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Mittwoch, 23. Februar 2005, 19:00 Uhr,

Saal der Jerusalemgemeinde, Lindenstrasse 85, 10969 Berlin

 

Vortrag und Diskussion mit Jan-Georg Gerber

 

Soundtracks für das Bundeskanzleramt

Warum Punk dem Volke dient und deshalb tot ist

Vorsicht! Wenn bei öffentlichen Veranstaltungen T-Shirts mit der Aufschrift „Fuck Amerika“ und Buttons mit dem Konterfei Osama bin Ladens getragen werden; wenn das Publikum „Amis raus!“ skandiert, Künstler israelische Nationalfahnen verbrennen, vom einfachen und gerechten Leben auf heimatlicher Scholle gesungen und ein „Primat der Politik“ über die (amerikanisierte) Wirtschaft eingefordert wird, dann kann es sich auch um eine Neonaziveranstaltung handeln. Wahrscheinlicher aber ist, daß es sich um eine Inszenierung an der Berliner Volksbühne oder um eine x-beliebige Veranstaltung des sonstigen etablierten und nichtetablierten Kultur- und Kunstbetriebes handelt. Zu dessen fester Größe zählt schon seit längerem die aktive Punkszene, bei der ebenso regelmäßig und ununterscheidbar vom gesellschaftlichen Establishment die beschriebenen Tollheiten zu erleben sind.

Während Punk in Deutschland für eine kurze Zeit Normverletzung, ästhetische Entlarvung des elterlichen Lebens und konsequente Absage an den gesellschaftlichen common sense verkörperte, ist er heute nicht einfach nur massenkompatibel. Im Verhältnis zur Bevölkerungsmehrheit spielt Punk inzwischen jene Vorreiterrolle, von der die K-Gruppen der 70er Jahre nur träumen konnten: Er ist eine der Speerspitzen einer großen antiimperialis­ti­schen und damit zugleich notorisch israel- und amerikafeindlichen Volksfront. Längst lassen Punkrockbands und -magazine ihrem Haß auf die USA und Israel freien Lauf. In Szenezeitschriften werden die Massenmorde vom 11. September als „logische Reaktion“ auf das „arrogante Auftreten“ der Vereinigten Staaten gerechtfertigt, den islamistischen Selbstmordattentätern werden Nachsicht, Toleranz und Verständnis entgegengebracht und die israelische Politik wird mit der Politik des Nationalsozialismus gleichgesetzt.

Die zentralen Referenzpunkte dieser hate-letters sind die unterdrückten Kulturen und Völker, denen sich insbesondere die deutsche Punkrock-Avantgarde bereits seit der 1981er Friedensbewegung verpflichtet fühlt: statt gegen die Unterdrückung des Individuums zu streiten, wurde Punk „politisch“ und stand dem unterdrückten und bedrohten Volk zu Diensten. Seitdem empört man sich nicht nur über den amerikanischen „Kulturkolonialismus“ bzw. darüber, daß die USA den Bewohnern Asiens „die eigenen US-amerikanischen Eßgewohnheiten aufzwingen“. Man beklagt sich mittlerweile über die vermeintliche Bedeutungslosigkeit Deutschlands auf weltpolitischer Bühne, über den „blinden Gehorsam“ der Bundesregierung gegenüber den Vereinigten Staaten und die angebliche Dominanz amerikanischer Punkbands in Deutschland. Bei einer derartigen Bedrohung der Heimatfront rufen deutsche Punkrocker schon mal nach dem Staat, verlangen nach einer Deutschquote im Rundfunk und bekennen sich offen zu ihren antiamerikanischen Gewaltphantasien. Ein Autor des Plastic Bomb, eines der größten deutschen Punkrockmagazine, erklärte dementsprechend im Winter 2001, daß er George W. Bush gern „mit den bloßen Händen umbringen“ würde. Mit dieser Äußerung konnte er nach eigener Aussage auf das allgemeine Verständnis seiner Leser hoffen: „Begründen muß ich das vor dem Publikum, welches mich an dieser Stelle leider wohl ausschließlich liest, denke ich mal nicht.“ Deutsche Punks outen sich damit als ordinäre Volkstumskämpfer; ihr bisweilen vorgetragenes „Deutschland verrecke!“ entpuppt sich als das Resultat der Enttäuschungen, Mißverständnisse und Eifersüchteleien, die jede leidenschaftliche Liebesbeziehung von Zeit zu Zeit zu überstehen hat.

Warum sich damit nach dem 11. September konsequent einlöst, was beispielsweise die Hamburger Punkband Slime mit ihrem Gassenhauer „Yankees Raus!“ im Auftrag der Linken jahrelang einforderte, und warum man sich nicht wie gegen die Böhsen Onkelz, die ohnehin nur ordinäre Schläger waren, gegen solches linksdeutsche Volksempfinden stellte wie es die Band Daily Terror verkörperte, die nur knappe zwei Jahre benötigte, um vom schwarz-roten besetzten Haus startend ein Intermezzo bei der braunen Kameradschaft geben zu können ohne sich inhaltlich ändern zu müssen; wieso und warum es also mit dem Punk soweit kommen konnte, daß er sich substantiell in nichts vom gesunden Menschenverstand eines deutschen Sozialpädagogen unterscheidet, darüber wird zu reden sein.

 

Mittwoch, 23. Februar 2005, 19:00 Uhr,

Saal der Jerusalemgemeinde, Lindenstrasse 85, 10969 Berlin

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