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Vortrag und Diskussion

 

Montag, 25. Januar 2010, 19:00 Uhr
Max & Moritz
Oranienstr. 162
Berlin-Kreuzberg

 

Der Situationismus und seine Adepten

 

In Hamburg hat sich eine Volksfront von tausenden Kulturschaffenden gebildet, die in der Sprache des Eventmanagements gesprochen seit Jahren die oberen Zehntausend der dortigen besonders stolzen Kreativbranche bilden. Weil Hamburg aber ebenso seit Jahren in dieser Hinsicht immer mehr von Berlin der Rang abgelaufen wird und das zu einer zunehmenden Wanderungsbewegung von der Elbe an die Spree führte, steht die offizielle Hamburger Kulturpolitik zusammen mit der inoffiziellen vor dem Problem, die jahrelang in gemeinsamer Kärrnerarbeit erstellten Standortfaktoren einer Revision unterziehen zu müssen. Dabei scheiden sich, weil es um die Sicherung von Pfründen geht, naturgemäß die Geister. Aktuell treten in der Elbmetropole auch diejenigen auf den Plan, die stolz darauf sind, seit den 90er Jahren als der wichtigste Teil des Hamburger Kulturestablishments zu gelten. Wie man seine fast schon vergessene Widerständigkeit mit Prekariats- und Gentrificationgeschwafel in Erinnerung ruft, haben die Protagonisten aktuell in dem „Manifest“ „Not in Our Name, Marke Hamburg“ zusammengefasst, das mittlerweile über 5.000(!) kreative Hamburger unterzeichnet haben und in den Urbanistikseminaren der Republik mit besonderem Interesse zur Kenntnis genommen werden wird: „Wir haben in dieser Stadt immer Orte aufgesucht, die zeitweilig aus dem Markt gefallen waren – weil wir dort freier, autonomer, unabhängiger sein konnten. Für uns hat das, was wir in dieser Stadt machen, immer mit Freiräumen zu tun, mit Gegenentwürfen, mit Utopien, mit dem Unterlaufen von Verwertungs- und Standortlogik.“ Und deshalb gehören zu den Unterzeichnern, die sich als der echte Hamburger Standortfaktor präsentieren, neben hunderten Eventmanagern, Erlebnisgastronomen und sonstigen Beschäftigten der lokalen Kulturindustrie selbstredend die Goldenen Zitronen und Tocotronic, genauso wie Jochen Distelmeyer und Rocko Schamoni, aber auch Jan Delay und der Maler Daniel Richter.

Es ginge um „das Recht auf Stadt“, so tönt es derzeit allenthalben nicht nur in Hamburg mit Verweis auf den französischen „Stadtsoziologen“ Henry Lefebrve, auf den sich in den späten 50er und den gesamten 60er Jahren auch die Situationistische Internationale um Guy Debord berief, um durch Umherschweifen und Zweckentfremdungen freier, autonomer und unabhängiger zu werden. Weil die Situationisten Lefebrve aber als Revolutionär schätzten und nicht als akademische Autorität für den Standortdiskurs der Hamburger Schule, beriefen sie sich auf dessen Kritik des städtischen Alltagslebens. Das war damals von einer tristen Verwertungs- und Standortlogik gekennzeichnet. Heute dagegen steht die Suche nach Freiräumen, Gegenentwürfen und Utopien nur noch als kreative Duftmarke für den höchsten Ausdruck der Marktlogik.

Die objektive Tendenz des Marktes haben im Gegensatz zu den Hamburger Standort-„Gegnern“ die Situationisten unter Berufung auf die Marxsche Warenfetischkritik deutlich vor Augen gehabt und auf den Begriff des Spektakels gebracht. Dieses Verdienst des Situationismus ist es, das ihn zu Recht an die Seite der Kulturindustriekritik von Horkheimer und Adorno stellt, mit denen er darüberhinaus keineswegs nur peripher die Kritik der Heideggerisierung der Linken in Form des französischen Strukturalismus teilte – woran heutige Adepten nur ungern erinnert werden und worüber sie lieber den Mantel des Schweigens legen, weil es ihrem postmodernen Bedürfnis bei dem Versuch der Reanimierung des Situationismus zuwiderläuft.

Den Situationismus in revolutionärer Absicht wiederbeleben zu wollen, hat seinen Grund nicht zuletzt in einem tiefsitzenden Ressentiment gegen die Kritische Theorie, für deren Berechtigung sich die Adepten des Situationismus meinen auf die Kritik von Debord et. al. gerade in Bezug auf die Rolle der Kunst als gesellschaftliche Praxis berufen zu können.

Dagegen soll es in der Veranstaltung um eine etwas andere Aneignung situationistischer Einsichten gehen, ohne sie zu enthistorisieren und ihrer Kohärenz zu berauben. Denn der Situationismus gehört zum Besten, was die Linke zu bieten hatte, gerade weil er sich radikal gegen sie mit der Erkenntnis stellte, dass kreative Massenbewegungen gegen Verwertungs- und Standortlogik in Wahrheit spektakuläre Volksfronten genau dafür sind.

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