das, was den Nazismus möglich machte – wie hätte sie das auch sein sollen, hieße doch solche ungeschmälerte Einsicht nichts anderes als die sofortige, bedingungs- und ersatzlose Auflösung Deutschlands – nach wie vor das, was antideutsche Kommunisten an erster Stelle zu fordern haben. Auschwitz und die Judenvernichtung war den Deutschen nie etwas anderes als das Material, um sich als Deutsche in Szene zu setzen. Keiner leidet unter den von Deutschen begangenen Verbrechen so sehr wie eben die Deutschen und deshalb haben gerade sie Anspruche auf Zuwendung – das war schon immer der Kern deutscher Vergangenheitsbewältigung und die Rehabilitierung Deutschlands ihr Zweck. Wie immer deckten auch hier die höchsten Ideale die niedersten Regungen; in der Indifferenz und Selbstbezüglichkeit des ganzen Unternehmens sprach sich schon immer das Ansinnen aus, unter Verweis auf die eigenen Spitzenleistungen in puncto Trauerarbeit, auf die eigene Läuterung wieder politische Ansprüche anmelden zu können und als moralisch makellose Nation diejenigen zur Ordnung zu rufen, die nicht so penibel aufgearbeitet haben wie die Deutschen, sondern immer noch am Nationalstaat festhalten und sich friedlicher Lösungen verweigern – wie etwa Israel und die USA. Im moralischen Größenwahn war immer schon der Anspruch enthalten, das moralische und politische Protektorat über diejenigen auszuüben, die sich den von Deutschen definierten „Lehren aus der Geschichte“ verweigern. Ein logischer wie praktischer Endpunkt der Vergangenheitsbewältigung wäre erst dann erreicht, wenn deutsche oder europäische Truppen unter Anwendung von Waffengewalt den uneinsichtigen, verstockten Juden praktische Lektion in Friedenspolitik erteilen; das ist die Quintessenz des „Lernens aus der Geschichte“: Judenfeindschaft mit erstklassiger Begründung, moralischer Antisemitismus (Geisel). Der Feldzug gegen Serbien war in dieser Perspektive eine Übung dafür, was Israel noch bevorstehen könnte.
Zuletzt ist unsere Parteinahme für Israel eine kommunistische und deshalb bedingungslose – und auch diese Bestimmung bedarf der Explikation. Unsere Parteinahme muß schon deshalb bedingungslos sein, weil es Kommunisten waren, die, statt, als es noch Zeit war, die von der bürgerlichen Gesellschaft aufgemachte Judenfrage als Antisemitenfrage zu denunzieren, aus dem Antisemitismus auch noch politisches Kapital schlagen wollten. Angesichts dieses epochalen Versagens ist es die selbstverständliche Aufgabe von Leuten, die sich im Ernst noch Kommunisten nennen, den Juden, die sich einen eigenen Staat gegeben haben, um sich nicht mehr auf andere verlassen zu müssen, von denen sie verlassen werden, wenn’s ernst wird, die sich heute ihrer Haut zu wehren wissen und die zum Glück auf keine gönnerhaften Belehrungen mehr angewiesen sind, auf symbolische und publizistische Art zu unterstützen. Aufgabe antideutscher Kommunisten ist es, als kollektive Kritiker mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Mittel, dem Mittel militanter Aufklärung, dem herrschenden antizionistischen Massenbewußtsein in die Parade zu fahren, bevor es die in seiner Ideologie angelegten Konsequenzen in die Tat umsetzen kann und Israel in ein UNO-Protektorat verwandelt und damit zerstört. Das wäre die kritische und eben darin kommunistische Aufgabe heute. Das mag wenig sein, aber vermutlich war internationale Solidarität nie etwas anderes.
Als Ho Chi Minh von einem antiimperialistisch gesonnenen europäischen Journalisten, der wie so viele unter Solidarität wohl nichts anderes verstand als Caritas, gefragt wurde, was denn die europäische Linke für Vietnam tun könne, da entgegnete er trocken: „Befreien Sie Ihr Land!“ Auf Israel bezogen heißt dies für uns: für Verhältnisse zu sorgen, in denen die Antisemitenfrage nicht mehr gestellt werden kann und das ist eine Aufgabe, mit der hier und heute zu beginnen ist. In diesem Sinne:
Für Israel, für die israelischen Streitkräfte, für die US-Truppen im Irak – fight and fuck old Europe (and its left)!
Clemens Nachtmann (Bahamas)
Wir stehen hier vor dem FSK, dem Freien Sender Kombinat. Seine Selbstdefinition lautet: „Das Freie Sender Kombinat ist der noch schwieriger gewordene Konsens von Radio St. Paula, Radio Loretta, Forum Radio, Stadtteilradio und Uni Radio. Als nicht-kommerzielles, werbefreies Projekt finanziert sich FSK ausschließlich aus Beiträgen von Fördermitgliedern und Spenden.“
Die Freien Radios beanspruchen für sich wie alle linken Medien, deren typischstes Beispiel indymedia ist, Gegeninformation zu machen, d.h. unterdrückte Nachrichten zu senden, um eine „Gegenöffentlichkeit zu schaffen, indem die Menschen an der gesellschaftlichen Basis DIREKT zu Wort kommen“.
Bei solchen Unterdrückungsvorstellungen schwingt prinzipiell schon die Vorstellung mit von interessegeleiteten, wenn nicht sogar manipulierten Medien, deshalb wird mit Vehemenz immer wieder die eigene finanzielle und staatliche Unabhängigkeit betont. Bei diversen linken Projekten wie taz, Jungle World oder konkret kann man jedoch beobachten, wie weit es mit solch idealistischem Streben tatsächlich bestellt ist: es führt immer nur zu quengelnden Bettelbriefen und einer noch viel größeren Abhängigkeit vom Klientel. Aus Angst vor dem Ausschluß aus der linken Familie hat es sich keine Teil-Redaktion des FSK zur Aufgabe gemacht, die in den deutschen Medien wirklich unterdrückten Nachrichten zu senden, wie die über den antisemitischen palästinensischen Terror. Die deutsche selektive Berichterstattung über den Nahost-Konflikt geschieht schlicht und ergreifend aus einem deutschlanddurchdringenden Einverständnis heraus, das weder die deutschen Linken noch die Mehrheit der arabischen Migranten ausschließt. Die Linken beharren dagegen auf einer Weltsicht, die über 1918 nie herausgekommen ist, und schreiben Unterdrückung von Nachrichten einzig politischen und wirtschaftlichen, wohlkalkulierten Gründen zu. Alle zusammen sammeln für den sogenannten irakischen Widerstand und mögen deshalb andere, wie die Hamburger Studien Bibliothek nicht, weil diese für die IDF spenden würden, wenn sie Geld hätten. Der FSK sendet stundenlang über die Bauwagenburg Bambule, die sich einbilden den Hamburger Senat gestürzt zu haben, läßt den Verschwörungstheoretiker und von-Bülow-Fan Thomas Steinberg auf Sendung gehen, und verbietet Bad Weather, Palituchträger zu kritisieren.
Die Vorstellung, daß alle Linken ungefiltert zu Wort kommen dürfen, ist grausam. Beim FSK führt das zu regelmäßig ausbrechenden Antisemitismus-Streitigkeiten. Dabei grenzen sich manche Teile der FSK zwar von der „Möllemannisierung“ des Senders ab, ohne aber einsehen zu können, daß die linken deutschen Medien nichts anderes ausstrahlen als Volkes Stimme. Die jährlichen Antisemitismus-Streitigkeiten enden in der Regel damit, daß die vernünftigen Leute das Weite suchen. Die weniger vernünftigen Kritiker perpetuieren sie ins Unendliche, indem sie in zahlreichen Sendungen immer wieder über den als antisemitisch kritisierten Vorfall reden, und zwar mit den Antisemiten, die meistens dem Forum-Radio, einem Teil des FSK, entstammen. Man scheint einen immer schwieriger werdenden Konsens darüber gefunden zu haben, daß man keine antisemitischen Sendungen verbreiten will. Welche im Einzelfall aber als solche zu benennen sind, darüber scheint die Konsensfindung ausgeschlossen zu sein. Der obszöne linke Pluralismus sorgt dafür, daß unter dem Schein der Kritik die Mikrofone immer wieder für die antisemitische Propaganda aufgemacht werden.
Die Wiederkehr des Immergleichen beim FSK verstärkt den Eindruck, daß es manchen der Antisemitismus-Kritiker nicht anders geht als der Hausfrau, die in der Putzwut dem Schmutz nahe sein darf. Windelweiche Papiere, wie es z.B. der Salon Rouge, ein Teil der Hochschul-Sendegruppe, herausgegeben hat, ermutigen offensichtlich auch die Antiimperialisten und Antizionisten, immer wiederzukehren. Wie soll es sich trotz aller Antisemitismus- Streitigkeiten auch rumsprechen, daß Sendungen nicht erwünscht sind, in denen Sharon mit Hitler und der palästinensische Selbstmord-Terror mit den Anschlägen der Juden im Warschauer Ghetto verglichen werden, wenn derselbe Salon Rouge bald darauf Plakate des Bündnis gegen IG-Farben Berlin abreißt? Pluralismus funktioniert eben nur, wenn man eine Position ausschließt: diejenige, die die Wahrheit beansprucht. Über verschiedene „Sichtweisen des Nahostkonflikts“ kann man reden, aber den Judenhass der Palästinenser zu benennen sprengt den „innerlinken Minimalkonsens“, der doch nur so mühevoll hergestellt werden konnte. Was ihn nicht sprengt, ist die Bezeichnung der Selbstmordattentate als Widerstand, denn das gehört zu so einem linken Konsens, daß der Kampf von irgendwie Unterdrückten jedes Mittel legitimiert. Die italienische Linke ruft infolgedessen „Boykottiert Israel“, die türkische sprengt McDonalds und andere Cafés in die Luft. Auch dies ist ein deutscher und europäischer Konsens: daß Israel für Imperialismus und Unterdrückung steht.
Es ist nicht weiter erstaunlich, daß die Kritiker der antisemitischen Sendungen regelmäßig an den demokratischen Strukturen des Freien Radios scheitern, denn neben dem Minimalkonsens gilt: die Geschäftsordnung ist alles, der Inhalt nichts. Diejenigen aber, die das ungute Gefühl haben, daß die Gespräche mit den Antisemiten nicht wirklich was bringen, sollten diese Erfahrung zur Erkenntnis werden lassen und sich von der Linken, die nun einmal antisemitisch ist, verabschieden, aus ihrem Wissen darüber die Konsequenzen ziehen. Sie machen sich sonst zu denen, die antisemitische Positionen tolerieren, denen das Kollektiv doch wichtiger ist als ihr Dissens, und die, wenn sie sich weigern, die notwendige Entscheidung zu treffen, in ihrem Leben keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen werden.
liberté toujours
4. Das Herz der Selbstverwaltung
Die Rote Flora und die Hamburger Verhältnisse – eine überfällige Abrechnung
Was hat die Rote Flora, vor der wir jetzt stehen, mit der Hamburger Staatsoper zu tun? Nichts, werden uns die Betreiber, dieses autonomen und garantiert selbstverwalteten Kulturzentrums zurufen, aber schon gleich gar nichts!!! Wieso aber kommt die Rote Flora als Schauplatz in einer Operninszenierung vor, die gerade jetzt auf dem Hamburger Spielplan steht? Nein, das ist kein Scherz. In der Neuinszenierung der bald 300 Jahre alten Oper, „Der lächerliche Prinz Jodelet“ des Hamburger Barockkomponisten Reinhard Keiser erscheint die Rote Flora, als von Juppies und Spekulanten bedrohter Hort nichtangepaßter, alternativer Lebenswelt. Daß in der gleichen Inszenierung George Bush in der Rolle eines grausamen asiatischen Despoten auftritt, dem Schröder und Chirac als speichelleckende Hofschranzen zu Füßen liegen, komplettiert das Bild. Sie sind sich über alles Trennende hinweg einig: Die als Pfeffersäcke gescholtenen sogenannten Spießer, die in die Oper gehen und die Struppies und Junkies, die Bauwagenbewohner und vegangen Lebensreformer, die „Szene“ also, die sich vor und in der Flora einfindet. Sie hassen Amerika, haben mehr oder weniger klammheimlich ihrer Befriedigung über die Anschläge vom 11. September 2001 Ausdruck gegeben, und letztes Jahr, waren sie – wenn auch in verschiedenen Blöcken – gemeinsam auf den Hamburger Friedensdemos vertreten.
Die von der Flora hassen natürlich die Operngänger, wie Deutsche einander hassen: aus Neid und größenwahnsinnigem Überlegenheitsgefühl. „Poor is beautiful“, sagen sie, „eat the rich“ sprühen sie, aber insgeheim hoffen sie auf Anerkennung und späten Erfolg. Erfolg beim Staat mit ihren alternativen Projekten, die wie das FSK auf Staatskohle lauern; Erfolg mit ihren stümperhaften Bands oder als noch stümperhafterer DJ oder DJane; Erfolg als bildender Künstler mit politischem Anspruch wie jener Hamburger, der gerade seine antisemitischen Plakate geklebt hat, auf denen Ariel Scharon im Visier eines unbekannten Scharfschützen abgebildet ist. Andere suchen, wiederum rund um die Flora, ihre Chance als alternative Drogen-Sozialarbeiter, oder sie dienen sich als Quartiersmanager an für ein gedeihliches Miteinander im Schanzenkiez: Tante Emma vom entsprechenden Laden, die von der Konkurrenz der Kaufhausketten bedroht um ihr Überleben kämpft, Seit’ an Seit’ mit dem Junkie von um die Ecke und dem ebenfalls um sein Überleben kämpfenden türkischen Gemüsehändler. Daß manche Tante Emma vielleicht ja aus Tradition Nazi ist und deshalb das Großkapital haßt; der Gemüsehändler mit einiger Wahrscheinlichkeit Mitglied von Milli Görüs oder einem anderen Verein zur Verbreitung einer besonders gewaltfreien und toleranten Religion ist, und schon deshalb seine Töchter unters Kopftuch und in die Koranschule zwingt, daß der Junkie schließlich möglicherweise der Gesundheit seiner Kunden gar nicht so zuträgliche Geschäfte mit ziemlich verschnittenem Heroin macht, das sind die kleinen Widersprüche über die man nicht so gerne redet in der Flora und überhaupt in der Schanze. Den Milli-Görüs-Gemüsehändler einen Faschisten zu nennen wäre jedenfalls eine rassistische Untat weißer deutscher Männer, das weiß man in der Flora. Tante Emma eine üble Nazitante zu schelten, wäre eine grobe Vorverurteilung und würde leugnen, daß man ja selber der Enkel der Nazigeneration ist. Man weiß ja: Als Deutsche müssen wir alle mit dem Nationalsozialismus in uns selbst ins Reine kommen, bevor wir andere besserwisserisch und heuchlerisch vorverurteilen. Das ist eine selbsttherapeutische Lebensaufgabe. Fachliteratur dazu erscheint im Unrast-Verlag und kann in der Schanzenbuchhandlung käuflich erworben werden. Und einen Junkie einen genauso abhängigen wie abhängig machenden Kleinkapitalisten zu heißen, der an Skrupellosigkeit den Getränkegroßmarkt um die Ecke noch toppt, dessen Verkäuferinnen den ganz betrunkenen Kunden nämlich erst mal keinen neuen Stoff geben, das verbietet sich.
In der Flora trifft sich, wer pr
ima Radiosendungen aus dem Freien Sender Kombinat hört und arabische bzw. andere antiimperialistische Antisemiten vor deutschen weißen Männern schützt; in die Flora geht, wer sich regelmäßig mit Lektüre aus der Schanzenbuchhandlung eindeckt, also esoterische, Transgender- und antisemitische Literatur über Palästina liest; in der Flora erhält Hausverbot, wer, wie jener Berliner Antifaschist, dessen Steckbrief in der nicht nur Hamburger „Szene“ weitergereicht wird, ziemlich unbeherrscht einem erst 16jährigen linken Antisemiten eine Maulschelle verpaßt hat. Gern gesehener Gast dagegen ist, wer im FSK antisemitische Sendungen ausstrahlt und – verstärkt um etliche Gesinnungsgenossen – einem Kritiker aufgelauert und zusammengeschlagen hat.
Das Unheil, das von der Flora ausgeht, ist ihr ganzer Stolz: Die Selbstverwaltung. Die ist von den vielbeschworenen subkulturellen und radikaloppositionellen Lebensentwürfen nicht zu trennen. Die Selbstverwaltung deutscher Linker in ihren sogenannten Freiräumen reproduziert unablässig das, wogegen wir mit dieser Demonstration protestieren: Die Hamburger Verhältnisse, den latenten und immer häufiger offen propagierten linken Antisemitismus. Sich von der Gesellschaft scheinbar extrem abzugrenzen, bedeutet unmittelbar und schrankenlos zu reproduzieren, was sie im innersten ausmacht. Die Flora ist der Musentempel der linksradikalen Lebensreformbewegung. Die beginnt in der Volxküche, setzt sich fort im Bekenntnis zu veganer Ernährung, feiert in der Wagenburg das Elend der Obdachlosigkeit als selbstbestimmten Gegenentwurf zum Spießertum und wendet sich gegen den einigenden Feind in der Schanze und in der Welt. Der ist wurzellos, plutokratisch, bellizistisch, und in jedem Fall ein weißer Mann. Er heißt George Bush genauso wie Ariel Scharon. Er heißt Axel Cäsar Springer, weil man sich noch nicht traut, Paul Spiegel zu sagen. Gegen ihn zieht man zu Felde, – meist symbolisch, weil er nicht greifbar ist. Ausnahmsweise aber ganz handfest, wie am 31. Januar dieses Jahres. Wer in dieser Gemeinschaft sich nicht an den Kommers hält, bekommt die ganze Bande an den Hals. Wer grundsätzliche Zweifel am Sinn solcher Lebensentwürfe äußert, wer einfach denunziert, was offen zu Tage liegt, nämlich deutsche Innerlichkeit, Identitätswahn, hohler Antiimperialismus, also schlicht: Zivilisationsfeindschaft, der bekommt aufs Maul. Jetzt heißt es, wir seien total undifferenziert. In der Flora gebe es auch Leute, die Antisemitismus echt schlimm finden. Mag sein. Nur: den Antisemitismus des arabischen und des deutschen antiimperialistischen Genossen, den wollen sie nicht sehen. In der Flora seien fast alle, von den Selbstverwaltungsgremien bis zum letzten Konzertgast dagegen gewesen, daß am 31. Januar Freunde Israels angegriffen wurden. Schon möglich. Nur: Nationalfahnen auf linken Demos finden sie alle reaktionär und emanzipationsfeindlich, irgendwie hierarchisch und autoritär.
Und die Besucher der Staatsoper, die die Neuinszenierung von Reinhard Keisers hübscher Oper, die jetzt als No-Global-Spektakel über die Bretter geht, so toll finden? Was unterscheidet die eigentlich von den Flora-Ich-AGs? Nur eines: Sie möchten ihren Kaffee gerne nicht vor, geschweige denn in der Flora trinken, sondern auf der Sonnenseite der „Piazza“, also gegenüber. Sie wollen nicht mit Bauwagenbewohnern tauschen, aber sie bewundern diese unangepaßten Tierschützer, die Menschen nicht leiden können, irgendwie schon. Die Flora nämlich steht für Utopie in Deutschland. Fürs unmittelbare Leben, für den Schrei nach Geborgenheit, für das Ende von Konsumterror und Fremdestimmung. Ein Selbstverwaltungsprojekt wie die Flora steht als Zeichen für den kollektiven Wunsch nach allgemeiner Selbstverwaltung in ganz Deutschland drohend vor Augen. Vergessen wir nie: Den Nationalsozalismus hat nicht Adolf Hitler allein erfunden. Am Anfang stand die Lebensreformbewegung: Gegen Kapitalismus und das böse Geld, gegen Großststädte, gegen Dekadenz, gegen den Fleischkonsum. Dafür aber für Natur, für keusche, garantiert unerotische Freikörperkultur, für Lagerfeuer und selbstgemachtes Liedgut. Daß Juden zu solchen Vereinen keinen Zutritt hatten, dürfte noch in Erinnerung sein.
Jutta Willutzki (Antideutsche Gruppe Hamburg), Justus Wertmüller (Bahamas)
5. Zum öffentlich verabredeten Angriff auf die Fahne Israels in Hamburg
Liebe Freunde Israels. Und wir können uns gewiß sein, daß am heutigen Tage nur tatsächliche Freunde Israels hier in Hamburg demonstrieren. Eine wirkliche Solidarität mit Israel hat nämlich eine wesentliche und elementare Bedingung: Sie muß bedingungslos sein. Eine Solidarität, die sich an Bedingungen knüpfen würde, wäre keine Solidarität mehr.
Und eben eine solche bedingte Solidarität, eine sogenannte „kritische“ Solidarität, wollte die Antifa Hamm am 17. Januar auf die Straßen ihres Dorfes tragen. An diesem Tag nämlich hatte der Hamburger Christian Worch, zusammen mit der Kameradschaft Hamm eine Demonstration unter dem Motto „Hoch die internationale Solidarität. Der Rassismus ist ein Meister aus Israel“ veranstaltet.
Extremisten sind die Neonazis daher längst nur noch, weil sie, und da sind sie den linken Extremisten ähnlich, offen aussprechen, was die Mehrheit der Deutschen hinter vorgehaltener Hand, aber immer öfter auch offen sagt. Und da sich der Antisemitismus seit längerem schon in der Sprache des Antirassismus und im Namen der Menschenrechte artikuliert, sind es nicht nur die linken Friedens- und Menschenrechtsfreunde und die internationale Völkergemeinschaft, sondern auch die Neonazis, die den Rassismus in Israel verorten. Mit dieser geistigen Kumpanei beweisen sie ihre Realitätstüchtigkeit.
Die Linke, und da unterscheidet sich die Antifa Hamm kein Stück, war schon immer ein Meister der Realitätsverdrängung. Anstatt also sich auf die Seite Israels zu stellen und nicht nur gegen die Neonazis zu demonstrieren, sondern auch gegen die Antizionisten in den eigenen Reihen, mitsamt ihrem ganzen Klamauk einer großen Gemeinschaft gegen die Rechtsextremisten, biederte man sich unter dem Motto „kritische Solidarität“ den schlimmsten Feinden Israels an. Was an der vermeintlichen Solidarität der Hammer Antifaschisten mit Israel „kritisch“ sein sollte, stellte sich schnell heraus. „Kritisch“ ist für die Antifa Hamm – und da ahmen die Dorfantifaschisten nur ihr Vorbild aus der Hauptstadt, die Berliner Gruppe KP, nach – ein allgemeines Verbot von Nationalfahnen auszusprechen.
Was sie aber eigentlich meinen, ist ein besonderes Verbot der jüdischen Nationalfahne.
Was uns nun von solchen Feinden Israels, und sie sind als Feinde Israels zu bezeichnen, unterscheidet, ist die Erkenntnis, daß es ja gerade die Aufgabe des jüdischen Staates ist, dafür Sorge zu tragen, daß die Juden weltweit nicht mehr auf das Wohlwollen derer angewiesen sind, die ihnen ein „Existenzrecht“ einräumen, sie aber eigentlich loswerden wollen. Und diese Aufgabe, diese Befreiung, erfüllt die jüdische Nation mit Hilfe eines Herrn Scharon und mit der Unterstützung einer schlagkräftigen Armee sehr gut.
Es verstand sich also von selbst, daß die Redaktion der antideutschen Zeitschrift T-34 zusammen mit anderen antideutschen Gruppen aus Nordrhein-Westfalen an diesem Tage nicht nur gegen den Hamburger Christian Worch und seine 90 abgehalfterten Gesinnungsgenossen demonstrierte, sondern vor allem gegen die israelkritischen Aktionen der Linken intervenierte, die sich als die besseren Deutschen für ein weltoffenes Klima in ihrem westfälischen Kaff einsetzten. Gemeinsam demonstrierten sie mit den Feinden Israels, der DKP, der MLPD und den restlichen Friedensfreunden, die nur allzu gern morgen schon Israel zur Räson bringen würden, wenn ihnen nicht ein Herr Scharon im Wege stände.
Und da es uns tatsächlich gelang eine Entscheidung zu erzwingen, weil wir an diesem 17. Januar mit der Fahne Israels gegen rechten und linken Antisemitismus demonstrierten, war die Empörung bei der gesamten antisemitischen Linken und in ihrem Refugium für das mediale Gespräch indymedia groß.
Bereits am Tag der antideutschen Intervention in Hamm und zwei Wochen vor der Demonstration des linken Hamburgs gegen den Aufmarsch der Neonazis am 31. Januar berauschte man sich im linken Internetforum an den eigenen Rache- und Gewaltphantasien gegen die Freunde Israels: „Macht die Antifa Demo in Hamburg Nationalfahnen-frei!“ war dort zu lesen. Natinalfahnen-frei!!! Bald darauf hieß es: „Fahnenträgern gehört an diesem Tag aufs Maul“
Weil den Schlägern an diesem Tag aber zunächst nur die Träger eines Transparentes auf dem von Auschwitz zu lesen war vor die Fäuste kamen statt einer Fahne mit dem Davidstern, griff man auch Angehörige der Berliner Gruppe KP an, die eigentlich nichts aber auch gar nichts mit dem Judenstaat zu tun haben will. Um dies zu untermauern, schrieb die Gruppe nach dem Angriff der antisemitischen Schläger eine Art Entschuldigungsschreiben, in dem noch einmal bekräftigte wurde, selbst auch etwas gegen die Fahne des jüdischen Staates – oder wie sie es politisch korrekt ausdrücken – gegen Nationalfahnen zu haben.
Mit der heutigen Demonstration setzten wir nicht nur ein Zeichen gegen Old Europe und gegen die linke Gemeinschaft in Hamburg, in der mit offenen Antisemiten paktiert wird, sondern wir zeigen Flagge gegen die, denen die Fahne Israel nur eine Nationalflagge, denen der Staat Israel nur ein Übel unter vielen oder sogar das schlimmste von allen ist.
Die Resistenz gegen Aufklärung, das verkommene Festhalten an alten linken Traditionen soll uns nicht in der Gewißheit trüben, dass es nur eine Konsequenz geben darf: Deutsche Linke? Nie wieder!
Redaktion T34
Manchmal findet man sogar in der Bildzeitung bessere Kommentare als in linksdeutschen Publikationen, z.B. den folgenden:
„Wenn Terrorchefs jungen Arabern 72 Jungfrauen im Paradies versprechen, damit sie israelische Zivilisten in die Luft sprengen, ist das den Weltpolitikern nicht mehr als ein Schulterzucken Wert.
Schicken diese Verbrecher junge Frauen mit Sprengstoffgürteln auf einen Markt in Tel Aviv oder, wie kürzlich der Fall, einen 16-jährigen mit Bomben im Rucksack in Richtung Israel, dann wird gerade mal mit ;Betroffenheit‘ reagiert.
Trifft es mit dem Hamas-Anführer einen solchen Drahtzieher selbst, ist die weltweite Empörung plötzlich grenzenlos. Es zeigt sich mal wieder, wie gern in diesem Konflikt mit zweierlei Maß gemessen wird.
Als leidenschaftlicher Gegner der Todesstrafe kritisiere ich sowohl die Volksrepublik China als auch diejenigen de US-Staaten, in denen der Staat Menschen umbringen läßt.
Ich hasse jedes Töten. Aber ich hasse auch zweierlei Maß.“ (1)
Ein Massenblatt, das nicht erst seit heute Lieblingsfeind der Linksdeutschen ist und für blöd gehalten wird, läßt Hans-Olaf Henkel einen triftigen Kommentar schreiben, den man in linksdeutschen Publikationen vergeblich sucht. Ein Irrtum Henkels sei korrigiert, die Tötung der Führer von illegitimen Kombattanten wie Scheich Jassin oder Rantisi hat nichts mit Todesstrafe zu tun. Für polizeiliche Maßnahmen hätte Israel erst durch Rückeroberung des Autonomiegebiets das Polizeirecht erwerben müssen. Anscheinend hat sich noch nicht herumgesprochen, daß Kriege unterhalb der Auseinandersetzungen von Staaten immer mehr zur Regel von Kriegen geworden sind. Nicht mehr nur Staaten, sondern auch bewaffnete Gruppen sind Subjekt von Kriegen und somit legitimes Kriegsziel. Die Kritik des israelischen Theoretikers des Krieges Martin van Crefeld am Anachronismus der Vorstellungen von Clausewitz in der heutigen Zeit wird ignoriert.
Daß djihadistische Massenmörder das Paradies mit einem Bordell verwechseln, in dem sie 72 Jungfrauen vergewaltigen dürfen, interessiert unsere Palästinenser-Freunde nicht. „Allah läßt keinen ins Paradies eingehen ohne ihn mit 72 Partnerinnen zu verheiraten“ verspricht der Hadith, der nach dem Koran ein wichtige Quelle des muslimischen Glaubens ist. Aber als Belohnung für Taten, die auch der muslimische Glauben verbietet? Den Angeführten, die den leeren Versprechungen ihrer islamistischen Führer folgen, ist das immer wieder zu sagen. Ohne die weltliche Belohnung, ohne Zahlungen an die Familie der Mörder, würde niemand sich aufmachen, sein – wie auch immer ungeliebtes – Leben zu opfern, um möglichst viele Juden zu ermorden.
Mörder sind keine Märtyrer (Wahrheitszeugen), auch wenn sie beim Morden selber sterben. Sie sind Mörder und sonst nichts. Die Todesideologie, die seit den 30er Jahren in arabischen Kreisen gepflegt wird, hat ihre Quelle in Schriften wie Hitlers „Mein Kampf“ nur prima facie im Koran oder anderen muslimischen Quellen.
Wer heute noch im Ernst glaubt, daß die Mörder nur arme Verzweifelte sind, die unter dem Schicksal der „Besatzung“ Israels leiden, geht an der organisierten Wirklichkeit der Massenmorde vorbei. Oder er gehört zu denjenigen, für den man den Ausdruck Linksdeutscher kreiert hat, eine eigentümliche Synthese, die an die von national und sozialistisch gemahnt.
Nimmt man den Mythos von den 72 Jungfrauen ernst, dann müßte man jeden Vergewaltiger einen armen Verzweifelten nennen, der sich mit einem sexuellen Notstand herausreden könne.
Der Sicherheitszaun, der die Massenmörder davon abhält, ihrem blutigen Geschäft nachzugehen, wird von Antizionisten „Apartheidszaun“ genannt und zum Unrecht erklärt. Aber was ist damit, wogegen er sich richtet? Der verbrecherische Krieg, den illegitime Kombattanten gegen Israel führen, wird – wo nicht sogar gerechtfertigt – nur mit Schulterzucken kommentiert.
Überall zweierlei Maß. Die Islamisten dürfen morden und wenn sich Israel das nicht gefallen läßt ist man außer sich vor Zorn. Massaker überall auf der Welt, es wird geschwiegen. Aber wenn ein israelischer Soldat einen jugendlichen Steinewerfer trifft, der als lebendiges Schutzschild vom Scharfschützen fungiert, kann man sich nicht retten vor Wut.
Obgleich israelsolidarische Linke in Deutschland gar nicht zu allen Dingen, die die iraelische Regierung tut, überhaupt Stellung nehmen, wird unterstellt, sie würden alles, was der Staat Israel tut, gutheißen. Woher weiß der anti-antideutsche Kritiker, was antideutsche Linke sagen würden? Durch Projektion ihres eigenen völkischen Staatsverständnis, das ihnen offenbar bei den Palästinensern keinerlei Kopfzerbrechen macht.
Nationalfahnen sind Symbol von Nationalismus, wo sie in einer antagonistischen Gesellschaft ein Kollektiv zusammenschweißen sollen. Mit etwas Nachdenken könnte vielleicht auch ein Linksdeutscher darauf kommen, daß das Zeigen von Flaggen der Alliierten des zweiten Weltkriegs oder der israelischen Fahne in Deutschland, das genaue Gegenteil symbolisiert: das Nichteinverständnis mit identitärer Politik, das Nichteinverständnis mit einem mordenden und todessehnsüchtigen Kollektiv, das Linksdeutsche als solches entweder nicht wahrhaben wollen oder doch so gern differenzierter sehen wollen. So entsteht so etwas wie eine „internationale Solidarität“, die sich nolens volens mit dem völkischen Wahn des Djihadismus verbündet. Um das sich nicht eingestehen zu müssen, wird dem israelsolidarischen politischem Gegner exakt das unterstellt, was man an seine eigenen Befindlichkeit nicht wahrnehmen will.
Der Staat sollte nicht unproblematisiert als Ausgangspunkt politischer Reflexion genommen werden, bei der die Welt als Summe von Nationalstaaten und deren Interaktionen erscheint. Die bestimmte Politik ist nicht ein bloß nationales Phänomen, sondern nur als Teil von Verschiebungen des globalen Zusammenhangs zu begreifen. Ausgangspunkt von Staatskritik hingegen kann nur die Einheit der Nationalstaaten, nicht die Trennung, sein.
Auf den ersten Blick verkündete jeder Staat gegenüber anderen Staaten seine Souveränität, so daß er erst einmal kategorial als Eigenständiges aufgelöst werden muß. Symbol dieser Souveränität ist u.a. die Nationalfahne. Im Falle Israels ist erstmals ein Staat entstanden, in dem die bis zur Staatsgründung durchgehend verfolgten und ermordeten Juden nunmehr die Mehrheit stellen. Der Staat übernimmt weltweit Verantwortung für die ganze bürgerliche Gesellschaft der Juden. Der Staat wird so erstmals explizit als Moment der Entwicklung der globalen gesellschaftlichen Verhältnisse gesehen. Das Politische ist indes überall Moment des globalen Verhältnisses, erscheint nur nicht in der Existenz eines globalen Staates, sondern in einer Vielheit scheinbar autonomer Nationalstaaten. Der Staatskritiker John Holoway schreibt:
„Der Nationalstaat ist (...) wesentlich eine Form der Fragmentierung der Weltgesellschaft. In diesem Licht gesehen gibt es eine grundlegende territoriale Nichtübereinstimmung zwischen dem Staat und der Gesellschaft, auf die er bezogen ist. (...) Jeder Nationalstaat ist ein Moment der Weltgesellschaft, eine territoriale Fragmentierung einer Gesellschaft, die sich über die gesamte Welt ausdehnt. Kein Nationalstaat, ob ,reich‘ oder ,arm‘, kann unter Absehung von seiner Existenz als Moment des globalen Kapitalverhältnisses verstanden werden. Die so oft getroffene Unterscheidung zwischen ,abhängigen‘ und ,nicht abhängigen‘ Staaten fällt in sich zusammen. Alle Nationalstaaten sind – historisch und immer von neuen – definiert durch ihre Beziehung zur Totalität kapitalistischer Gesellschaftsverhältnisse.“ (2)
Die Grundlage „antiimperialistischer“ Ideologie ist demnach durch Vollendung der imperialistischen Phase kapitalistischer Vergesellschaftung die Grundlage entzogen worden. Daher reproduziert die Aufteilung der Welt in unterdrückte und unterdrückende Völker, in „abhängige“ und „nicht abhängige“ Staaten, exakt die nationalistische Ideologie, die unsere linksdeutschen „Freunde“ an ihren politischen Gegner auszumachen trachten. Das gilt auch für Teile der jüdischen oder israelischen Linken, die jener Ideologie aufsitzen und deswegen gern als unverdächtige Kronzeugen zitiert werden: „Die Juden sagen es doch selbst.“
Was falsch ist, ist aber auch falsch, wenn sich ein Jude auftreiben läßt, der ein Falsches bestätigt. Auf Grund genannter Prämissen erscheint den Antiimperialisten der Krieg gegen Terrorismus als Verschwörung zur „Verstärkung der Ausbeutung“ und der Unterdrückung abhängiger „Völker“. Und gerät die Kritik offenkundig antisemitisch, dann wird die sog. „Kritik an Israel“ gleich damit eingeleitet, man müsse doch was gegen Israel sagen dürfen. Das hätte gar nichts mit Antisemitismus zu tun. Außerdem sei das ja „nationalistisch“, wenn man nichts gegen Juden sagen dürfe, wenn man Deutscher ist. Genau besehen haben sie gar keine Kritik am konkreten Handeln der israelischen Regierung, sondern, das was sich als Kritik ausgibt, richtet sich gegen den Staat Israel als solchem.
Wenn skandiert wird, „Wir wollen keine Judenschweine“ oder „Zionistischenschweine“, ist die Identifikation mit den Teilen des palästinensischen Kollektivs offenkundig, das den arabischen Antisemitismus und dessen Vernichtungsabsicht teilt. Wenn Israelfahnen verbrannt werden, wenn Leute, die israelsolidarisch sind, beschimpft, gejagt, gar verprügelt werden, dann habe ich Mühe Linksdeutsche von ihren Nazibrüdern, von denen man nichts anders erwartet, zu unterscheiden. Wenn kundgetan wird, daß die Palästinenser bei den Osloer Verträgen auf 78% ihres Gebietes hätten verzichten sollen, hilft es nachzurechnen. Das Staatsgebiet Israels zur Zeit seiner Gründung ist mitgemeint. Und deswegen wissen wir welcher Frieden gemeint ist: der des Friedhofs. Und so bleibt mir nur eines zum Schluß: die wirkliche Befreiung Palästinas zu fordern:
Befreit Palästina von den Heiligen Kriegern!
Beendet den Massenmord an den Israelis!
Solidarität mit Israel!
Martin Blumentritt
1) Hans-Olaf Henkel, in Bild vom 19. April 2004 Seite 2
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