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Die taz und ein antisemitischer Vorfall

Da es die Redaktion Bahamas auch als ihre Aufgabe ansieht, unterdrückte Nachrichten einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ist nachfolgende dokumentiert, wie die Verantwortlichen für den Berliner-Lokalteil der taz einen eindeutig antisemitischen Vorfall in Berlin-Kreuzberg umzulügen versuchen, über den am 22.11.2006 der RBB in seiner TV-Sendung “Klartext” berichtete:

“Jüdische Kinder unter Polizeischutz

 (...) Wir nennen sie Anne und zeigen ihr Gesicht nicht – zu ihrer Sicherheit. Anne, ein 14jähriges Mädchen aus Berlin-Kreuzberg fühlt sich nur zu Hause richtig sicher. Hier macht sie keiner verantwortlich für Konflikte, die fernab am anderen Ende der Welt täglich Tote und Verletzte fordern.

Hier in Kreuzberg sind es Mädchen und Jungen aus ihrer Schule und Jugendliche aus ihrem Kiez, arabische Migrantenkinder, die sie, die Jüdin, verantwortlich machen. Einige haben sie zum Feindbild erklärt.

Anne (Name geändert): Die sehen nur irgendwie, dass Leute umgebracht werden und deswegen kriegen sie ein Hassgefühl auf mich, weil ich Jüdin bin und weil ich die einzige Jüdin bin in der Schule und die sie wahrscheinlich auch überhaupt kennen, weil hier in Kreuzberg gibt’s ja ziemlich wenig Juden.

Es ist eine Schulkameradin, die einen zunächst persönlichen Streit mit unlauteren Mitteln austrägt. Sie beschimpft Anne als `Scheiß-Jüdin´ und schlägt sie. Annes Pflegemutter erinnert sich:

Marita L., Pflegemutter: Sie kam aus der Schule und war so bedrückt und so. Und da habe ich sie gefragt, was los ist. Und dann hat sie erst so rum gedruckst, na ja und sie weiß nicht. Manche Kinder sind halt so gemein und so. Und dann habe ich halt immer ein bisschen mehr nachgebohrt. Und dann kam eben das raus, dass sie sie als Jüdin beschimpft hat.

Die Mutter informiert den Schulleiter, richtet ein Notfallhandy ein. Die Täterin wird für zwei Tage von der Schule suspendiert. Doch schon am nächsten Tag steht vor dem Schultor eine Gruppe arabischer Jungen und wartet auf Anne.

Anne (Name geändert): Und dann hat ein Junge rein gerufen: ‚Wer ist denn hier die Jüdin?’ und dann habe ich schon ein bisschen Angst bekommen und mich nicht getraut, irgendwie was zu sagen und dann hat er angefangen zu schreien und richtig aggressiv gefragt, wer die Jüdin ist und dann habe ich gesagt: `Ich´. Und dann meinte er: ,Soll ich dir was sagen, ich scheiß auf die Juden!’

Ihre Freundin fordert Anne auf loszurennen. Die arabischen Jungen verfolgen sie.

Anne (Name geändert): Irgendwann sind wir ganz schnell gerannt und haben gehört, wie eine Flasche hinter uns aufkommt und total zersplittert. Und wir hatten Angst, dass wir etwas abkriegen. Dann sind wir noch schneller geworden und haben uns überlegt, wo rein und aus Panik sind wir dann in einen Hausflur rein gegangen.

Sie verstecken sich, bis die Jungen erfolglos abziehen – mit der Drohung, wieder zu kommen.

Vor ein paar Wochen erreicht die Eskalation vor dem Schultor ihren Höhepunkt. Und diesmal sind es zwei arabische Mädchen. Sie sind Anne körperlich überlegen und gehören nicht zur Schule. Sie fangen an zu schlagen und zu spucken. Anne flüchtet vor Angst in ein Restaurant um die Ecke.

Anne (Name geändert): Die haben gesagt, ich bin Jüdin und jetzt kriege ich eines auf die Fresse. Die haben mich einfach nur geschlagen. Die haben gesagt: ,Du dreckige Scheiße, geh dich aufhängen!’.

(...) Anne ist kein Einzelfall. Die Presse hat in den vergangenen zwei Jahren über ähnliche Vorfälle berichtet. Dass der Antisemitismus in den Schulen zunimmt, stellt auch die Jüdische Gemeinde zu Berlin fest.

Dr. Gideon Joffe, Jüdische Gemeinde zu Berlin: Regelmäßig wird die Berliner Jüdische Gemeinde für die Vorkommnisse, die in der Tat sehr traurig sind, im Nahen Osten verantwortlich gemacht. Viele unserer Gemeindemitglieder sind sehr stark verunsichert. Man merkt das daran, dass immer weniger Juden bereit sind, sich auch öffentlich als Juden zu erkennen zu geben. Sie tragen beispielsweise keine Kippa mehr – die jüdische Kopfbedeckung – und wenn sie bereit sind eine zu tragen, dann versteckt unter einer Baseballmütze.

(Quelle: http://www.rbb-online.de/_/fernsehen/magazine/beitrag_druck_jsp/key=rbb_beitrag_5080348.html)

 

Am 5.12.2006 sah sich die Redaktion der Berlin-taz zu folgender Stellungnahme veranlaßt:

“Ein Schulkonflikt und die Medien

Zwei Mädchen an einer Kreuzberger Oberschule führen Anfang September einen Zickenkrieg. Dass die eine jüdischer Abstammung, die andere arabischer Abstammung ist, macht diesen Konflikt an der Schule zum Frontkrieg: hier Juden und hier Araber – zwei Fronten, hinter denen sich Jugendliche gerne verschanzen. Viele andere Schüler haben sich den Konflikt in der Folge zu eigen gemacht und dadurch eskalieren lassen. Mit Hilfe unter anderem von Lehrern und Eltern konnte der Konflikt zwischen den Mädchen schließlich gelöst werden. Die Mädchen sind längst wieder versöhnt, als viele Medien den Konflikt mit achtwöchiger Verzögerung aufgreifen. So wird er erneut entfacht. Denn auch die Berichterstattung pflegt den symbolträchtigen Frontenkrieg im Zeichen des Antisemitismus mit reißerischen Schlagzeilen und bewussten Auslassungen. Und auch die jüdische Gemeinde nimmt sich nach Informationen der taz des Themas gerne an. Sie bietet dem Mädchen einen Platz an einer jüdischen Privatschule an. Taz”

 

Ebenfalls am 5.12. 2006 erschien in derselben Ausgabe dieses Interview:

“Ein Stellvertreterkrieg der Medien

Einen Streit zwischen zwei Mädchen an einer Kreuzberger Oberschule spielen Zeitungen als antisemitischen Übergriff hoch. Dabei war die Auseinandersetzung beigelegt, kritisiert Schuldirektorin Mira Lammers. Folge: Der Konflikt wird neu entfacht
Interview Edith Kresta

taz: Frau Lammers, ein Zickenkrieg an Ihrer Schule zwischen einem jüdischen und einem arabischen Mädchen wurde in den Medien als antisemitischer Angriff hochgespielt. Das verärgert Sie. Was ist der Hintergrund?

Mira Lammers: Das Medieninteresse kam, nachdem der Konflikt schon lange bearbeitet und befriedet war - und zwar im Wesentlichen zwischen den beiden Mädchen, natürlich mit Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer, der Eltern, der Polizei und dem Jugendamt. Die Medien kamen erst zirka zwei Monate später. Durch Zufall. Und sie kamen überfallartig. Wir wurden mitten aus unserem Tagesablauf und aus dem Unterricht herausgerissen und sollten auf der Stelle mehreren Reportern bekannter Zeitungen Auskunft geben.

Worüber ärgern Sie sich genau: über die Vorgehensweise der Medienvertreter oder über den Inhalt der Berichterstattung?

Ich ärgere mich über diese Art, einfach einzubrechen in die Schule, ohne zu fragen, und sich zudem nicht an die Absprachen mit der Pressestelle zu halten: Es war abgesprochen, dass es keine Namensnennungen gibt – weder von der Schule noch von den Schülerinnen. Das wurde nicht eingehalten.

Hatte das Auswirkungen auf die Schule?

Das hatte vor allem Auswirkungen auf die Schüler und Schülerinnen. Der Konflikt zwischen den beiden Mädchen - ursprünglich eine Eifersuchtsgeschichte - war längst in der Schule bearbeitet worden. Die "Täterin" und die Schule waren dann jedoch auf Fotos in den Medien zu erkennen. Jeder wusste nun, wer beteiligt war. Das Mädchen musste in der Schule wegen der Berichterstattung Spießruten laufen. So wurde der Konflikt wieder aufgebrochen, personalisiert und zunehmend ideologisiert.

Wird hier etwas mobilisiert – also der Antisemitismus –, der  eigentlich nicht das Problem ist?

Natürlich hat der Konflikt eine antisemitistische Komponente. Aber der Auslöser war etwas anderes: Die Schülerin, die nun als Täterin dafür verantwortlich gemacht wird, hat mit Antisemitismus wenig zu tun. Das ist eine Vereinfachung der Medien. Man hat jemand, die ist namhaft und noch dazu Kopftuchträgerin. Das passt genau ins Bild - das ist dann sozusagen ein Stellvertreterkrieg. Genauso wie die jüdische Schülerin auch Stellvertreterin für jüdische Interessen ist. Das zeigt sich daran, dass sich die jüdische Gemeinde in vielerlei Hinsicht stark gemacht hat für diese Schülerin.

Wie stellen Sie sich denn vor, dass die Medien damit umgehen sollten? Medien reagieren nun mal auf Konflikte.

Ja, aber bitte nicht so, wie der Bild-Zeitungsredakteur es auf den Punkt brachte: Er wollte "bad news" - weil nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind, denn nur solche könne man verkaufen. Das mag zugespitzt sein, aber im Wesentlichen habe ich das auch bei den anderen Medien so erfahren. Da wird ganz schnell etwas extrem formuliert und auf einen Konflikt reduziert, der sich in dieser Form vor Ort gar nicht so radikal darstellt. Diese Gewalttätigkeiten zwischen SchülerInnen haben immer mehrere Komponenten. Das ist eben nicht so, dass hier Araber gegen Juden sind. Diese Reduzierung ist für die Jugendlichen hoch gefährlich.

Warum?

Weil Jugendliche plötzlich auf eine Haltung reduziert werden, die sie eigentlich gar nicht einnehmen. So wird die latente Bereitschaft der SchülerInnen geschürt, sich zu polarisieren. Das ist auch für Jugendliche einfacher, als sich mit der Vielschichtigkeit der Motive auseinanderzusetzen.

Auch die Jugendlichen nehmen den Konflikt durch die Berichterstattung nicht mehr differenziert wahr?

Ja. Und da finde ich, hat die Presse die Verantwortung, den Jugendlichen zu zeigen, dass man sich alle Seiten anschaut und anhört. In diesem Fall wurde jedoch immer nur das Opfer gefragt. Bei Jugendlichen, die einen Entwicklungsprozess machen, ist es wichtig, dass man sie in die Prozesse reinholt. Mit einer solchen Berichterstattung werden sie aber rausgeschickt. Die Täterin wird ausgegrenzt und vorverurteilt.

Wo beginnt für Sie die Verantwortung der Medien?

Sie haben eine Verantwortung gegenüber diesen Jugendlichen. Aber sie bieten ihnen nichts an, obwohl Fernsehen und Zeitungen meinungsbildend sind. Sie arbeiten mit dem Schlagwort "arabisch" und "jüdisch", was gerade gut in die öffentliche Debatte passt. Aber es gibt keine Ansprache an die Jugendlichen. Keine Orientierungshilfen - keine positiven zumindest.

Wo sehen Sie Perspektiven?

Wir haben hier Gesprächsrunden mit muslimischen und jüdischen Jugendlichen gehabt. Solche Runde sind spannend, aber da interessiert sich niemand dafür. Das sind die leisen, aber wichtigen Themen.

Geht der Medienhype um ihre Schule weiter?

Ja. Heute hat das ZDF angerufen.”

 

Am 12. 12.2006 konnte man in der Leserbriefspalte der taz lesen:

“Bedroht und beleidigt

betr.: `Ein Stellvertreterkrieg der Medien´, Interview mit Schuldirektorin Mira Lammers zum Schulkonflikt an einer Kreuzberger Oberschule, taz vom 5. 12. 06

Wir haben den Artikel mit Bestürzung zur Kenntnis genommen. Die Einseitigkeit Ihrer neuen Darstellung sowie die nicht gezeigte journalistische Sorgfaltspflicht machten uns und die beiden Schülerinnen doch sehr betroffen.

Nach den monatelangen Bedrohungen, Beschimpfungen, Beleidigungen und tätlichen Angriffen mit antisemitischem Hintergrund empfinden die Mädchen Ihre Berichterstattung als Herabwürdigung und Bagatellisierung eines von Ihnen offensichtlich nicht erkannten Problems. Die Bedrohung mit antisemitischem Hintergrund ging nicht nur von einem Mädchen aus. Im Übrigen wurde der politische Hintergrund vor Zeugen zugegeben.

Wir möchten klarstellen, dass es sich hier nicht um eine Einzeltat handelte und nicht nur auf einem Streit zwischen zwei Mädchen basierte. Der Schuldirektor persönlich hat in einem Fernsehinterview die bedrohliche Situation in und um die Schule geschildert. Die Polizei und der Staatsschutz unterstützten uns jederzeit und bestärkten uns auch in unserem Vorgehen, diese Vorfälle nicht stillschweigend zu dulden – wie es leider noch zu häufig geschieht –, sondern mutig und gezielt gegen solche Angriffe vorzugehen.

M. LESSNY, betroffene Pflegemutter,

RENATE SCHUSCH, Pressesprecher AktivVerbund Berlin e. V.

Pflegeeltern für Pflegekinder”

 

In Anbetracht der Faktenlage möchte die Redaktion Bahamas nur ergänzend darauf hinweisen, daß die Kreuzberger Oberschule, an der Frau Mira Lammers als stellvertretende Direktorin tätig ist, den Namen der jüdischen Frauenrechtlerin Lina Morgenstern trägt und sich in der Gneisenaustraße 7 befindet. Außerdem weist das Internet Frau Lammers als Lehrbeauftragte des an der Humboldt-Universität angesiedelten “Institutes für Erziehungswissenschaften” aus (“Abteilung Systematische Didaktik und Unterrichtsforschung”). Im übrigen ist die Redaktion alles andere als überrascht darüber, was ebenfalls zu Tage trat: Im Jahr 2004 firmierte Frau Lammers im Auftrag der Lina Morgenstern Oberschule als Koordinatorin für die bundesweit durchgeführte “Aktionswoche gegen Rassismus”.

Redaktion Bahamas

15.12.2006

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