Es gehört nicht zu den Gepflogenheiten der BAHAMAS-Redaktion sich zu beklagen, wohl aber, zu spalten wo es nötig ist. Es soll also nicht darüber lamentiert werden, daß Linksruck-Aktivisten zusammen mit palästinensischen Bündnispartnern Leute zusammenschlagen, die sich für Israel und gegen Deutschland aussprechen. Es soll zunächst lediglich bekannt gemacht werden, welche antisemitische Kiezmiliz in welchem Berliner Stadtteil ihr Unwesen treibt, was der autonome SA-Sturm in Indymedia abläßt und welcher ASTA in Treue fest mit seinem palästinensischen und islamistischen Ausländerbereich gegen Israel und die Juden zum „Tag des Bodens“ einlädt. Die Redaktion gibt schon einmal einige unterdrückte Nachrichten weiter, etwa die, daß am 20.03.2002 in der vollbesetzten Kreuzberger Emmaus-Kirche anlässlich einer Aussprache zwischen Innensenator Körting, Professor Grottian und Linksradikalen über den Ablauf des Kreuzberger 1. Mais an die 100 von 500 anwesenden Linken und Linksradikalen „Nazis raus“ skandiert haben. Zum Rausgehen sollten nicht etwa die überall herumlungernden Zivilbullen genötigt werden, die jedenfalls äußerlich von Stiefelnazis nicht allzuviel unterscheidet, sondern ein Mann, der am Saalmikrophon seiner Befürchtung Ausdruck gab, es könnte am Kreuzberger 1. Mai zu israelfeindlichen und antisemitischen Manifestationen für das palästinensische Volk kommen. Bezeichnenderweise hielt es während dieses autonomen Kirchentags mit Innensenator und Antifaschistischer Aktion Berlin niemand für angebracht, sich mit dem Warner solidarisch zu erklären, oder doch wenigstens sich von der Identifizierung Israels mit dem Nationalsozialismus durch immerhin 100 Krakeeler zu distanzieren. Ob es ihnen bewußt war oder nicht, durch ihr interessiertes Nichtverhalten hat die schweigende Mehrheit dem Wunsch ihres schon restlos depravierten Anhangs nach „zionistenfreien Zonen“ wie es auf Friedrichshainer Häuser gesprüht steht und im „Nazis-raus“-Gebrüll in der Kreuzberger Kirche sich erneut manifestierte beigepflichtet.
II. Den Haß überwinden – Kampf gegen die Gloablisierung
Und das hat Gründe, die keineswegs in falsch verstandener Solidarität mit den offenen Antisemiten in den eigenen Reihen liegt. Schließlich hassen sich die Mitglieder keiner Solidargemeinschaft so fanatisch und besinnungslos wie die der linken. Nirgends ist das Gerücht, die halböffentliche Verdächtigung, der offene Rufmord so sehr zu Haus wie unter ihnen und dennoch verkünden sie in einem Satz ewige Fatwas untereinander, um im darauf folgenden inbrünstig die Einheit zu beschwören. Der ewige Radau täuscht unterschiedliche Vorhaben nur vor. Die im dauernden Bürger- oder besser Kiez-Krieg scheinbar Eingebunkerten suchen längst Abfuhr in der Bündelung des unendlichen Hasses gegen einen einigenden Feind.
Radikale Linke gleich welcher Couleur sind sich einig in ihrer Gegnerschaft zu Kriegstreibern, womit immer schon die USA und Verbündete gemeint sind und sogenannten staatlichen Rassismus. Sie wissen sich zugleich einig in der Unterstützung der Antiglobalisierungsbewegung, wie sie sich kürzlich beim Gegengipfel in Porto Alegre verlautbart hat. Sie fühlen sich verbunden mit den jüngsten Protesten gegen Sozialabbau in Italien und der Großdemonstration im Anschluß an den EU-Gipfel vom 16.03.2002 in Barcelona. Wer würde hinter so scheinbar allgemeinen und freundlich klingenden Vorsätzen etwas anderes vermuten als guten Willen, wer würde da gar mißtrauisch werden? Hoffentlich alle, die das „Abschlußdokument Porto Alegre“, verabschiedet von den „Sozialen Bewegungen“, vom 05.02.2002 gelesen haben.
Wir zitieren: „Wasser, Erde, Nahrung, Wald, Saatgut, Kultur und die Identität der Völker (Hervh. Redaktion BAHAMAS) sind das Erbe der gesamten Menschheit, der augenblicklichen und zukünftigen Generationen. In dieser Hinsicht ist eine der wichtigsten Aufgaben der Schutz der Artenvielfalt. Die Völker haben ein Recht auf gesunde und nachhaltige Nahrungsmittel ohne gentechnische Veränderungen. Die Selbstbestimmung über die Art der Ernährung im nationalen, regionalen und lokalen Raum ist ein Grundrecht und dies durchzusetzen ist der Schlüssel zu einer demokratischen Agrarreform (...).“
Soll heißen: Es gibt keine Individuen, nur Völker. Rechte und Bedürfnisse sind daher allein als natürliche Eigentumstitel von Zwangskollektiven zulässig. Wenn die Völker schon ein Recht auf den Schutz „ihrer“ Getreidearten haben, haben sie dann nicht auch ein Recht auf den Schutz vor artwidriger Durchmischung genetischer wie kultureller Art? Was in der zitierten Passage schon allzu deutlich anklingt, findet bedrückende Bestätigung im neunten und letzten Spiegelstrich der Rubrik, „Deshalb kämpfen wir“, aus der gleichen Erklärung:„Für das Selbstbestimmungsrecht insbesondere der indigenen Völker. (...) Nur der Kampf der Völker kann konkrete Fortschritte annehmen.“
Gegen dieses „wir“ muß man kämpfen wie gegen jede braune oder radikalökologische Ideologie auch. Man müßte es schon dann, wenn man über dieses Sozialforum und seine begeisterten Anhänger nur das wüßte, was hier zitiert wurde. Hier marschiert der Strasser-Flügel der radikalen Linken, das ist die Anschlußstelle zu den bekennenden Nazis. Hier ist die alte Befürchtung wahr geworden: rot und braun sind nicht mehr unterscheidbar. Wer noch zweifelt, dem sei nachgetragen, was (in der gleichen Erklärung) auf das Bekenntnis zu Blut und Boden zwingend folgt: “Eine der fundamentalsten Aufgaben unserer Bewegung ist es, die Solidarität mit dem palästinensischen Volk und seinem Kampf für Selbstbestimmung angesichts der brutalen Besetzung durch den israelischen Staat zu organisieren. Dies ist für die kollektive Sicherheit aller Völker dieser Region lebenswichtig.“
IV. Zusammen kämpfen – gegen Israel
In Barcelona sind jüngst mehr als 100.000 gegen die Globalisierung marschiert. In ihrer Mitte und unbeanstandet marschierten die ganz Rechten von Herri Batasuna und Schlimmere. In Paris luden am 16.03.2002 fast alle linken Organisationen zum antiisraelischen Meeting, 10.000 sind gekommen. In Italien rufen immer größere Teile der radikalen, globalisierungskritischen Linken unverhohlen zum Boykott israelischer Waren und Einrichtungen auf. An den „phantasievollen“ und mächtigen Kundgebungen gegen Neoliberalismus und Sozialabbau in diesen Ländern solle man sich ein Beispiel nehmen, rufen uns die Verwalter des nicht nur Berliner Kiezgewissens zu, als wüßten sie nicht wovon sie reden. Sie sagen: Laßt Euch nicht spalten und sie schweigen, wenn der Mob genau dann „Nazis raus!“ schreit, wenn sich einer gegen die Völker und für Israel aussprechen will. Mit dem Sozialforum von Porto Alegre behaupten sie gegen jede Evidenz „der Islam wird dämonisiert“. Sie sind längst mit dem Dämon im Bunde, der hierzulande nur ausnahmsweise islamisch ist, in der Regel aber deutsch und links. Er reicht vom Außenminister zum Literaturnobelpreisträger, vom wahlweise stalinistischen oder trotzkistischen Parteimitglied bis zum anarchistischen Ökobauern und immer mehr auch zu jenen, die am 1. Mai in Kreuzberg Steine werfen, weil ihnen der Gegner zunehmend als das gleiche volksfremde Element erscheint wie ihren Brüdern in Ramallah. Ideologische Barrieren und scheinbar unvereinbare „inhaltliche Positionierungen“ überwindet und vereint der unheimliche Aufmarsch der Völker gegen Israel.
Die Redaktion BAHAMAS lädt ein zu einer Veranstaltung, die ganz der Spaltung und dem Widerstand verpflichtet ist. Sie lädt alle ein, die den „unheimlichen Aufmarsch“ immer größerer Teile der deutschen Linken und mit ihnen der demokratischen Öffentlichkeit mit Sorge beobachten und nicht einfach nur zusehen möchten. Eine Spaltung soll vertieft werden zwischen (notwendig antideutschen) Kommunisten und anständigen Deutschen, zwischen Freunden Israels und dem Kartell der Nahost-Experten, zwischen solchen, die dem Menschen ein Helfer sein wollen und jenen, die es mit den Völkern halten.
Im Anschluß an die Vorträge hoffen wir auf eine Diskussion darüber, ob und wie dem unheimlichen Aufmarsch der Völkerfreunde etwas entgegengesetzt werden kann. Zum Beispiel am 13.04.2002 wenn eine Landsmannschaft aus Deutschen und Palästinensern in Berlin für ein angebliches Rückkehrrecht von 4 Millionen sogenannten Vertriebenen nach Israel marschieren wollen. Zum Beispiel am 12.05.2002 wenn endlich einmal bundesweit vor dem Auswärtigen Amt für Israel und gegen die deutsch-palästinensische Kumpanei protestiert werden wird.
Am 10.4.02, 1900, KATO, Berlin-Kreuzberg
Frühere Aktivitäten sind im Aktuell-Archiv aufgeführt. Dort gibt es auch einige Audio-Aufnahmen.
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