Bankrotte Bewegungslinke setzen auf „Palästina-Blöcke“ und „zionistenfreie Zonen“
Gelegentlich hatten ja nicht nur antideutsche Linke den Verdacht: Die Begeisterung für den ebenso mörderischen wie selbstmörderischen Kampf palästinensischer Fanatiker, das Engagement für den völkisch homogenen – und garantiert juden- sprich „zionisten“freien - Staat Palästina verweist in Deutschland auf das Trauma der Niederlage des Nationalsozialismus. Denn ein Kriegsziel hatten die deutschen Nazis im 2. Weltkrieg fast erreicht und damit um Haaresbreite verfehlt: die Vernichtung der Juden. Als die jüdischen Überlebenden der deutschen Vernichtungslager endlich die längst fällige Schlussfolgerung zogen als Zionisten den Staat Israel zu gründen und diesen gegen den unmittelbar nach der staatlichen Konstituierung erfolgenden Überfall von fünf arabischen Staaten erfolgreich verteidigten, muß der deutschen Volksseele das Herz ganz fürchterlich geblutet haben. Freilich schien es für Deutsche seinerzeit und in den kommenden Jahren ratsam, aus dem blutenden Herzen doch besser die Mördergrube zu machen, die es im gänzlich nichtmetaphorischen Sinn stets war. Der schwiemelige deutsche Philosemitismus der 50er und 60er Jahre schien immerhin den Vorteil zu haben, hierzulande weiter von „uns“ und „den Juden“ reden zu können. Und die ab 1967 einsetzenden Schreie der außerparlamentarischen westdeutschen Linken, eine Zerschlagung Israels fordernd, mussten aufgrund der sich im nachhinein als segensreich offenbarenden US-amerikanischen Dominanz zwar nicht unerhört, aber weitgehend unwirksam verhallen. Die Ostdeutschen allerdings hatten schon damals, aufgrund der geostrategischen Interessen ihrer sowjetischen Vormacht, das Privileg etwas weiter sein zu dürfen als ihre westlichen Blutsgeschwister. Deutscher Antisemitismus – und das ist, ausgesprochen oder nicht, der Wunsch nach Auslöschung der als Juden Deklarierten – durfte sich in der DDR schon Jahrzehnte vor dem Machtantritt der vereinigungsdeutschen Schröder-Fischer-Regierung offen als „Antizionismus“ artikulieren.
Im Osten wurden sie nach `45 geschleift. Im Westen stehen sie heute noch. Jene architektonischen Monströsitäten, die der Volksmund „Kriegerdenkmäler“ nennt, jene steinernen Ausgeburten chauvinistischer und militaristischer Niedertracht, die den Vorübergehenden ein martialisches „Deutschland muss leben!“ entgegenrotzen, die oft, als wäre es der ekelerregenden Zumutung nicht genug, ein „und wenn wir sterben müssen“ hinzusetzen. Und nun heißt es: „Palästina muss leben!“ Mit diesem Motto versucht ein als „Solidaritätsbündnis für Palästina“ firmierendes Konglomerat aus stalinistischen und trotzkistischen Sekten, 3.-Welt-Gruppen, Friedensinitiativen und allerlei anderer Zusammenhänge aus dem linksaktivistischen Klüngel sich mit einer Kundgebung am 16. März auf dem Berliner Breitscheidtplatz sich der deutschen Volksseele anzubiedern. Auf den Zusatz „und wenn wir sterben müssen“ hat man zunächst noch verzichtet. Der Verzicht dürfte aber auch leicht gefallen sein, denn dass der geforderte palästinensische Staat unter den gegenwärtigen mentalen Bedingungen seiner prospektiven Bürger und internationalen Sympathisanten nicht nur ein antijüdisches Mordprojekt darstellen wird, sondern auch von den Palästinensern stetige Todesbereitschaft und –verklärung einfordern wird, muß spätestens mit den Exzessen der sogenannten „Al-Aqsa-Intifada" allen klar geworden sein.
Es sind die Verlierer und Gescheiterten aus der Geschichte des deutschen postachtundsechziger Linksaktivismus, die jetzt, da sich die deutsch dominierte EU offen zur internationalen Fürsprecherin des palästinensischen Antisemitismus aufschwingt, die israelfeindliche Stimmungsmache als Chance begreifen und es in Sachen Massenmobilisierung noch einmal versuchen. Daß Verlierer und Gescheiterte auf den Antisemitismus setzen, ist gewiß nichts Neues und ebenso wird sich niemand über den gewiß ausbleibenden Erfolg der intendierten Massenmobilisierung wundern, denn dass Israelfeinde heute von der Außenpolitik Fischers mehr Effektivität erwarten können als von dem Vorsichhinstümpern der im „Solidaritätsbündnis“ versammelten Sekten, liegt auf der Hand. Da wird es auch wenig helfen, wenn man die groteske Produktion von linken Parallelwelten wieder ankurbelt, indem man im Aufruf zur Kundgebung beispielsweise schreibt: „Innerhalb der EU versucht trotz wachsender Kritik insbesondere die Bundesregierung die Linie der bedingungslosen Unterstützung Israels aufrechtzuerhalten.“ Das glaubt sowieso niemand, es sei denn jemand ist fest entschlossen, das glauben zu wollen.
So jemand könnte sich aber auch gleich einem Nazi-Verein anschließen. Dort kann auf diplomatische Rücksichtsnahmen, denen sich Fischers Politik immerhin noch manchmal unterwerfen muß, völlig verzichtet werden, dort kann der Judenhaß pur ausgelebt werden. Dort braucht sich auch niemand so groteske Dinge einzureden wie die Leute vom „Solidaritätsbündnis für Palästina“, die in ihrem Aufruf allen Ernstes behaupten, durch eine antiisraelische Mobilisierung „können wir auch dazu beitragen, die wachsende deutsche Kriegsbeteiligung, Rassismus und den Abbau demokratischer Rechte bei uns zurückzudrängen.“ So einen Quatsch haben offen als Nazis agierende Antisemiten nicht mehr nötig. Und zu dieser Erkenntnis scheint auch ein Teil der restautonomen Szene im Ostberliner Stadtbezirk Friedrichshain inzwischen gelangt zu sein. Wer sich etwa durch die Rigaer Straße bewegt, kann dort an nicht wenigen Hauswänden die Kennzeichnung „Zionistenfreie Zone“ lesen, in einem archaisierenden Nazistil wird einem die Mitteilung „Juden = Mörder“ gemacht. (siehe dazu Jungle World vom 13. 03. 02, S. 23) Auch zu physischen Angriffe gegen Linke, die sich gegen den Szene-Antisemitismus verwahrten, ist es dort schon gekommen. So breiten sich die aus Eberswalde und anderen ostdeutschen Elendskäffern bekannten „national befreiten Zonen“ langsam auch in Berlin aus. Die Reichshauptstadt kann also immer noch ein wenig deutscher werden.
Das „Solidaritätsbündnis“ hat angekündigt, sowohl beim Ostermarsch als auch bei der Berliner 1. Mai-Demo jeweils mit einem „Palästina-Block“ aufmarschieren zu wollen. Sollte es in Berlin wirklich noch Linke in nennenswerter Zahl geben, denen die menschliche Emanzipation von staatlichem und völkischem Wahn ein zentrales Anliegen ist, die wissen, das im emanzipatorischen Sinne alles zu spät ist, wenn Antisemiten in den eigenen Reihen ungehindert agieren dürfen, so hätten sie dringend adäquate Schlussfolgerungen aus dieser Ankündigung zu ziehen. Schon aus Gründen der Selbstachtung.
Horst Pankow
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