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Postfaschismus und Postnazismus

Buchvorstellung „Transformation des Postnazismus“ mit:

Stephan Grigat (Herausgeber des Buches „Transformation des Postnazismus“, Wien)

Uli Krug (Redaktion Bahamas, Berlin)

Clemens Nachtmann (Redaktion Bahamas, Berlin)

 

 

Immer, wenn der islamische Mord-Antisemitismus neue schauerliche Fakten geschaffen hat, bildet sich eine Fronde aus Verschwörungstheoretikern und Bedenkenträgern. Ausgerechnet aus deren Ecke raunt es dann an die Adresse derer, die das jeweilige Blutbad beim richtigen, nazistischen Namen genannt haben, daß man doch auf der „Singularität“ des Nationalsozialismus zu bestehen habe und daß man den „Faschismus“ nicht in den nahen Osten auslagern dürfe.  Ausgerechnet also diejenigen führen die Singularität des Nationalsozialismus ins Feld, die ansonsten in Auschwitz nur eine Durchsetzungsstufe des Werts in der kontinuierlich auf kommunistische Reife zulaufenden Weltgeschichte erblicken oder sie als den Haufen Späne ansehen, der eben beim nationalsozialistischen Hobeln an der Arbeiterbewegung angefallen ist. 

Aus dieser Ecke ist das Gerede von der Einmaligkeit, sprich Vergänglichkeit, des Nationalsozialismus und damit dessen Quintessenz, die „Vernichtung des Weltjudentums“, blanke Infamie. Israel wird dadurch „zu einem Staat wie jeder andere“. Tatsächliche einzigartig war der Nationalsozialismus aber dadurch, daß er in massenmörderischer Konsequenz nachwies, daß die Selbstzerstörung der bürgerlichen Gesellschaft auf die Ausrottung der zur jüdischen „Gegenrasse“ (Rosenberg) verleiblichten eigenen Konstitution – die in der Tauschabstraktion inhärente Dauerkrise - hinausläuft. So unbestreitbar spezifische deutsche historische Entwicklungen die konkrete Gestalt des deutschen Nationalsozialismus wie seine bislang einmalige Radikalisierung des Antisemitismus formten; so unbestreitbar offensichtlich treibt die im pathologischen Sinne zwanghafte Personalisierung des Raffenden, Raubenden und Zerstetzenden weltweit Regierungen und soziale Bewegungen um. Ein Mechanismus, der in der nunmehr wahrhaft einen Welt allzuhäufig das einzige Band darstellt, was Gesellschaften, Eliten und Mob überhaupt noch zusammenhält. Der Nationalsozialismus ist also insofern einmalig, als er sowohl den Anbruch einer kontinuierenden neuen, nachbürgerlichen – ideologisch betrachtet gar antibürgerlichen - Epoche kapitaler Vergesellschaftung markiert, die aus eigener Dynamik heraus nichts als Vernichtung zu offerieren hat. Kein Zufall auch, daß in diesem Sinne traditionell bürgerliche Gesellschaften wie die der USA am ehesten prädestiniert sind, sich diesem Programm in den Weg zu stellen.

Das schlechte Beharren auf „Singularität“, das den Nationalsozialismus in die Rumpelkammer der Geschichte verbannt, bedient sich dagegen eines Tricks: Der Rückführung des Un-Wesens des eliminatorischen Antisemitismus auf an und für sich klar benenn- und sezierbare Ausgangsbedingungen der deutschen Geschichte. Der Soziologe sucht sie in der abweichenden Mentalitätsgeschichte der (damaligen) Deutschen, der Krisentheoretiker in der etatistisch-defizitäreren Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise. Fehlt dem Zwang Juden zu töten das Industriepotential, verläuft das „gesellschaftliche Gespräch“ darüber anders, ist die Terminologie des eliminatorischen Antisemitismus der Religion entliehen, dann kann das ergo nichts mit dem deutschen Nationalsozialismus zu tun haben. Daß aber allein die Form, präzise die Verlaufsform des nationalsozialistischen Antisemitismus mit diesen historiographischen Beobachtungen beschrieben wird; sich die nationalsozialistische Judenvernichtung aber nicht aus ihrer Verlaufsform erklären läßt, ihr Grund weder in den historischen Umständen aufgeht noch sich offenbart, darf den moralischen Warnern, daß man einen Moslemfaschisten nicht in den NS-Kontext stellen darf, in den er sich nota bene selbst stellt, nicht aufgehen. Die Bedingung, die Auschwitz möglich machte, ist nicht identisch mit den Umständen, in denen es stattfand – genausowenig wie sie andererseits in falscher Generalisierung unterschiedslos für die „gesamte kapitalistische Welt“ gilt.

Der wahnhafte Vernichtungsfeldzug gegen das Abstrakte, konkretisiert im Liberalismus, im Kommunismus, im Mammon, inkarniert im Juden entspringt nicht einer Zweck-Mittel-Gelegenheit-Logik. Indem der NS-Staat diese Un-Logik in Staatsraison übersetzte, das Volk synthetisierte und das Anti-Volk vernichtete, markierte er einen unumkehrbaren „Zivilisationsschwund“, eine Regression des tatsächlichen kapitalen Subjekts auf seinen von Marx in kritischer Absicht geprägten Begriff . Daß seine Niederlage, sein völkerrechtliches Verschwinden die Wirkungsmacht dieses „Realparadoxes“ gebrochen und damit die zwanghafte Wiederholung der deutschen Krisenlösung suspendiert hätte, diese unhaltbare Unterstellung teilen die Apologeten der postnationalsozialistischen Demokratie mit ihren populistischen Gegnern vom Schlage Haiders und den „linken“ Verharmlosern der antiimperialistischen Weltbewegung des Islam. Daß und wie vielmehr „direkte Demokratie und organisierte Enthemmung“ dasselbe meinen, wie die ehemalige BRD den „Faschismus entnazifizierte“ und wie sehr gerade die Krise Konturen und Kontinuität des nazistisch präformierten Subjekts deutlich macht – das wird Thema des Abends sein.

 

Am Freitag den 26. September 2003, um 19:00 Uhr im Hauptgebäude der Humboldt Universität Berlin, Unter den Linden 6.

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