Zur Verteidigung der Zivilisation
Gegen die deutsche „Friedenssehnsucht“ und ihre schriftstellernden Apologeten
Die BAHAMAS habe einen „Ruf nach Kriegsverbrechen“ erhoben und wünsche den „Massenmord“ herbei, schreibt Günter Jacob in Konkret 11/01. Die Wortwahl verrät ihn doppelt: Es ist die Sprache der Nürnberger Prozesse, des Vietnam-Protests und ganz aktuell – siehe Kosovo – die Sprache der deutschen moralischen Kriegsführung. Damit bestimmte militärische Aktionen als „Massenmord“ oder „Kriegsverbrechen“ qualifiziert werden können, müssen jene sich entscheidend abheben vom täglichen kriegerischen oder bürgerkriegerischen Geschehen in der Region, in der sie angeblich stattfinden. Drei Wochen US-amerikanische Militärschläge gegen das afghanische Talibanregime können aber beim besten Willen – vorausgesetzt, dieser läßt sich von Empirie und Geschichte überhaupt noch beeindrucken – die vom Autor gewollte Analogie mit My Lai und Schlimmeren nicht bestätigen. Im Gegenteil: unvoreingenommene Beobachter müßte achselzuckend konstatieren, daß hier einer von anderen Instanzen als der nüchternen Beobachtung oder der politischer Bewertung einer geostrategischen Situation oder anderen sogenannten objektiven Faktoren zu einem Urteil verleitet worden, das seit dem 11.09.2001 für jeden, der sich nicht von seiner Biographie oder anderen Ressentiments leiten läßt, objektiv falsch ist. Wie so viele hat Günter Jacob sich fallen lassen in einen vorvernünftigen, regressiven Zustand, als die Haupthaare noch dicht und die Reihen der maoistischen Partei fest geschlossen waren: Er hat sich geistig in die späten 60er und frühen 70er Jahre zurückkatapultiert, als man noch unbefangen gegen den US-Völkermord zu Felde ziehen konnte. Wie ihm geht es vielen, die entgegen anderslautendem Bekunden ihre erlebte oder ererbte Parteigeschichte nie loswerden konnten und der aktuellen, bedrohlich erscheinenden Unübersichtlichkeit dadurch zu entkommen suchen, daß sie sich nach Zeiten zurücksehnen, in denen es noch einen richtigen Feind gegeben hat. Weil es aber der Fettnäpfchen viele gibt und man nie genau weiß, wer einem später das Sündenregister vorlegen wird, entzieht sich die deutsche Linke der allzu offenen Feinderklärung gegen die USA durch ein völlig regressives Bekenntnis zum Frieden, das sie wohl von Nicole abgeschaut hat. Der gehemmte Tatendrang hält sich dafür an der Heimatfront schadlos: einen Feind gibt es nämlich doch und das ist, wie immer schon in deutschen Landen, der Denunziant. Kriegstreiber, Rassisten, Bellizisten – so röhrt das nationaldemokratische Netzwerk Indymedia, seit die BAHAMAS sich am 14.09.2001 zum dort anstehenden Krieg geäußert hatte. Warum das alles? Warum nicht dem Zentralkomitee der Interim folgen und die BAHAMAS am Wegesrand liegen lassen? Woher die Zwangsgemeinschaft der persönlich Ertappten wie Günther Jacob, dem längst Bescheid gegeben wurde, daß die Zutageförderungen aus seinem theoretischen Steinbruch bei aller scheinbaren Beliebigkeit immer deutlicher der deutschen Ontologie sich annähern, mit Leuten, die wenigstens bislang zwischen den Mühlsteinen der Kritik in der BAHAMAS nur als Kollektivsubjekt die „Linke“ zu braunem Schrot zermahlen wurden? Sie hätten doch wenigstens so tun könnten, als seien sie nicht gemeint und sich so manches erspart. Aber sie wollen aus ihrem Herzen keine Mördergrube mehr machen und deswegen drängt es nicht nur den Jacob und den Robert Kurz, sondern mit ihnen all die jungen und namenlosen Aktivisten zu einem generationsübergreifenden und gegen alle Erfahrung abgedichteten Existential deutscher Linker: dem Antiimperialismus. Dem Antiimperialismus, den sie meinen, ist mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und ihres Einflusses auf die nationalen Bewegungen zwar endgültig jener Bezugspunkt abhanden gekommen, ohne den selbst im bornierten staatssozialistischen Sinne von Emanzipation nicht mehr gesprochen werden kann, aber das hat ihrem eifernden Glauben keinen Abbruch getan. Schon in den 70er Jahren als Jacob, Kurz oder Trampert in der je eigenen Vorhutpartei Dienst taten, hatte sich in Form des Maoismus ein wahrhaft deutscher Antiimperialismus etabliert, der die Denkfigur der grundlos verfolgten Unschuld wiederbelebte, diesmal als Märchen von der zwischen den beiden „Supermächten“, Imperialismus und Sozialimperalismus, eingekeilten und geknechteten Welt, in deren Mitte Deutschland liegt. Spätestens seit dem Triumph dieser maoistischen Lehre – in der deutschen Linken in den 70er Jahren von RAF-Sympathisanten bis zu Enver Hodxa Fans absolut vorherrschend – war der traditionelle Antiimperialismus endgültig auf seinen Wesenskern zurückgeführt: auf die völkische Reaktion. Obwohl bereits im Bewußtsein der studentischen Protestbewegung die aufständischen Vietnamesen in projektiver Wendung die Ersatzdeutschen spielten, die es dem imperialistischen Erzfeind USA endlich so richtig besorgten, so trat dieses Moment doch in den Hintergrund, weil es vordergründig nicht um eine Parteinahme für die Nation Vietnam gegen die Nation USA ging, sondern der Vietnamkrieg im Sinne der Parole Che Guevaras „Schafft zwei, drei, viele Vietnam!“ als Auftakt zur längst überfälligen Weltrevolution begriffen wurde. Man mag dies als haltlose Projektion, als schwärmerischen Idealismus abtun – jedenfalls war dieser Überschuß an weltrevolutionärem Impetus das Sympathischste und Vernünftigste am Antiimperialismus, obwohl er ihm, als Ideologie bornierter „nationaler Befreiung“, doch an sich wesensfremd ist. Nach 1975 verschwand auch dieser Restbestand von Vernunft im antiimperialistischen Gewand zusehends. Das läßt sich am Beispiel eines notwendigen Krieges belegen. Von einer Parteilichkeit für den segensreichen Feldzug der vietnamesischen sozialistischen Armee nämlich, die mit Unterstützung der UdSSR das maoistische Pol Pot-Kambodscha 1978/1979 beseitigte, war unter deutschen Linksradikalen nichts zu spüren. Anstatt diesen Feldzug für die Rettung unendlich vieler Menschenleben als humane Großtat zu feiern, wurde er von der damaligen Bundesregierung und erheblichen Fraktionen der damaligen Linken als ein sowjet-imperialistischer Überfall gegeißelt. Angesichts der furchtbaren Hinterlassenschaft des Khmer-Regimes hatte die antiimperialistische Linke ihre Chance, den ganzen Schrecken des bäuerlich-egalitären Volkstums-Sozialismus zu erkennen und zu verwerfen. Natürlich hat sie sie nicht wahrgenommen, weil sie schon damals lieber mit dem Schrecken im Bunde stand. Folglich griff die Mehrheit der Linken gleich nach dem Fall von Pnom Penh die nächste bäuerlich-volkstümliche, um völkische Identität ringende Erhebung begierig auf: nun war Zeit für Solidarität mit dem afghanischen Volk gegen den Sowjet-Imperialismus. Wenn heute sich die ganze Linke darauf hinaus redet, die islamistische Reaktion in Afghanistan sei schließlich von den USA maßgeblich gesponsort worden, so unterschlägt sie zugleich, daß sie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in den Jahren nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan im Dezember 1979 de facto an der Seite der USA stand wie ein Mann. Der Unterschied gegen heute liegt allein darin, daß sie damals für eine Option mit den USA sich entschieden hatte, die das Fanal für eine Menschheitskatastrophe darstellte, während sie sich nach dem 11.09.2001 gegen die USA positioniert in einem Waffengang, der wenigstens Linderung für die von allen Plagen heimgesuchte afghanische Bevölkerung in Aussicht stellt (ob es sie denn auch eintrifft, vermag mit Sicherheit keiner zu sagen). Die Schadenfreude und die Lust am Aufrechnen, die schon unmittelbar mit der Rezeption der entsetzlichen Bilder von Manhattan eingesetzt hatte, macht allerdings deutlich, daß das Setzen auf die islamische Karte seit dem Dezember 1979 für die deutsche Linke, anders als für die USA kein Zweckbündnis, sondern eine Herzensangelegenheit war. Als hätte sie gewußt, daß die islamische Option den USA langfristig schaden würden, steht sie heute unverhofft aber verdient auf Seiten der Sieger im antiimperialistischen Kampf, den Feinden der Zivilisation also.
Deutsche Friedenssehnsucht und die NPD
Noch nie war der Antiimperialismus eine originär oder exklusiv linke Angelegenheit, sondern das höchste Stadium eines falschen, reaktionären Antikapitalismus, den die deutsche Linke als Krisenreserve für die bereits angebrochenen härteren Zeiten konservierte und über die Runden rettete. Heute ist der Antiimperialismus wieder dort angekommen, wo er an sich auch beheimatet ist: in der offiziellen deutschen Politik und im alltäglichen Ressentiment. So könnten sich im Zeichen von Antiamerikanismus und deutsch-islamischer Freundschaft alle in die Arme fallen – wäre da nicht eine kleine faschistische Partei, die die deutsche Friedenssehnsucht unfreiwillig denunziert. Die unmißverständliche Kriegsgegnerschaft der NPD, ihr Antiamerikanismus, ihr offener Antisemitismus und ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk läßt die Friedensmarschierer und ihre Parolen in so zweifelhaftem Licht erscheinen, daß in deren Reihen wenigstens Irritation und Erklärungsbedarf angezeigt sein müßten. Was stattdessen sich äußert, ist der Ruf nach dem Staat. Weil jetzt die Stunde der nationalrevolutionären NPD schlüge, wenn man sie ungehindert weiter machen ließe, soll jetzt ihr letztes Stündlein geschlagen haben. Daß die Haltung der NPD zum sogenannten „Afghanistan-Krieg“ dem Verbotsantrag den entscheidenden Nachdruck verleihen könnte, darüber sinnierten die Innenminister der Länder schon vor Wochen. Sie muß allein schon deswegen verschwinden, weil ihr Agieren die handfesteste Ideologiekritik ist, die sich nur irgend vorstellen läßt: in rein gar nichts unterscheiden sich ihre Forderungen von denen der „Friedensbewegung“, der versammelten nationalrevolutionären Internationalisten und den globalisierungskritischen Feinden der Zinsknechtschaft. Weil es jeder merkt, daß die Mahlers die eigentliche Avantgarde dieser bekennenden Volksfreunde und Zivilisationskritiker sind, müssen sie tunlichst mundtot gemacht werden, um so weitermachen zu können wie zuvor. Am 13.10. brachte die NPD die Besucher der zentralen Berliner Friedensdemo aufs äußerste auf, als sie am Französischen Dom ein Plakat mit Parolen gegen Kapitalismus und US-Imperialismus anbrachte. Daß es allein das Logo „NPD“ war, das die Menge zum Rasen brachte und nicht der Inhalt, konnte zeitgleich an derselben Kirche beobachtet werden. Während ein Antifa-Aktivist unter allgemeinem Jubel das NPD-Transparent niederholte, blieb ein wenige Meter weiter oben von der Besuchergalerie herabhängendes anderes faschistisches Transparent von jeder handgreiflichen Kritik verschont: „Wir sind das Volk“, die Parole der deutschen Intifada von 1989, war da zu lesen.
Die Friedenssehnsucht, wie sie am 13.10. artikuliert wurde, diese eklige Mischung aus german angst und furor teutonicus, das einigende Gefühl, das aus Dresdner Bombennächten sich als verstockter Haß gegen alles Anglo-amerikanische erhalten hat und in jedem Waffengang unter US-Beteiligung stets auf neue die Frauenkirche brennen sieht, erfaßte zwei Tage später die offizielle Politik, als am 15.10. die Vorsitzende der Grünen und der entwicklungspolitische Sprecher der SPD die Aussetzung der Bombardements anmahnten, solchermaßen unter Beweis stellend, daß Deutschlands Friedensmarschierer und ihre Regierung aus dem gleichen antiimperialistischen Lager stammen, dem die deutsch arabische Freundschaftsgesellschaft genauso angehört wie der beliebteste Nachrichtensprecher der Nation.
Der Faschist vom Französischen Dom machte deutlich, daß alle sein Ressentiment teilen: Die Kundgebungsredner, die emsig die täglichen Hungertoten mit den Ermordeten von New York und Washington aufrechneten und als Höhepunkt Professor Weizenbaum präsentierten, der zum allgemeinen Wohlgefallen von immerhin 15.000 Leuten dem übelsten Antisemitismus den vorzeigejüdischen Segen erteilte, wie aus den USA heraus schon der Noam Chomsky mit seinen Pamphleten, die seit dem 12.09.2001 erscheinen und international begierig aufgegriffen werden. Schon das Leittransparent der ersten größeren deutschen Bündnisdemo nach dem islamistischen Massaker verkündete das Glaubensbekenntnis der Bewegung: „Zivilisation ist Völkermord“. Das Lob des Authentischen, Autochthonen, Unverstellten und Ungekünstelten kommt grobschlächtig daher bei denen, die „Deutschland den Deutschen“ grölen, nur scheinbar weniger grobschlächtig bei jenen, die im Namen des Völkerschutzes vor der „Globalisierung“ warnen. Sie alle sorgen sich, unmittelbar oder auf ethnopluralistischem Umweg, ums deutsche Kulturkollektiv, das von den Mächten der Abstraktion – stets Israel, stets die USA – von außen überwältigt werde.
Wie sag‘ ich‘s theoretisch?
In den etwas unklaren Jahren nach 1989 ist der Theoriebedarf der deutschen Linken erheblich gestiegen. Nicht daß etwa mehr gelesen, gestritten oder nachgedacht würde, wirklich gestiegen ist allein die Angst, man könnte sich wieder verplappern und von schlechten Menschen dabei ertappt und öffentlich denunziert werden. So wie jeder ordinäre Feind des Staates Israel sich eine hübsche kleine Antisemitismustheorie zusammengebastelt hat, als schützende Knautschzone gegen mögliche Kritik, meldeten auch die antiamerikanischen Feinde von Globalisierung und Zivilisation schon lange vor dem 11.09.2001 und mehr noch unmittelbar danach Theoriebedarf an. Unter Theorie verstehen sie dabei ganz offensichtlich die irgendwie gescheit klingende nachträgliche Begründung ihres sinnvergessenen Aktivismus, der ja nach dem epochalen Einbruch von 1989/90 nicht etwa abriß oder wenigstens von Nachdenken begleitet worden wäre. Eines aber hatte man aus dem Zusammenbruch des Realsozialismus gelernt und soviel blieb als Problem auch nach dem 11.09.2001 in den Köpfen präsent: Antideutsche Kritik, besonders ihre anvancierteste Spielart, die sich nicht scheut, die Kritik der politischen Ökonomie in ihrer schärfsten und orthodoxen Form, als Ideologiekritik nämlich, zu üben, hat Einzug gehalten in die eigenen Reihen und kann dort jederzeit zerstörerische Wirkung entfalten – Schläfer wo man hinsieht. Dem Abhilfe zu schaffen – so selbstkritisch ist ein bewegungslinker Stratege allemal – reichen die eigenen argumentativen Möglichkeiten nicht aus. Was man selber nicht kann, bieten aber ansonsten zu wenig nachgefragte Tuis (Brecht) vom intellektuellen Straßenstrich gegen ein bißchen Beachtung jederzeit feil. Wie wird aus einem autoritären Rülpser ein Bonmot, oder aus provinzieller Heimatliebe ein veritables Revolutionstheorem? Warum ist vegane Ernährung emanzipatorisch und freiwillige Selbstausbeutung der entscheidende Schritt aus den Fesseln der Arbeit? Und – ganz aktuell – warum beweisen die Selbstmordanschläge von New York und Washington, daß, die toten Kapitalisten selber schuld, der Kapitalismus am Ende und die Antiglobalisierungsbewegung kurz vor dem weltrevolutionären Umschlag seien? Diese Fragen schlüssig, revolutionär, marxistisch, ja sogar wertkritisch zu beantworten ist eine wahre Herkulesarbeit, und unter den vielen intellektuellen Koofmichs, die sich anheischig machen, sie zu tun, gibt es nur einen, der den hohen Erwartungen auch gerecht wird. Theoretisch vermunitionieren durften sich die linken und linksliberalen Volksfreunde seit Jahr und Tag aus dem Waffenarsenal der postmodernen Kritik an der „Moderne“, der „Aufklärung“ und ihren „totalitären Überwältigungen“. Diejenigen, die bislang stets auf den Adorno-Preisträger Derrida und seinesgleichen verwiesen waren, dürfen sich nun auch an einem „Nürnberger Philosoph(en) und Wirtschaftshistoriker" (Neues Deutschland 14. 09 2001) erbauen, für den die Kantische Philosophie „nie(!) etwas anderes als ein Weltvernichtungsprogramm“ war und der Kants Vision vom „ewigen Frieden“ in der Jungle World attestiert, „nichts anderes als die Friedhofsruhe einer vom Wert verwüsteten Welt“ intendiert zu haben. So spricht der Aufrechner, für den Mitgefühl etwa das bedeutet: „Mitgefühl ohne den Beigeschmack des Ressentiments für alle Opfer; für die unter den Trümmern des World Trade Centers begrabene Brokerin ebenso wie für den von Nato-Bomben zerfetzten Namenlosen.“ So spricht der Intellektuelle für den Mainstream, der Wertkritiker, dem Zivilisation nichts als die Chiffre für Völkermord ist, Ideologiekritik reaktionärer Mummenschanz und Konsumverzicht Einstieg in die freie Welt nach der Arbeit: Robert Kurz. Ihm gebührt diesmal das Verdienst, den irre gewordenen Antikapitalisten, die ihren bodenständigen Islamismus immer selber ausplaudern, wenn sie auf Kreuzberger Häuser die Parole, „Kapitalismus töten!“, schmieren, einen theoretischen Anstrich für ihre völkische Mordlust zu geben und ihnen zugleich einen Feind vorzusetzen, der wenigstens nicht Tourist aus den USA oder Besucher des jüdischen Gemeindezentrums ist.
Der Distanzierungsdruck von der BAHAMAS scheint nach dem Erscheinen der ersten Erklärung zu den Anschlägen in New York Washington derartig angewachsen sein, daß nur noch Robert Kurz, der Oswald Spengler der Wertkritik, für den schwierigen Job in Betracht kam, pazifistischen Quietismus zu begründen und dem Haß auf die Aufklärung die Weihen theoretischer Einsicht zu verleihen. Rekapitulieren wir: Im Jungle World-Dossier vom 26.09.2001 wurden von Heike Runge über Joachim Rohloff bis zu Anton Landgraf Einschätzungen ausgebreitet, die verblüffenderweise einige Übereinstimmungen mit den Positionen der im Netz publizierten BAHAMAS-Erklärung vom 14.9. erkennen ließen. Ausgerechnet Gerhard Scheit war es dann in der Ausgabe vom 2.10. vorbehalten, einerseits abzuschreiben, was die BAHAMAS vorformuliert hat und anderseits sich mit einer – inhaltlich sinnlosen – Randnotiz deutlich sichtbar zu distanzieren. Weil die BAHAMAS nie gesagt hat, der Koran und „Mein Kampf“ seien das gleiche – wie Scheit behauptet –, sondern vielmehr, daß die Funktion des Religionsbuches bei der Mobilisierung des aktivistischen Antisemitismus der entspreche, die „Mein Kampf“ seinerzeit in Deutschland hatte – eine Aussage, die Scheit einen ganzen Artikel lang bestätigt – waren die distanzierenden Worte allein als Flucht des Autors vor der Konsequenz der eigenen Argumentation zu verstehen, die ihn in die gefährliche Nähe von Schmuddelkindern bringen könnte.
Der Wiener Wertkritiker Scheit hat mit seiner am 02.10.2001 publizierten Distanzierung von der BAHAMAS der panisch gewordenen Jungle World-Redaktion, die bekanntlich alles daransetzt, den linken Mainstream ausgewogen zu repräsentieren, den Fingerzeig gegeben, daß eine antiimperialistische Kurskorrektur angezeigt sei, wolle man nicht in die Schußlinie deutscher Friedenssucher geraten und über kurz oder lang schmerzliche Absatzeinbrüche in Kauf nehmen. Eine Ausgabe später, am 10.10.2001 war es soweit. Daß der emsige Paris-Korrespondent, Bernhard Schmidt die wenigen guten Stimmen aus der Jungle World auf der Diskussionsseite pauschal abwatschen durfte und natürlich schon wieder ein garantiert neutraler Text über Israel vom garantiert nicht antizionistischen Israel-Spezialisten Stefan Vogt erscheinen mußte, markiert zusammen mit den Pamphleten von Robert Kurz und Rainer Trampert in der gleichen Ausgabe der Jungle World die Wende. Man hatte mittlerweile verstanden, daß die Mehrheit der eigenen Leserschaft doch weit eher den Gewaltdrohungen der Betriebsantisemiten von Indimedya zuneigt als etwa Heike Runges erfreulicher Verbeugung vor dem Mythos New York oder Anton Landgrafs und mehr noch Thomas von der Osten-Sackens Warnungen vor den islamischen Vernichtungsdrohungen gegen Israel und die Juden. Man hatte verstanden, daß der bewegungspolitische Bauch, seine Blähungen in andere Sprache übersetzt wissen wollte, als die genannten Redakteure sie geboten hatten.
Im Gegensatz zu ihnen hat der eifrige Zeitungsschnipselsammler Rainer Trampert in seinem geostrategischen Großtext, in dem Israel und die Juden gerade einmal als – vernachlässigenswerte – Fußnote vorkommen, das eine, was seit Durban mehr als eindeutig ist, noch nicht einmal bemerkt oder in gewohnter Routine nicht der Erwähnung für wert befunden: daß sich die Wut über den Staat Israel und seine Unterstützung durch die USA zum übergreifenden Affekt auswächst. Dabei besteht besonders in der linksliberalen und ganz linken deutschen Öffentlichkeit kein wirklicher Unterschied mehr zwischen den Aussagen eines Bin Laden oder denen eines Möllemann. Jede beliebige Radiosendung zum Konflikt kreist manisch um den „israelischen Staatsterror“, ob das Wort dabei nun fällt oder nicht. Jedes islamische Land tischt per Staats- oder oppositioneller Presse, rechter oder linker Meinung antizionistische Vernichtungswünsche gegen Israel auf, Wünsche, die in Deutschland, aber auch in der linksliberalen Presse Großbritanniens (vor allem im Guardian) und Frankreichs (libération aber auch le monde) gerne aufgegriffen werden. Vor allem, aber nicht nur in Deutschland präsentiert sich die antiisraelische Agitation gerne als „realistische“ Sicht auf den Nahost-Konflikt, zu der man sich bei aller historischen Rücksichtnahme endlich durchringen müsse, weil man sonst ideologisch ein historisch begründetes „Schuldbewußtsein“ in einen Konflikt projiziere, der als aktueller konstitutiv gar nichts mit Nationalsozialismus und Antisemitismus zu tun haben soll. Kein Wunder, daß solche „ideologiefreie“ Betrachtung stets zu Tage fördert, daß die angeblich einseitige Haltung der USA im Nahostkonflikt wenigstens ein relevanter Grund für die Angriffe vom 11.09.2001 gewesen sei.
Trampert hat in seinem Jungle World-Text bereits den Feind benannt: Den Ideologiekritiker. Die friedensbewegten Freunde der Unbefangenheit bekommen aber erst vom Nürnberger Analphabeten in Sachen Ideologiekritik die gewünschte theoretische Marschverpflegung. Kurz doziert gegen die Antideutschen darüber, daß man sich statt einer „irrealisierten“ Ideologiekritik eines „realanalytischen Bezug(s) auf die veränderten Weltverhältnisse“ zu befleißigen habe – als gäbe es unter Bedingungen kapitalistischer Vergesellschaftung einen unmittelbaren analytischen Zugriff auf die Dinge oder die sinnliche Realität, als wäre Ideologie, nichts weiter als ein mit „der Realität“ bloß vermitteltes Ensemble von „Traditionen, Stimmungen und Verwerfungen“ – als wäre nicht vielmehr der Wert unmittelbar zugleich seine eigene Selbstideoloigisierung, die Wertform also das Konstituens jener Denkformen, unter denen er allein gedacht zu werden vermag. Von der „fetischistischen Konstitution“ der kapitalistischen Gesellschaft, die als ihre gefährlichste fetischistische Denkform den Antisemitismus fortwährend ausbrütet und sowohl innerstaatlich wie geopolitisch reproduziert, scheint der Staatsmann Ariel Scharon jedenfalls mehr begriffen zu haben als der Wertrealanalytiker Kurz: Die Erklärung Scharons vom 05.10.2001, in der die Politik der USA gegenüber Israel mit der des Westens des Jahres 1938 gegenüber der Tschechoslowakei verglichen wird, ist die leider nur allzu begründete Verzweiflung darüber, daß ausgerechnet jetzt die US-Administration möglicherweise auf dem besten Weg ist, einen Verbündeten zu opfern, um sich mit den eigenen Feinden, die man halbherzig als Bündnispartner gegen den Terror präsentiert, gut zu stellen. Scharons Verweis auf München läßt jedenfalls ein hellwaches Gespür dafür erkennen, daß die kapitalisierten Gesellschaften, ihre barbarische Vorhut voran, in Zeiten ihrer existentiellen Krise sich allemal gegen die Juden zusammenrotten können – ein Gespür und eine Vorstellung von Krise und ihrer negativen, barbarischen Lösung mithin, die den gleichermaßen versierten wie hartleibigen Krisentheoretikern aus Mittelfranken schon immer abging.
Kurz erklärt nun Scharon und den Freunden Israels, daß zwar 1941–45 die Befreiung der Welt vom nationalsozialistischen Übel eine US-Uniform für die kritische Vernunft erforderte, daß das aber mit der heutigen Situation ganz und gar nichts zu tun habe. „Ethnonationalismus und religiöser Wahn“ seien nicht dasselbe wie der Antisemitismus der Nazis: der im Röntgenblick geschulte „Realanalytiker“ begründet dies mit nicht vorhandenen Industriepotentialen in der islamischen Welt und der angeblich völlig diffusen Struktur des Islams. Angesichts der krisenhaften „Reife“ des Kapitalismus entfalte der Wahn keine kollektive Kraft mehr. Aber es geht noch weiter: Kurz führt auf einmal die Singularität des Nationalsozialismus als Spielmarke ein, um Neutralität gegenüber dem heutigen praktischen, eliminatorischen Antisemitismus einzufordern. Lautete noch bis vor kurzem ein beliebter Vorwurf gegen die Antideutschen, sie seien in bornierter Weise deutschlandfixiert und betrieben „negativen Nationalismus“, so heißt es nun umgekehrt, daß sie hemmungslos projizierten und der Relativierung und Verdrängung Vorschub leisteten, indem sie den Nationalsozialismus gen Mekka entsorgten und die Schuldigen am „Holocaust“ plötzlich in der islamischen Welt ausmachten.
Ausgerechnet Kurz, der sich stets darum bemüht hat, die Vernichtung der Juden im Rahmen seiner schlechten Geschichtsphilosophie als bloße Etappe der „Durchsetzungsgeschichte des Werts“ zu rationalisieren, entdeckt nun die Singularität des Nazifaschismus. Ausgerechnet Kurz, der den nicht nur auf das Nazi-Regime gemünzten Begriff der „negativen Aufhebung des Kapitals“ für eine „arbeiterbewegungsmarxistische Verkürzung“ der Ökonomiekritik hält und mit der von ihm entwickelten, verkurzten Ökonomiekritik darin bloß eine „Erscheinungsform und Entwicklungsstufe“ des identischen Wesens namens Kapitalismus erblicken kann, pocht nun auf die Singularität des Nationalsozialismus. Bei solcher Betrachtungsweise, die den Namen Kritik nicht verdient, mußte jede Einsicht in den einschneidenden und katastrophalen Charakter jenes Umbruchs in der Geschichte des Kapitals verloren gehen, den der Nationalsozialismus markiert. Negative Aufhebung des Kapitals auf seiner eigenen Grundlage heißt nichts anderes, als daß die bürgerliche Gesellschaft sich ihres eigenen zivilisatorischen Mehrwerts entledigt und dafür ihre eigenen selbstdestruktiven Tendenzen zur Entfaltung bringt, heißt, daß eine ökonomisch, gesellschaftlich und ideologisch bankrotte Gesellschaftsformation sich dem blindem Selbsterhaltungsreflex folgend in ihrem Bankrott einrichtet, heißt, daß die dem Untergang entgegensehende Gesellschaft ihren eigenen Untergang zelebriert. Selbstverständlich war diese Entwicklung ein universeller Vorgang – aber es ist ein entscheidender Unterschied, ob sie gegen massive Widerstände autoritär durchgesetzt werden mußte und dementsprechend hybride Formen annahm oder ob sie ihr barbarisches Potential voll aktualisieren kann wie eben hierzulande. Deutschland war und ist kein Sonderfall, sondern Modell und Vorbild – auch und gerade für jene Länder wie eben die islamischen, die in ihrer spezifischen Disposition zur Barbarei Deutschland eminent gleichen. Wie im Nazifaschismus, so kann sich auch im islamistischen Tugendterror das Allermodernste und im perversen Sinne Fortgeschrittenste, Elendsverwaltung als Opferkult, zugleich als das Allerälteste, als pure Archaik präsentieren und zwar deshalb, weil man in islamisch geprägten Regionen wie in Deutschland die eigene welthistorische Verspätung als Vorsprung zu nutzen gelernt hat. Der aktuellen moslemischen Berufung zum Herrenmenschentum, wie sie im Koran nur angelegt ist, hat der deutsche Faschismus die Stichworte geliefert und dadurch den Willen zur Vernichtung in islamischen Gesellschaften erst richtig heimisch werden lassen. Es ist diese spezifische Disposition, die schon vor und während des Nazi-Regimes eine Komplizenschaft zwischen den Völkischen und den Moslemfaschisten begründete, die sich über Jahrzehnte zum braun-grünen Band der Sympathie ausgewachsen hat. Deutsche und Islamisten – das ist eine Blut- und Bodenbrüderschaft derjenigen, die mit der Vernichtung der Juden fast ans Ziel gekommen wären, mit denen, die sich anschicken, als zweite Vollstrecker den Rest zu erledigen. So hat der nationalsozialistische eliminatorische Antisemitismus die Landesschranken seiner Vollstrecker überschritten.
Weil die Geschäfte, die vor diesem Hintergrund sogenannte Schurkenstaaten besonders gerne mit Deutschland abschließen, dem hiesigen Establishment sehr gelegen kommen, glauben scheinbar so ideolgiefreie Globalstrategen wie der Trampert bereits die materialistische Spur gefunden zu haben und sind schon am Ende der Analyse. Sowenig wie diese begreifen, warum sich islamische Länder ihre Freunde nicht entlang sogenannter „materieller Interessen“, sondern nach Maßgabe der antisemitischen Feinderklärung aussuchen (und deswegen auf Deutschland und eben nicht auf die USA verfallen) – sowenig begreift Kurz, daß der relativ geringe Industrialisierungsgrad der islamischen Welt bzw. das Scheitern nachholender Industrialisierung auf dem Weltmarkt gerade Indiz für umso besinnungsloseren Antisemitismus sein könnte, unter dessen Fahne das entwertete Humankapital sich in eine alles banale Selbsterhaltungsinteresse negierende, zur Vernichtung und Selbstvernichtung finster entschlossene Gefolgschaft verwandelt.
Das, was man heutzutage die „Moderne“ nennt, die Aufklärung also, ist zwar an sich selbst überall gescheitert und dementiert fortwährend ihr Versprechen – den Triumph ihrer barbarischen Potentiale aber feiert sie derzeit nicht dort, wo die fortgeschrittensten Produktivkräfte erfunden und weiterentwickelt werden, sondern dort, wo sie in Anschlag gebracht werden, um das befreiende Potential, das sie enthalten, offensiv zu negieren: an jenen Orten, wo der demokratische Mehrheitspöbel sich kollektiv wohl fühlt oder seine Vordenker ganz individuell aber laut nachdenken. Und das ist längst nicht mehr in den Twin Towers, sondern wahlweise Freitagnachmittags auf dem Vorplatz der örtlichen Moschee oder an scheinbar so abgeschiedenen Refugien wie dem Todtnauberg, wo der größte deutsche Denker durch transzendentales Schweigen dem nationalen Todestrieb in Philosophie goß, oder in Wasserburg am Bodensee, wo der größte lebende Dichter der Nation durch sinnendes Verharren in der Provinz unter Beweis stellt, daß Deutschland das Recht auf Glück im Faschismus verficht.
Es ist zum Verzweifeln: schon immer haben Linke dort zum Differenzieren aufgerufen, wo es angebracht wäre, zu verallgemeinern und werden dort grundsätzlich, wo es – wie derzeit – gälte, zu unterscheiden. Der „Realanalytiker“ Kurz verlegt sich ganz auf letzteres: für ihn ist die „Modernisierungsgeschichte“ definitiv am „Ende“, denn in der Götterdämmerung des Werts, ist sowieso alles mit allem identisch: „Fortschritt und Regression, Aufklärung und Gegenaufklärung“ – On-line-broker und Amokattentäter, Sharon und Djihad, Arbeitsunfall und Terroranschlag, wie man die Liste wohl ergänzen dürfte. Alles Emanationen des „automatischen Subjekts“, die es mit interesselosem Mißbehagen zu betrachten gelte: „Kritische Vernunft weiß schon längst, daß die Erniedrigten und Beleidigten nicht die besseren Menschen sind und daß das ‚automatische Subjekt‘ der Moderne nicht mit seinen persönlichen Repräsentanten verwechselt werden darf.“
Die Art und Weise, wie Kurz und Co. sich des Marxschen Begriffs vom Kapital als „automatischem Subjekt“ bedienen, war seit jeher eine stupide, instrumentelle Kategorienklempnerei, deren Hemdsärmligkeit und mit ihr einhergehende Verweigerung erkenntniskritischer Reflexion zum Himmel stinkt und die sich nun auch politisch als offen reaktionär zu erkennen gibt. Was bei Marx ein begriffliches Paradox ist, um die Unverständlichkeit, die konstitutive Nicht-Intelligibilität des Kapitals wenigstens zu kennzeichnen – wie kann etwas unmittelbar zugleich ein lebloser Automat und lebendige Subjektivität sein? – wird bei Kurz eine Spielmarke, mit der ganz pragmatisch und rationalistisch zu verfahren ist, als hätte man begriffen, was das sein soll, „automatische Subjektivität“, als säße man im Kopf des Kapitals selbst. Das „automatische Subjekt“ wird so zur lebensphilosophischen Chiffre für allwaltende Entfremdung, für die passive Unterwerfung alles Lebendigen und Subjektiven unter einen abstrakten Automaten.
Aber die abstrakte Subjektivität der entfesselten Geldmonade ist einem äußeren Zwangsverhältnis nur insofern passiv unterworfen, als es dieses zugleich beständig aktiv reproduziert. Als defiziente Subjektivität, die ihre eigene Überflüssigkeit erahnt, ist sie stets auf dem Sprung, ihr Schicksal eben fetischistisch zu personalisieren und diesem notwendig falschen Bewußtsein die entsprechenden Mordtaten folgen zu lassen. In dem Moment, da das Subjekt die mörderische Konsequenz seiner antisemitischen Denkform auch tatsächlich zieht, geht es aber über die persönliche Repräsentanz des „automatischen Subjekts“ als Börsenbroker oder Würstchenverkäufer einen entscheidenden Schritt hinaus: als autonomer Antiimperialist, der die US-Amerikaner oder den Juden meint (früher auch den Sowjet-Kommunisten), wenn er gegen „Ausbeutung“ und „Fremdbestimmung“ mordet, schickt er sich an, jenes objektive Verhängnis, das er bislang als ein blind waltendes nur zu erdulden glaubte, nunmehr bewußt zu vollstrecken: er macht nunmehr aktiv Geschichte zum Verhängnis und drückt derart dem objektiven Grauen seinen Prägestempel auf. Seine Opfer, die das „automatische Subjekt“ bloß repräsentieren, können zwar nicht freigesprochen werden von den Folgen ihres Funktionierens. Nichtsdestotrotz zeichnet der Banker aus dem World Trade Center fürs Funktionieren eines unmenschlichen Systems nicht mehr verantwortlich als ein unbekannter afghanischer Bauer in der Zeit vor 1980. Während der Banker bis zu seiner Ermordung weiter funktionierte wie gehabt, sattelte der unbekannte Bauer um und verlegte sich aufs Morden in antiimperialistischer Absicht: Im Sommer 1980 schnitt er dem Lehrer einer eben erst gegründeten Schule, in der Jungen und unverhüllte Mädchen nicht den Koran, sondern zusammen die ordinären bürgerlichen Wissenschaften lernen durften, den Kopf ab, erschoß dessen Frau und brannte das Schulhaus ab. Als Funktionäre des „automatischen Subjekts“ traten sie bis dahin beide auf: der eine als Kleinbauer mit winzigem Marktanteil, der andere als Vertreter einer Geschäftsbank, die vielleicht auch am Handel mit Afghanistan beteiligt war. Dem alltäglichen Schrecken, an dem sie besinnungslos beide mitgewirkt haben, hat der Bauer, als er zur antiimperialistischen Tat schritt, neuen, nunmehr gewollten und höchstpersönlich zu verantwortenden Schrecken hinzugefügt. Die Sympathien von Kommunisten müßten sich also klar verteilen: für die gemordeten Banker und gegen den Lehrer-Mörder, dessen Kumpane gerade in die Twin Towers geflogen sind, jene sehr konkreten Automaten des Widerstands gegen die unverstandene Abstraktion, den immer dieselben zu spüren bekommen sollen. In diesem Sinne läßt sich Djihad sehr wohl mit Wille zum Endsieg übersetzen, niemals aber mit sozialer Emanzipation.
Bekanntlich soll man sich über den gesellschaftlichen Zustand im Kommunismus genauso wenig Bilder machen wie Moslems sich vom Propheten Mohammed. Wie man aber aus den Schatzkammern des Topkapi-Palastes immerhin doch weiß, daß der Prophet mindestens Schuhgröße 58 und die Fußform eine Yetis hatte und jedenfalls ein ca. 5 cm langes graues Barthaar besaß, so kann man auch über die Gestalt des Kommunismus einige minimale Aussagen machen: Es wird Gebrauchsgüter im Überfluß für alle geben müssen, die nicht das Vegetieren, sondern das Leben im Luxus garantieren. Es wird opulent den verfeinerten Genüssen nachgegangen werden. Das gilt besonders für die Fleischeslust und zwar in allen Varianten und dies nur ausnahmsweise zu Fortpflanzungszwecken, aber auch für den Konsum von Rauschartikeln aller Art, die nicht allein der Steigerung der Arbeitskraft dienen. Schließlich und entscheidend wird dem Wunsch des Einzelnen nach Absonderung von den anderen immer mit dem größten Respekt zu begegnen sein. Diese Ziele sind, obwohl bis heute unerreicht, im Laufe von Jahrhunderten in den Bereich der Vorstellung und der Sehnsucht gelangt. Sie sind in Werken der Kunst meist negativ in der Versagung als Glücksversprechen präsent; daß eine Ahnung ihrer Realisierbarkeit überhaupt noch besteht, verdankt sich eben jenen Verhältnissen, die ihre Realisierung permanent untergraben, Verhältnissen, die man als entfaltete Warenform abstrakt zu beschreiben gelernt hat. Wer Ideologiekritik als rückwärtsgewandten Kulturpessimismus verächtlich zu machen gelernt hat setzt die real existierende Zivilisation, als Verlängerung und Reproduktion des vorzivilisatorischen Grauens, auf welches sie kraft eigenen Prozessierens jederzeit regredieren kann, mit den wie auch immer verbogenen und unzulänglich realisierten zivilisatorischen Versprechen, umstandslos in eins. Die Leugnung jedes emanzipatorischen Potentials, das gerade jene westlich-metropolitanen Verhältnisse im doppelten Sinne aufheben; das ewige Herumreiten auf Trivialitäten, die bekannt sind und die sowieso keiner bestreitet wie derjenigen, daß die Akkumulation des Kapitals seit jeher über Berge von Leichen gegangen ist und dies noch tut – kurz: die Leugnung allen historischen Fortschritts macht die Nürnberger Wertkritik, und nicht nur sie, von traditioneller deutscher Zivilisationsfeindschaft am Ende ununterscheidbar. Wer in der kapitalistischen Vergesellschaftung nichts anderes als eine Art Anhäufung von Waren, Produktionsstandards und menschlichen Fähigkeiten zur Verrichtung komplexer Arbeit zu erkennen vermag, ist bei aller wertkritischen Routiniertheit nicht weitergekommen als jedes Ökonomiehandbuch im Realsozialismus: Der „Kommunismus der Sachen“ (Kurz) wird zum sächlichen Verwaltungsakt, den der Begriff impliziert.
Zur Herstellung von Glück aber bedarf es genau jenes Menschen, der nach Individuation trachtet, dem rohe Befriedigung nicht genügt, dem seine Potenzen zu entfalten erlaubt werden. Die von postmodernen Konjunkturrittern aller Couleur so geschmähte Aufklärung, zumindest das sollte seit der „Dialektik der Aufklärung“ eigentlich bekannt sein, beginnt nicht erst im Europa des 15., 16. Jahrhunderts, sondern meint „im umfassendsten Sinn fortschreitenden Denkens“, „von den Menschen die Furcht zu nehmen und sie als Herren einzusetzen“ (Horkheimer/Adorno). Wer diesen verwirft, verwirft den Kommunismus, die Befreiung von Naturverfallenheit, die Befähigung zur Selbstreflexion. Man wird darauf beharren müssen, daß einzig die dem Tausch entsprungene Geldmonade zu beidem befähigt sein könnte, wiewohl es gerade die Selbsttätigkeit des Tauschwerts ist, die die mögliche Befreiung nur in Form der völligen Entleerung und Entwertung erscheinen läßt. Daß die Monade, kaum daß sie sich als Individuum konstituiert, schon wieder an der kollektiven Rücknahme der warenförmig erreichten Absonderung von Natur und Stammesgemeinschaft arbeitet, und zwar zu dem Zweck, Mensch und Natur wieder in die vorgeschichtlichen Einheit zurückzuwerfen, ist bittere Wahrheit. Dieses atavistische Tun, für das der Islam nicht weniger steht als die deutsche Ideologie, das aber auch im amerikanischer Kommunitarismus angelegt ist, geschieht gerade aus dem Wissen heraus, daß anderes möglich wäre. Dieser selbstauferlegte Verzicht auf den Traum von einer Sache folgt einem Naturzwang, der kein unmittelbar natürlicher mehr ist, sondern ein gesellschaftlicher – und damit aufhebbar.
Gerade daß sich der Umschlag von Naturbeherrschung in Naturverfallenheit zweiter Ordnung in so rasender Geschwindigkeit wie banaler Alltäglichkeit vollzieht, macht es so leicht, sich dessen zu entledigen, was die aufklärerische Ideologie und schließlich ihre kritische Überwindung einmal vorgezeichnet haben. Deshalb haben es Zivilisationsfeinde, die es eben auch mit „wertkritischem“ Stallgeruch gibt, so leicht, die Zivilisation – denn so könnte man das angehäufte Potential an rationalistisch verwaltetem unglücklichem Bewußtsein bezeichnen – als ein einziges gigantisches Verbrechen abzuqualifizieren. Die rationalistische Verwaltung, also die nachbürgerliche Gesellschaft in dem Aggregatszustand, in dem sie nicht vollends in Gemeinschaft und Verfolgung umschlägt, hat tatsächlich nichts anderes mehr im Angebot, als vom Einzelnen die ärgste existentielle Bedrohung abzuhalten und ihm den Rest von Rückzug und Muße, die zur Kritik vorhanden sein müssen, zu gewähren.
Wenn nun aber teils willentlich, teils unfreiwillig von autonomen Antiimperialisten, von postmodernen Anpassern oder vom Verzichtsapologeten Kurz gegen die rassistische, imperialistische etc. Zivilisation gehetzt wird, dann wäre solcher Unfug an sich keine Zeile wert: sollen sie das doch unter sich ausmachen. Als Symptom ist die antizivilisatorische Demagogie aber bitter ernst zu nehmen, beinhaltet sie doch notwendig den Angriff auf Israel wie auch zugleich jenes unbarmherzige Schulterzucken darüber, was mit Frauen, Schwulen, Rechtsbrechern, oder Ungläubigen in islamischen Gesellschaften passiert. Heute noch doziert nicht nur Scholl-Latour über die Harmlosigkeit der algerischen FIS und die undemokratische Tat des Militärs, die Wahlen zu verbieten. Heute noch tun Verschwörungstheoretiker aller Art so, als wären die Massaker der letzten Jahre nicht von Islamisten begangen worden; und wenn der Schwindel gar zu hanebüchen wird, dann rechtfertigen sie die Greueltaten damit, daß der Haß doch verständlich sei – schließlich sei doch gegen die FIS geputscht worden. Es muß aber kein Möchtegern-Spezialist wie der Bernhard Schmidt erzählen, daß die Herrschaftsclique in Algerien zweifelsohne eine höchst unangenehme Bande von Selbstversorgern ist. Solches Bescheidwissen ändert nicht das mindeste daran, daß in diesem Konflikt Partei gegen den Islamismus zu ergreifen ist. Es bleibt dabei, daß unter den gegeben algerischen Umständen das Verbot richtig war und daß die Morde keine Reaktion auf das Verbot waren, sondern das wahre Gesicht der FIS enthüllten. Wie der Schmidt so der Kurz, wie die schreibenden Charaktermasken ihre ideellen Auftraggeber, die Linke: Eine einzige große unparteiliche Partei, die spätestens seit 1990 immer auf Seiten der Mörder zu finden ist, weil jede Empathie mit den wirklichen oder prospektiven Ermordeten als unnannehmbar zurückgewiesen wird. Als Gemeinschaft von Länderkundern half die deutsche Linke aktiv mit, die Spuren der islamischen Massenmorde in Algerien zu verwischen, stärkte sie die Mörder und paktierte mit dem proislamischen Kurs des offiziellen Deutschlands. Als Friedensbewegung von Serbenhassern trug die deutsche Linke dazu bei, den letzten deutschen Krieg vermittelbar zu machen, und als friedensbewegte Neuauflage hilft sie aktuell der Bundesregierung das islamfreundliche Gesicht zu wahren. In Gestalt eines Kollektivs antisemitismuskritischer Bedenkenträger schließlich verweigert die deutsche Linke Israel jede Solidarität auch dann noch, wenn ein antisemitisch motivierter Massenmord gerade per CNN in den WG-Fernseher übertragen wurde. Von den intellektuellen Hofschranzen der Bewegung, unter denen Robert Kurz nur die Bekannteste ist, mit den theoretischen Stichworten beliefert, erzählt uns das ganze Kartell der Bescheidwisser, daß alles gleich barbarisch sei, daß man eben gegen alles sein müsse, ohne zu bemerken, wieviel schlechtester Idealismus diesem Größenwahn zugrunde liegt.
In der Tat: materialistische Kritik betreibt ihr Geschäft autonom, ohne Rücksicht auf irgendeine vorhandene gesellschaftliche Klasse, Partei oder Fraktion. Als Kritik, die nur als permanente Selbstkritik gelingen kann, die sich also über die Bedingung ihrer Möglichkeit Rechenschaft abzulegen hat, hat sie aber das Wissen in sich aufzunehmen, daß die Barbarei, als eine im doppelten Sinne dem Kapital entsprungene Gesellschaftsformation, die Möglichkeit von Kritik und damit des Kommunismus dauerhaft vernichtet. Eine Kritik, die dies ignoriert, ist eine, die vorm Äußersten von vornherein die Waffen streckt. Deshalb kann es angesichts des Nazifaschismus und seiner moslemfaschistischen Reprise keine „Neutralität“ geben: diese Neutralität gibt es nur als – unfreiwillige – Parteinahme für die miesestmögliche Form der Herrschaft. In Algerien leistete am ehesten die vermaledeite Junta noch so etwas wie Verteidigung von Zivilisation im Sinne einiger Grundbedingungen individueller Freiheit; in Jugoslawien hatte diesen Part Serbien übernommen. Neutral in diesem schlechten Sinne sind immer die Freunde des Friedens in diesen gesellschaftlichen Kriegen. Das gilt für die amerikanischen Militärschläge auf Afghanistan: Dieser Krieg ist mit Vietnam in nichts vergleichbar, weil er sich gegen ein Regime richtet, das selbst der (moslimischen) Bevölkerung entschieden zu reaktionär ist und kein afghanischer Vietcong mit sowjetischer Unterstützung eine erfreulicherere Option auf Aufhebung des Taliban-Schreckens in petto hat als die US-Intervention. Der Vietnamvergleich kolportiert bloß die maoistische Mähr vom unbesiegbaren (afghanischen) Volk in dieser Kriegsherrenregion und einer demgegenüber angeblich zur Unberechenbarkeit neigenden USA. Dieser Krieg ist aber auch deshalb nicht Vietnam vergleichbar, weil es ein Krieg ist, der mit Argusaugen beobachtet wird und der humanitäre Aufwand, der in seinem heutigen Ausmaß bereits vor der Intervention als durch Dürre und Mißwirtschaft verursacht bekannt war, findet als Hunger- und Flüchtlingselend nicht mehr im weltpolitischen Abseits statt, sondern ist zu einem Prestigeproblem der Intervention geworden; und weil schließlich, so zweifelhaft die möglichen Nachfolger der Taliban auch sein mögen, wenigstens soviel mit einiger Begründung erhofft werden kann: Im Interesse der Frauen und mancher Minderheit ist es wünschenswert, daß ein anderes Regime herbeigezwungen wird, denn besser als das der Taliban wird es – nicht zuletzt wegen des zu erwartenden Drucks durch die USA und wohl auch Rußlands – allemal sein können. Gewichtige Gründe, das unbeschadete Weitermachen der Taliban – wie deutsche Gutmenschen und die anderen Islamisten es lautstark fordern – nicht mit Frieden zu verwechseln und jeder entsprechenden Manifestation fern zu bleiben und die Forderung nach Parteilichkeit aufrecht zu halten: Mit den schon getöteten und prospektiven Opfern des Islam, die in seinem Herrschaftsbereich lebenden Frauen, Homosexuellen und Atheisten und jenseits davon mit den Israelis und den Juden überhaupt. Sollte ihnen ein Militärschlag – selbst der USA – Erleichterung verschaffen, und ein wenig Hoffnung darauf bleibt auch heute noch, dann tritt zur gebotenen Parteilichkeit für die Opfer des Islam und damit gegen den Islam selbst, die für seinen möglichen Schädiger hinzu. Nicht weil der Feind meines Feindes mein Freund ist, sondern weil die USA selbst in Gestalt eines Präsidenten Bush im Vergleich zu islamischer Herrschaft oder deutschem Antiimperialismus noch fast ein Menschheitsversprechen darstellen.
Um wieviel mehr verbietet sich solche Neutralität im Falle Israel: Es setzt in der arabischen Welt einen unvergleichlichen Standard von Vergesellschaftung, umgeben von feindseligen Gemeinschaften, die deutlich beweisen, daß man in die postbürgerliche Stammes- und Bandenformation eintreten kann, ohne die vorbürgerliche je überwunden zu haben. Daß dieser Feindseligkeit auch nur ein möglicher emanzipatorischer Impuls zugrunde läge, kann nur ein Narr oder ein Faschist zu behaupten wagen. Nämliches gilt für die USA angesichts des islamistischen Terrors: Wer ausgerechnet anläßlich der Terrorangriffe unvermittelt über Bush und die Todesstrafe redet, außenpolitische Verbrechen der USA, derer es wahrlich genug gibt, aufzählt, oder vor dem Erstarken eines sinistren protestantisch aufgeladen Moralrigorismus warnt, betreibt bereits die Geschäfte der Moslemfaschisten. Jeder wußte – wem es an Phantasie mangelte, brauchte bloß den Erklärungen Bin Ladens und anderer Mullahs vom Fach zu lauschen – daß es gegen einen Feind ging, für den New York und seine Wolkenkratzer mehr als irgend ein anderer Ort der Welt stehen, wenn auch mächtiger im Symbol denn als Wirklichkeit. Was sich da restlos barbarisch entlud, war der Haß gegen die Versprechungen des „Mammonismus“ (H.Mahler), den die Islamisten mit den vielen moralischen Antiimperialisten weltweit teilen. Unerträglich ist ihnen allen der Luxus, die Lust und die Individualität; deswegen ist der Symbolgehalt dieses Angriffs weltweit verstanden und mit der Schadenfreude der Neidbeißer, die nicht mehr für ihr Glück kämpfen, sondern für die Herstellung grenzenlosen, aber gleichen Unglücks morden wollen.
Wenn der Kurz schreibt: „Jede Kritik an der kapitalistischen Form des Reichtums wurde denunziatorisch mit einer Propaganda für konservativen Konsumverzicht gleichgesetzt“, dann hat er die BAHAMAS dieses eine mal wenigstens fast richtig wiedergegeben. Mit einer Einschränkung: Zwischen konservativem und revolutionärem Konsumverzicht unterscheidet die BAHAMAS nicht. Der Redaktion sind die neofaschistischen Öko-Rauschebärte von der Silvio-Gesell-Fangemeinde, die sich immer auf den Krisis-Konferenzen einfinden, genauso zuwider wie ihr antiglobalisierter Widerpart mit veganen Vorlieben und Wagenburgseligkeit. Nein, noch gibt es keine andere Form des Reichtums (an Gütern wie an persönlicher Entfaltungsmöglichkeit des Einzelnen) als die kapitale. Jede Kritik, die sich an den vielen häßlichen, bekämpfenswerten, unbedingt abzuschaffenden Ausprägungen des Kapitalismus stößt und stoßen muß, fällt dann ins Ressentiment zurück, wenn es dem himmelsstürmerischen Drang, den die Skyline von Manhattan repräsentiert und für den insbesondere die Twin Towers standen, nicht nur die Bewunderung versagt, sondern sie im raunenden Bescheidenheitsjargon als Ausdruck menschlicher Selbstüberhebung, der nun eine Lektion erteilt worden sei, verurteilt. An diesem Punkt scheidet sich Kritik vom Vernichtungswunsch.
Die allseits eingeforderte Neutralität im sogenannten Afghanistan-Konflikt ist nichts anderes als die Parteilichkeit der deutschen Antiimperialisten gegen die USA und Israel. Im begnadeten Reim eines MLPD-Hofdichters geht die Äquidistanz deutscher Islamisten so: „Nicht USA, nicht Taliban – für ein freies Afghanistan“. Wo kein kämpfendes Subjekt mehr in Sicht ist, wird das autochthone Volk halluziniert, das gleiche wohl, das der Abgeordnete Fischer nach einem Afghanistan-Besuch an der Seite des CDU-Mullahs Todenhöfers 1984 so hymnisch besang. Was man damals nur erahnen konnte, ist seit 1990 Gewißheit: Sie meinten, was Adolf Hitler und Alfred Rosenberg vorformuliert hatten und der Chefideologe der Muslimbrüder, Said Qutb bei ihnen abgeschrieben hat, den Kampf gegen den Liberalismus als Chiffre einerseits für die Juden und „Plutokraten“ wie die USA, andererseits für den Kommunismus. Noch im manifesten Wahngebilde der genannten faschistischen Gründungsväter, das in absoluter Willkür dort Beziehungen stiftet, die der Realität spotten, scheint ein Moment von Wahrheit auf: Stehen doch Judentum, Amerikanismus und Kommunismus allesamt, jeder auf seine Art, für die Verheißung, daß die Menschen dereinst mehr und anderes sein könnten als ohnmächtiges, in Kollektiven mit vorgeschriebener Hackordnung eingepaßtes Anhängsel übermächtiger Prozesse. Alle drei Figuren stehen nicht nur in der dunklen Welt deutschen oder islamischen Verfolgungswahns für die Bereitschaft des bürgerlichen Subjekts, den zivilisatorischen Überschuß, den die von ihm in Gang gehaltene Vergesellschaftung ins Leben rief und der die unhintergehbare Bedingung der Möglichkeit des Kommunismus ist, blind und bewußtlos zu liquidieren. Wenn heute allerorten angemahnt wird, man möge den Antikapitalismus nicht aus den Augen verlieren, wenn man sich angesichts der Ereignisse vom 11.09.2001 noch dezidierter solidarisch mit Israel ausspreche, dann ist die Warnung dann berechtigt, wenn das Versprechen USA mit der Realität USA in eins gesetzt wird, wenn das Versprechen Zivilisation mit der Realität Zivilisation verwechselt wird. Wenn allerdings Antikapitalismus von den nürnbergerischen und anderen islamisch-deutschen Gemeinschaftswerken nicht mehr unterscheidbar ist, wenn er nicht mehr die Aufhebung der kapitalistischen Vergesellschaftung auf ihrem höchsten, also westlichen Niveau einfordert und blind ist für die Gefahren eines Antikapitalismus, der nur noch den vorzivilisatorischen egalitären Schrecken bereithält, dann muß man ihn bekämpfen wie jede andere faschistische Gefahr auch.
BAHAMAS-Redaktion, 31.10.01
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