Titelbild des Hefts Nummer 24
Europa – Gemeinschaft der Feindseligen
Heft 24 / Herbst 1997
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Der regionale Wettbewerbsstaat

Europa am Ende des Keynesianismus

I. Markt und Staat

Kein Ort in Europa hätte sich besser für die Anfang September abgehaltene Jubiläumsfeier zum 50-jährigen Bestehen der Mont-Pèlerin-Gesellschaft geeignet als Barcelona. Die illustre Gesellschaft akademischer Propagandisten des Liberalismus konnte hier wie nirgendwo anders den Triumph ihres Gründers, des Nobelpreisträgers v. Hayek, über den von ihm ein Lebtag lang bekämpften Feind, den marktstörenden Zentralstaat, feiern. Hayek, der – darin noch besessener als sein Compagnon Friedman – in jeder ökonomischenTätigkeit des Zentralstaates den "Weg in die Knechtschaft", in jeglicher staatlichen Transferleistung den Beginn des Bolschewismus erblickte, hätte in der Stadtverwaltung Barcelonas sicherlich die späte Bestätigung seiner "pure theory of capital" erblickt.

Barcelona – und mit ihm die Region Katalonien – nämlich hat nicht nur die politische Steuerung des Marktgeschehens zurückgenommen, sondern das Verhältnis gar umgedreht: "Jenseits von maroden Kommunalfinanzen, Beamtenfilz und Bürokratie hat sich Barcelona wie kaum eine andere Stadt Europas marktwirtschaftlichen Regularien unterworfen", jubelte die FAZ am 28.7.97. Die liberalen Orthodoxie, die das politische Gemeinwesen als Aktiengesellschaft definiert, feiert in Gestalt der "Barcelona SA" ihre praktische Wiederauferstehung. Wo einstmals der Staat zugunsten regionaler Infrastruktur der kontraproduktiven Anarchie des Marktes Grenzen setzen sollte, da ersetzt jetzt die scheinbare Effektivität des Marktes den kommunalen Arm des Staates: Die Stadt wird veranschlagt als Aktiva von 12 Milliarden Mark; die ehemalige Stadtverwaltung ist in selbständige Tochterunternehmen unterteilt, die falls sie nicht gewinnbringend arbeiten, dem out-sourcing unterliegen, wie die Kindergarten-AG oder der Zoo; dennoch blieb für 1996 ein Gesamtjahresgewinn von 160 Mio. DM (1).

Der genius loci allein, die "alte Händlertradition der Katalanen" (FAZ), war es sicher nicht, der den liberalen Brain-Trust verlautbaren ließ, nach dem Sieg über den Sozialismus nicht ruhen zu wollen bis zur "vollständigen Demontage des Wohlfahrtsstaates" durch "Privatisierung und Dezentralisierung" zugunsten einer "neuen Formierung und Aufgabenteilung der Gebietskörperschaften" (FAZ, 12.9.97). Nicht nur im nachfranquistischen Spanien, in Belgien oder Italien, dessen "Bicamerale"-Komission Verfassungsreformen zur bisher umfassendsten Regionalisierung eines westeuropäischen Staates vorbereitet, selbst in Großbritanien, dem wohl am stärksten zentralisierten Staat der EU stehen die Zeichen auf "Devolution". Mit Absicht setzt sich dieser Begriff, unter dem die Staatsreformpläne von new labour firmieren, in Kontrast zum Begriff der Evolution, der als soziologische Metapher, wie als Alltagswahrnehmung eine offensichtlich überwältigende geschichtliche Tendenz zur Vereinheitlichung beschrieb; eine säkular scheinende Vereinheitlichung, in der die Ausdehnung des Marktes, d.h. der universellen Vergleichbarkeit von allem mit allem im Geld, dem "wahren Gemeinwesen" (Marx), die Ausdehnung des Staates, d.h. der universellen Organisierung aller formal gleichen Staatsbürger in der Nation, nach sich zog. 290 Jahre nach der martialischen Eingliederung Schottlands in den englischen Staat und 50 Jahre nach der etatistischen Integration durch die einheitliche Sozialversicherung und die Verstaatlichung des Gesundheitswesens nun sprach der britische Premier dem geschichtlichen Entwicklungsgesetz Hohn. Im Wahlkampf für die regionale Autonomie Schottlands forderte ausgerechnet labour die Eigenständigkeit des künftigen Edinburgher Parlaments auf den Gebieten, die einst Monopolkapital und welfare-State zusammengeschweißt hatten, Wirtschaftsförderung, Sozialabsicherung und (begrenzte) Steuerhoheit.

Es entbehrt nicht der Ironie, daß eine "Arbeiterpartei" auf den ersten Blick die Selbstverstümmelung des integralen Etatismus betreibt. Denn die Arbeiterbewegung, die sich immer im Einklang mit der historischen Tendenz wähnte, hatte den Seelenqualen des Warensubjektes, dessen gesellschaftliche Existenzberechtigung von einem ihm unberechenbaren "Naturgesetz" – Markt genannt – abhängt, Erlösung anzubieten gewußt – den Staat. Dieser wurde als die allgemeine Nützlichkeit und der politische Wille vorgestellt. Unter seinem Schutz meinte man die die Fährnisse der Selbstverwertung jedes einzelnen ausräumen und die Marktzyklen, die wie periodisch wiederkehrende Naturkatastrophen hereinbrechen, glätten zu können. Die Ausdehnung der zweckrational organisierten Herrschaft über die frühbürgerliche Vertragsfreiheit sei der Preis der Sicherheit vor den vermeintlichen Folgen der egoistischen Partikularität der Zirkulationssphäre. Mit der Präponderanz der Fabrik vor der Börse, der Arbeit vor dem Geld, löse der "autoritäre Staat" die soziale Frage, schaffe den seit frühsozialistischen Tagen geforderten Ausgleich zwischen "Capital und Arbeit". So lautete nicht nur das Credo der offiziellen Arbeiterbewegung , sondern auch das ihres strasseristischen Bastards, und mit kompensatorischem Kulturpessimismus folgte ihr auch die akademische Soziologie und Nationalökonomie Webers, Elias’, Spencers, Schumpeters und Keynes’.

Die periodischen Klagen des Leitartikels über Uniformität und Mittelmäßigkeit, mit einem Wort Überintegration, waren wenig ernst gemeinte Sonntagsreden, die den wahren gesellschaftlichen Konsens nicht überspielen konnten und sollten, daß man die Urangst des Warentauschers vor der eigenen Überflüssigkeit mit der Beschwörung beruhigen zu können wähnte, der Leviathan hätte die Bestie der Krise überwältigt. Die krampfhafte Selbstversicherung Bernsteinschen Zuschnittes, daß die Staatswirtschaft die Krisenzyklen "abflache", verknüpfte die Ideologien des KWNS, des keynesianischen Wohlfahrtsnationalstaates, wie er im aktuellen Frankfurter Soziologenjargon heißt, und des staatsmonopolistischen Kapitalismus: Staat und Monopole, erscheinen nach dieser Lehre als der Konkurrenz entzogene Institutionen. Damit der Staat die ihm zugeschriebene Aufgabe erfüllen, also eine gleichbleibend hohe Profitrate garantieren kann, muß der Monopolprofit vom Staat sozusagen "produziert" werden und Staatsausgaben zu "Staatskapital"(2) mutieren. (In der keynesianischen Variante verwandeln sich Ersparnisse in Investitionen vermittels staatlicher Nachfrage.) Weil aber die Staatsausgaben mitnichten sich verwertendes Kapital, sondern als staatliche Investition eine Umverteilung der gesellschaftlichen Mehrwertmasse von einem Sektor zum anderen sind, wird durch sie nur der gesellschaftliche Ausgleich der Profitraten verzögert. Solche Interventionen zögern zwar den Eintritt der Krise hinaus, lösen aber keineswegs das eigentliche Problem, daß nämlich mit steigender organischer Zusammensetzung des gesamtgesellschaftlichen Kapitals die gesamtgesellschaftlich durchschnittliche Profitrate fällt.

Je mehr der integrale Etatismus sich im Verdrängen der Wertförmigkeit der Produktion übte, antizyklische Wirtschaftspolitik und "sozialistische Warenproduktion" propagierte, desto eindringlicher erinnert die Krise der Krisenlösung an den – durch den autoritären Staat nur verallgemeinerten und nicht überwundenen (3) – kapitalistischen Naturzustand: Staatliche Herrschaft und soziale Sicherheit sind so wenig notwendig miteinander verknüpft, wie der Markt mit dem Recht auf gesicherte Reproduktion seiner Zwangsmitglieder, der doppelt freien Lohnabhängigen.

Den "stummen Zwang der Verhältnisse" in diese doppelte Freiheit zu organisieren ist Aufgabe des Staates. Am Grad dieser "primären Integration" in den Markt richtet sich die politische "sekundäre Integration"(4). Staatliches Handeln beim Bauernlegen und der Kolonialisierung diente allein der "Integration" in den Weltmarkt und demselben Ziel ist auch die sozialstaatliche "Integration" verpflichtet. Der zentralisierte, nationale Sozialstaat war und ist nur in den Augen der ihm Unterworfenen das Gegenprinzip zur Heillosigkeit des Marktes, in Wirklichkeit aber eine transitorische Organisationsform. Sozialstaatlichkeit markiert den Übergang von der formellen zur reellen Subsumtion der Arbeitskraft und der Ausdehnung des Kredits über den Goldstandard hinaus. Was den Ideologen des Etatismus als Stillegung der Marktanarchie erschien, war in Wirklichkeit die Etablierung des ununterbrochenen bellum omnium contra omnes. Ihnen mußte entgehen, daß "das ewige System des autoritären Staates nicht realer (ist) als die ewige Harmonie der Marktwirtschaft." (5)

Die krisenhafte Veränderung des Systems "sekundärer Integration", von manchen als Ende des "keynesianischen Molochs" begrüßt, von anderen als ruchlose Machenschaft "internationaler Spekulanten" verdammt und von ganz Gewitzten gar als bloße Finte der herrschenden "Sozialabbau"-Propaganda enttarnt, ist aber keinesfalls ein Rückfall in die liberalistische Phase des Kapitalismus, sondern im Gegenteil die Konsequenz deren autoritärer Abschaffung. Der offizielle Verzicht auf die Angleichung der Lebensverhältnisse und ihrer zentralen Regulierung, die bereitwillige Etablierung unterschiedlicher Produktivitätsniveaus innerhalb der klassischen europäischen Nationalstaaten und erst recht unter deren supranationalem Zusammenschluß führt zwei Grundzüge des autoritären Staates zur Vollendung. Zum einen bedeutet Regionalisierung, daß der Staat sich seiner eigenen ökonomischen Geschäftsgrundlage unterwirft – der des Surplusprofites. Zum anderen übergipfelt der Regionalismus noch das Prinzip des Volksstaates alter Prägung. Die Staatsbürgerschaft, in der die Kombination von Produktivitätszwang fürs Volk und Reproduktionsgarantie durch den Staat zur Natureigenschaft gerinnt, wird endgültig zur Schicksalsgemeinschaft, wenn Bürger und Stammesmitglied in eins fallen.

II. Krise des keynesianischen Wohlfahrtsstaates

Der Glaube daran, daß die Zukunft des nationalen Sozialstaats von der richtigen, sei es nationalen, sei es europäischen Währungspolitik abhinge, eint linke Euro-Befürworter und ihre Kritiker. Nach 60 Jahren Keynesianismus ist die Macht des "Geldrätsels" (Marx) übers Bewußtsein ungebrochener denn je. Die Zähmung des Marktes durch den autoritären Staat – der Katechismus der Arbeiterbewegung – schien diesem ausgerechnet mit Hilfe des ureigensten Mittels des Marktes, des Geldes, gelungen zu sein. Der sehnliche Wunsch nach dem Primat der (Wirtschafts) Politik über die "Naturgesetzlichkeit" des Kapitalismus (die ja der Staat letztendlich nur repräsentiert) verhärtet sich zu einer linken "Religion des Alltagslebens".

Die sich davon scheinbar absetzende Position für eine europäische Einheitswährung, die dazu dienen solle, den "deutschen Sonderweg" zu beenden, verkehrt einfach nur jenes Verhältnis, indem es dem Geld die zivilisierende Rolle zuschiebt, die die Linke traditionellerweise von der nationalstaatlichen Zähmung desselben erwartet. Der Beistand des Meisters wird hierzu gern aus den entsprechenden Passagen des "Manifestes" herbeizitiert: "Die Bourgeoisie reißt... alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhaß der Barbaren zur Kapitulation zwingt." (MEW 4, 466). Eine sich darauf beschränkende Argumentation bleibt in der Prähistorie des autoritären Staates stecken, der Phase des frühimperialistischen Freihandels; aber selbst so könnte man, wenn man zu Marxens Analyse der britischen Herrschaft in Indien fortschritte, etwas über die ungleichzeitige Entwicklung, den Surplusprofit erfahren. Dort hatte die "wohlfeiler" – d.h. unter der im Marktbereich durchschnittlich benötigten Arbeitszeit – produzierende englische Textilindustrie die in den gemeinsamen Markt integrierte indische (und auch die kontinentaleuropäische) Heimindustrie niederkonkurriert.

Auf der alltagstheologischen Höhe der Zeit, wonach sich jede beliebige politische Intention im (supra)nationalen Geld realisieren läßt, ist da schon eher die Position, die Andre Gorz in einem FAZ-Interview (1.8.97) einnahm. Gorz zeigt, daß man mit dem Feindbild des internationalen Finanzkapitals sowohl für als auch gegen den Euro sein kann, nie aber gegen den autoritären Staat der Arbeit:

"Man kann den Euro dazu benützen, den Sozialpakt auszubauen... man kann den Euro auch dazu benützen, den Abbau des Sozialpaktes zu erzwingen. Wir haben es mit einer neuen Form von Klassenkampf zu tun.

Wie meinen Sie das? Wer kämpft gegen wen?

Das globalisierte heimatlose Finanzkapital gegen die Geburt eines supranationalen europäischen Staates. Bisher ist es dem Finanzkapital gelungen, die Nationalstaaten weitgehend zu entmachten und unter Berufung auf die sogenannten (!) Marktgesetze seinem Diktat zu unterwerfen."

Die ersten Illusionen des Etatismus sind auch seine letzten, möchte man derlei strukturell antisemitische Ausfälle bescheiden, wenn es jene "lange Welle", die mit dem Namen Keynes´ untrennbar verknüpft bleiben wird und in der das Staatsgesetz das Marktgesetz offensichtlich übertölpelte, nicht tatsächlich gegeben hätte. Auch andere, wie Altvater, die nicht gleich dem Alternativ-Ideologen Gorz die Kritik der Politischen Ökonomie zum x-ten mal neu zu erfinden wähnen (6), verstehen die Krise des nationalen Sozialstaates, also den Übergang von der nachfrageorientierten zur Angebotspolitik, als Ausdruck fehlender internationaler Regulierung der Finanzmärkte, eines "hegemonialen Vakuums" (Altvater). (7)

Im Gegensatz zu Gorz ist Altvater aber durchaus bewußt, daß die gegenwärtige Krise des "Nationalkredits" (Marx) nicht der Böswilligkeit des Finanzmarktes geschuldet ist, sondern die bloße Reproduktion des fehlerhaften Kreislaufs der Akkumulation im Weltmaßstab vorstellt. Kreditgeber und Staatshaushalte treten in dasselbe widersprüchliche Verhältnis zueinander, in dem Zins und Unternehmensgewinn schon immer standen, als "Verknöcherung und Verselbständigung der beiden Teile des Rohprofits gegeneinander..." (MEW 25, 386). Da "das zinstragende Kapital das Kapital als Eigentum gegenüber dem Kapital als Funktion" (MEW 25, 392; Hrvb. i. Orig.) auftritt, stoßen in dieser Form auch die beiden widersprüchlichen Resultate der Akkumulation zusammen: Die Ausdehnung des Kredites kollidiert mit der mit seiner Hilfe gesteigerten organischen Zusammensetzung des Kapitals und ihrem unweigerlichen Resultat – dem Sinken der durchschnittlichen Profitrate! Beide Tendenzen greifen in einer der schizoiden Gestalt des Profits entsprechenden Form ineinander: Verschuldung ist das Resultat der scheinbaren Unendlichkeit des Geldes auf seiner tatsächlich schrumpfenden Wertbasis; Verschuldung, vor der die juristische Gestalt – öffentlich oder privat – des "Kapitals als Funktion" völlig gleichgültig ist.

Unfähig und unwillig dieser "Kapitalmystifikation in der grellsten Form" (MEW 25, 405) auf den Zahn zu fühlen, fordern gerade die Arbeitsmetaphysiker, die die "Entkoppelung der Geldmärkte" von der "realen Wertschöpfung" als Ursache globaler Deregulierung beklagen, gesetzliche Regulierung der monetären Sphäre. Sie wollen das Anwachsen des "fiktiven Kapitals" per Hoheitsakt einfach eindämmen, als ob das kritisierte Übel, die Ausdehnung des Kredits (und damit des Zinses), der damit einhergeht, daß das Kapital selbst wieder als Ware gehandelt wird, nicht Ausdruck des widersprüchlichen Charakters der Akkumulation und in ihrer Konsequenz der fallenden Profitrate wäre. Der Vorschlag der Erhebung einer "Tupin-tax", der Besteuerung kurzfristiger Devisenspekulation, von Gorz und Huffschmid (8) wie die gelungene Quadratur des Kreises gefeiert, von Altvater als Schritt in die richtige Richtung begrüßt, ändert nichts an der organischen Zusammensetzung des Kapitals. Daß genau umgekehrt sich in der Schuldenschere die "innere Schranke" der wertförmigen Produktion darstellt (und keineswegs durch Manipulation in der Zirkulationssphäre verursacht wird), wollen jene nicht wahrhaben, die das hohe Lied der produktiven Arbeit singen, und doch umso krampfhafter den Zusammenhang von Wertform der Produktion und Krise des Sozialstaates verdrängen. Sie reihen sich umstandslos in das Kollektiv der "Jesuiten des Werts" (Bruhn) ein, zwischen Reihenhausbesitzer und Kleinsparer, deren Glaubensbekenntnis der Schutz der (supra)nationalen Arbeit durch das (supra)nationale Geld ist.

Über die Leiche im Keller wird umso weniger gesprochen, je strenger es im Treppenhaus zu riechen beginnt. Dieses Agreement hat sich seit den Tagen des Revisionismus über StaMoKap bis zur Regulationstheorie eingebürgert. Obwohl man wahrlich kein Prophet sein muß, um sich davon zu überzeugen, daß die Akkumulation des Kapitals letztendlich auf seine Selbstzerstörung hinausläuft (auf den Grenzfall, daß der Wert des variablen Kapitals gleich null ist), wird demjenigen, der ans Fallen der Profitrate erinnert, wohlfeil entgegengehalten, daß die sogenannte Zusammenbruchstheorie den Wohlfahrtsstaat nicht erklären könne – und deshalb an das Wunder der politischen Regulation, sprich Sistierung des "prozessierenden Widerspruchs" zu glauben sei. Dieses Wunder behält seine Überzeugungskraft nur dann, wenn dem Fall der Profitrate ein absoluter Charakter unterstellt wird. Das träfe jedoch nur in dem völlig unwahrscheinlichen Fall zu, wenn die Profitraten (welt)marktweit ausgeglichen wären und damit auch die organische Zusammensetzung aller operierenden Kapitalien. Daß dem nicht so ist und auch bei Strafe des Untergangs des Kapitalismus nicht so sein darf, erhebt die Frage des Surplusprofites zur Überlebensfrage des Kapitalismus und auch zur ökonomischen Basis seiner staatlichen Organisation .

Durch den Surplusprofit, d.h. dadurch, daß bestimmte Kapitale höherer organischer Zusammensetzung den in anderen Sektoren niedrigerer Produktivität erzeugten Mehrwert aufsaugen, wird das Fallen der Profitrate (aufgrund der steigenden organischen Zusammensetzung) kompensiert und überkompensiert. Dieses Spiel ist jedoch keineswegs von endloser Dauer. Sobald nämlich die Sektoren, aus deren Mehrwertmasse der Abfluß stattfindet, stagnieren und das in ihen angelegte Kapital entwertet ist bzw. in die Surplus realisierenden Sektoren abfließt, ist die Realisierung von Surplusprofit zunächst beendet. Die Profitraten gleichen sich an und sinken; um die Surplus-Kaskade von neuem anzuwerfen, ist eine neue ungleiche Entwicklung vonnöten.

"Kapitalmystifikation in der grellsten Form"

Am Übergang vom Kapitalismus "freier" Konkurrenz zum klassischen Imperialismus läßt sich das verdeutlichen. Gegen Ende des 19.Jahrhunderts fand in Europa ein Prozeß der Ausgleichung zwischen den binnengesellschaftlichen Sektoren niedrigerer und höherer organischer Zusammensetzung statt ("Gründerkrise"). Ein massiver Kapitalexport in die außereuropäische Rohstoffproduktion setzte ein, mit der Folge, daß die durchschnittliche organische Zusammensetzung des Kapitals sank, weil die frühindustrielle Arbeitsorganisation in den Kolonien in Verbindung mit einer Steigerung der Mehrwertrate fürs Metropolenkapital, die Rohstoffe (zirkulierendes konstantes Kapital) verbilligten. Die internationale Rekonstruktion des Surplusgefälles versprach dem nur Durchschnittszins realisierenden Kapital eine sprunghaft gesteigerte "Grenzleistungsfähigkeit" (Keynes). Die Folge: Die Abt.I steigerte ihre organische Zusammensetzung ("Maschinisierung des Maschinenbaus") zuungunsten der "alten Industrien" der Abt.II (Textilfabrikation).(9) Obwohl also die Produktivität der Arbeitskraft gestiegen ist, mithin ihr Wert gesunken, bot die Surpluskaskade die Möglichkeit einen "Sozialstaat" zu gründen. Das drängte sich schon deshalb auf, weil der Staat in der imperialistischen Periode des Kapital(güter)exports eine zunehmend direkte ökonomische Funktion erhielt, und in den Monopolen und Aktiengesellschaften der "gesellschaftliche Charakter" der Produktion vorweggenommen schien: Die sozialimperialistische Fraktion in SPD und Gewerkschaft sprach nur eine Wahrheit unumwunden aus, deren Ursache sie selbst nicht verstand.

Trotz der inständigen Hoffnung auf den Staat als "Abflacher" der Krisenzyklik der Akkumulation, erhob sie alsbald wieder ihr Schlangenhaupt. Der Druck, die eigene Mehrwertrate zu erhöhen oder unterzugehen, sorgte für Rationalisierungsschübe sowohl bei der kolonialen Rohstoffgewinnung , als auch in der Abteilung II. Dem Wertverlust der Kolonien stand eine steigende organische Zusammensetzung der Abt.II (Automobilproduktion, Elektroapparate) gegenüber. Der bekannte Teufelskreis aus sich gesellschaftlich angleichender organischer Zusammensetzung des Kapitals (Elektrifizierung) und Sinken der Profitrate setzte ein; ein Teufelskreis, der auch durch Steuerung des Zinsfußes nicht mehr aufzuhalten war (das war Keynes´ Ausgangsposition).

Eine radikale Erhöhung der Mehrwertrate wurde unabdingbar. Faschismus und Kriegswirtschaft leisteten dies. Das deficit spending von Staats wegen, der ganze Komplex von Aufrüstung (aus dem der Mythos der krisenüberwindenden Funktion der Rüstung herrührt) und Infrastrukturausbau konnte nur aus Zeitgründen aufgehen: Einerseits, weil im Rahmen der gigantischen Alimentierung der Abt.I, sowohl eine erneute Verbilligung von fixem und zirkulierendem konstanten Kapital vorbereitet werden konnte ( technische Industriealisierung der Landwirtschaft, der Ölgewinnung, Beschleunigung der Umschlagzeiten – Verkehrswesen, Kommunikation etc.), andereseits der relative Anteil der Lohnkosten am Kostpreis der Waren durch (anfangs noch experimentelle) Halbautomation prospektiv auch ohne manifesten Terror gesenkt werden konnte.

Der so markierte Übergang vom Imperialismus zur "langen Welle" des Spätkapitalismus führte aber kraft eigener Dynamik zu einer Konstellation, die dem auf dem internationalen Surplusgefälle gegründeten nationalen, einheitlich-integrativen Sozialsstaat auf Dauer die Grundlage zu entziehen begann. Der Kostenentlastungseffekts durch die Entkolonialisierung war nur von kurzer Dauer. Die diversen Empires waren als Mittel zur Senkung der organischen Zusammensetzung des Kapitals nach den voranbeschriebenen Entwicklungen längst nicht mehr profitabel zu gebrauchen. Der Wegfall der Peripherie als Surpluszone verlagerte den Kriegsschauplatz des Weltmarkts an seinen Ausgangsort zurück: "Die Hauptquelle für die Realisierung von Surplus-Profit (liegt) nicht mehr in internationalen Produktivitätsgefällen, sondern in Produktivitätsgefällen zwischen Sektoren und Konzernen...wir dürfen nicht vergessen, daß in den vorangegegangenen, durch ein verschwindendes Gefälle der Arbeitsproduktivität zwischen den beiden Abteilungen gekennzeichneten historischen Perioden im 19.Jahrhundert das Kapital die große Ausweichmöglichkeit in der Landwirtschaft und vor allem in den Kolonien und Halbkolonien hatte, eine Ausweichmöglichkeit, die nicht mehr oder nur begrenzt vorhanden ist."(10) Globalisierung bedeutet in diesem Sinne ihr Gegenteil: Der ungebremste Einzug des Surplusgerangels zwischen industriealisierten Regionen vergleichbarer Produktivität, während ein großer Teil der Welt(regionen), in denen kein Hunger nach Mehrwert mehr herrscht, sondern Hunger sans phrase, bereits ausgeschieden ist.

Die Kontraktion des Surplusgefälles, Globalisierung genannt, erzeugt auf der hektischen Jagd des Kapitals nach der "technologischen Rente" einen immensen Beschleunigungsdruck der technologischen Erneuerung, eine stete Verkürzung der Umschlagszeiten des fixen Kapitals, was den fehlerhaften Kreislauf anheizt. Bei fortschreitender Automatisierung beginnt die Mehrwertmasse zu sinken. Um ein Sinken der Profitrate zu verhindern, muß deshalb die Mehrwertrate stets weiter gesteigert werden, was die Mehrwertmasse weiter einschränkt und so ein exponentielles Weiterwachsen der Mehrwertrate verlangt. Dem durch die verkürzte Umschlagszeit gigantisch wachsenden Amortisationsdruck bringen dann selbst Entlassungen keine dauerhafte Entlastung, denn der Anteil des variablen Kapitals am Kostpreis der Waren ist rasant im Fallen begriffen (11). Nur die staatlich garantierte Entlastung der Unternehmen von "toten Kosten" der Produktion kann die Mehrwertrate stabilisieren helfen.

In die Horrorgestalt des " heimatlosen, internationalen Finanzkapitals" verwandelt sich nun der Versuch, die Zyklizität der Akkumulation mit dem Kredit zu besiegen, das "gute" vom "bösen" Geld zu scheiden. Die beklagte "Entkoppelung" von Geld und Produktion ist kein Rückfall in vorkeynesianische Zeiten, sondern war auch Keynes´ ureigenes Programm. Ohne um den Zusammenhang wissen zu wollen, zog er die Konsequenz aus der kapitalistischen Einheit von Arbeits- und Verwertungsprozeß, die eine den Absatz sichern sollende Ausweitung des Kreditwesen verlangte. Bereits im Kontokorrentkredit steckte die Aufhebung des Goldstandards (der Bindung an das Quantum abstrakter Arbeit der Ware Gold), welcher sich tatsächlich als Fessel der Akkumulatiom erwies, denn nicht-angelegtes Geldkapital diente immer noch der Schatzbildung. Der Druck Kapital zu investieren, wächst, wenn die Bindung an den bestimmbaren Warenwert des Goldes entfällt. Das Geheimnis des Erfolges von Bretton Woods war, daß über den Dollar als Weltgeld eine Expansion des Marktes mit einer Expansion des Kredites verknüpft war. Nicht die vom grassierenden Irrsinn der Surplusjagd im ökonomischen Bewußtsein so säuberlich geschiedene, staatlich kontrollierte Ausweitung des Kreditwesens, die als ingeniöse Nutzung fiskalischer und legislativer Kniffe erscheint, war die Grundlage des Sozialstaats und der Vollbeschäftigung, sondern die Gleichzeitigkeit der Steigerung von Masse und Rate des Mehrwerts – vergangene Voraussetzungen allemal. Ohne sie regrediert die autoritäre Sehnsucht, daß der Staat seine auserwählten Staatsbürger, obwohl diese von der weltweit verallgemeinerten Konkurrenz leben, vor ihren alptraumhaften Folgen schützt, zur fixen Idee.

Der Zwang zur Erhöhung der Mehrwertrate im Kampf um den Surplus, die Roßkuren ("Verschlankung"), denen sich das "fungierende" Kapital unterziehen muß, um damit seinen Anteil am "Rohprofit" zu halten, zwingt das Budget des keynesianischen Zentralstaates in eine unauflösbare Zwickmühle. Einerseits muß er den Beitrag des Kapitals in die staatlichen "Sozialfonds" limitieren ("Abgabenlast", "Lohnnebenkosten"), andererseits aber ist er zur Kompensation des sichtbaren Erfolges der Mehrwertratenerhöhung (d.h. sinkende Einnahmen durch Reallohnverlust) durch steigende Transferleistungen für die wachsende industrielle Reservearmee gezwungen. Die "Schuldenkrise" des Nationalkredits, die Staatsschuld – der Widerspruch von Kapital als "Funktion" und "Eigentum" – zerrt das kollektiv Verdrängte wieder ans Tageslicht: Daß nämlich das Geld das "wahre Gemeinwesen" ist und gerade als Medium der Vergleichung die allgemeine Ungleichheit produziert. Deshalb kann der staatliche Ausdruck dieses Gemeinwesens nicht seinen Widerpart darstellen, sondern muß die verglichene Ungleichheit institutionalisieren.

3. Euro-Region und Staatsbürgertum

Der Etatismus entledigt sich der "Vereinheitlichung der Lebensbedingungen", wie einstmals die Kriegführung sich der Ritterheere entledigte. Was bei der zurecht als "innere Landnahme" bezeichneten fordistischen Durchorganisierung der Gesellschaft in den ersten zwei Dritteln des 20.Jahrhunderts, der vollständigen Integration der Reproduktion der Bevölkerung in die Reproduktion des Kapitals, den Surplustitel sicherstellte, wird zur Last. Die Reorganisation der Surpluskaskade im Inneren des Nationalstaates, und erst recht in gemeinsamen Handelszonen, die von verschiedenen Nationalstaaten gebildet werden, verkehrt die Einheitlichkeit zum Handicap und erzeugt das paradox Scheinende: Die Tiefe der Marktintegration, die der integrale Etatismus durchsetzte, ist in einem Bedingung und Ursache des Rückzuges des Zentralstaates aus der sozialpolitischen Integration. Ebenso paradox scheint prima facie die Richtung dieses Rückzuges: Supranationalisierung der Währung im Gleichschritt mit der Regionalisierung der Produktionsbedingungen.

In der gewohnt offenen Sprache der FAZ-Wirtschaftsseiten verschafft ein Senior-Economist an der Londoner Börse Aufklärung: " Je größer der Euro-Raum, desto schärfer wird der Wettbewerb ums Kapital. Und je unterschiedlicher die Teilnehmer sind...(desto mehr) wird der große europäische Standortwettbewerb lokale und nationale Regierungen sowie Tarifparteien zwingen, ihre Regionen und Länder so attraktiv wie möglich für das ‘vagabundierende Kapital´ zu machen. Manche Regionen und Regierungen werden ihr Glück versuchen, indem sie die Steuern auf das Kapital senken oder die Subventionen erhöhen. Andere werden sich bemühen, etwas höhere Steuersätze durch ein besseres Angebot an öffentlicher Infrastruktur und wohlausgebildeten Arbeitskräften auszugleichen. Wieder andere werden versuchen, Unternehmen durch flexiblere Arbeitsmarktbedingungen anzulocken." (5.9.97) Der Regionalismus, die Konservierung der Ungleichzeitigkeit der Entwicklung, avanciert gleich in doppeltem Sinne vom Spielzeug folkloristischer Amokläufer zur Lösungsstrategie der budget constraints. Die diversifizierte Standortkonkurrenz senkt die "toten Kosten" und verwandelt Regionen, die bisher Adressaten von Transferleistungen waren in Lieferanten von Surplusprofiten. Nach bewährtem Muster realisiert dann beispielsweise die hochzusammengesetzte Automobilindustrie, die selbst wiederum in einem durch keine staatlichen Abwertungsmaßnahmen gedämpften Konkurrenzkampf der Kostensenkung steht, den in den Produkten neapolitanischer Kinderarbeit eingeschlossenen Mehrwert ohne vermittels des Zentralstaates für die Folgen dieser Realisierung mehr aufkommen zu müssen. Die im Maastricht-Vertrag festgelegte "no bail out"-Klausel, die besagt, daß "überschuldeten" Teilnehmern nicht unter die Arme gegriffen werden darf, betoniert die Rolle der "Problemzonen" als Surpluslieferanten in unmißverständlicher Art und Weise.

Das sich anbahnende Ende des einheitlichen Flächentarifvertrages oder die Debatten über die Einschränkung des Länderfinanzausgleichs deuten auch innerhalb der BRD auf eine Profitabilisierung der Ungleichheit hin. Mit feinem Näschen für "Effizienzreserven" griff Graf Lambsdorff das Säbelgerassel des BDI-Prädidenten Henkel auf, und unterbreitete den Vorschlag einer "spezifischen Steuerautonomie" für die Länder, in der die Bundessteuern von den Ländersteuern klar getrennt werden sollen, "Ländersteuern, die neben der Einnahmeerzielung auch in den Dienst des Standortwettbewerbs gestellt werden könnten. Dieser Wettbewerb würde mit einer Einschränkung des Länder-Länder-Finanzausgleichs einhergehen; wer die Unbekümmertheit der Haushaltspraxis von Berlin bis Saarbrücken betrachtet wird hier gewaltige Effizienzreserven vermuten dürfen." (FAZ, 22.7.97) Effizienz ist letzten Endes aber nur Neusprech für das sukzessive Ausscheiden aus vereinheitlichten Sozialgarantien: Der Zentralstaat zieht sich aus ihnen zurück und überläßt seinen Gliederungen, was sie mit den je eigenen Überschüssigen anfangen; das neue Arbeitsförderungsgesetz hat mit der Überführung von Langzeitarbeitslosen in die kommunale (!) Sozialhilfe bereits einen unmißverständlichen Anfang gesetzt.

Die europäische Zukunft des regionalen Wettbewerbsstaates hat gerade erst begonnen. Doch zu Hoffnungen, daß das Auseinanderbröckeln des "integralen Staates" (Gramsci) einer "Postpolitik" ebenso "postmonetäre Räume" öffnen könne, oder gar, daß "Föderalisierung deshalb ein wesentlicher Bestandteil institutioneller Demokratisierung ist",(12) besteht nicht der geringste Anlaß. Vielmehr kann die "Föderalisierung" auf die naturwüchsige Zusammenrottung aller sich betrogen Wähnenden setzen – und das sind wiederum nahezu alle. Der Wandel des Zentralstaates vom Verteidiger zum Räuber an der "ehrlichen Arbeit" ist allen geläufig: Denen, die aus der Surpluskaskade mitprofitieren, erscheint es so, weil der Staat überhaupt noch Transferleistungen erbringt, und jenen, denen es umgekehrt ergeht, weil der Staat Transferleistungen kürzt. Der ursprünglich auf den Staat gemünzte Fetischismus zieht sich in der Krise des Keynesianismus auf die Überschaubarkeit regionaler Arbeit zurück. Dort bilden aktiver St.Simonismus, "Selbstorganisation", face-to-face-Sozialkontrolle, Eigenverantwortlichkeit und Zwangsarbeit den Boden, auf denen regionale und kommunale workfare regimes (Schumpeter), wie das Barcelonas, erst entstehen können. Bereits das Nationalvolk war eine Gemeinschaft der Feindseligen, weil warentauschende Subjekte miteinander keine andere bilden können. Zusammengehalten nur durch die Bündelung der individuellen Konkurrenz nach außen, vollendet sich das Nationalvolk in der Konkurrenz der Regionen. In der erfolgten Identifikation des Individuums mit dem ihm umgebenden Ensemble von Produktionsbedingungen ist der autoritäre Staat im Sinne Hegels doppelt "aufgehoben" . Der von ihm aufs Subjekt ausgeübte äußerliche Zwang zur Selbstverwertung ist durch das "selbstverwaltete" Wirken zum Frommen des Standorts internalisiert; der EU-Staat selber, indem er sich auf die "Rahmenbedingungen" des Subsidiären beschränkt, wirkt nur noch als Statthalter des Warentausches auf Erden, Seite an Seite mit der europäischen Zentralbank – aber mit der Lizenz einzusperren und Krieg zu führen im Namen des freien Handels.

Uli Krug (Bahamas 24 / 1997)

Anmerkungen:

  1. Reizvoll scheint eine solche "verdichtete Subsidiarität", wie es der Oberbürgermeister von Worms nannte, auch für Rheinland-Pfalz zu sein. Dort bereitet die sozialliberale Regierung ein Gesetz des Inhalts vor, daß es Städten und Gemeinde zukünftig nur dann erlaubt bleiben solle eigene Unternehmen, wie Stadtwerke beispielsweise, zu behalten, falls deren Leistungen "wirtschaftlicher" als die von potentiellen privaten Anbietern erbracht werden können (FAZ, 30.7.
  2. Diese Transsubstantiation wurde im Westen am einflußreichsten von Baran/Sweezy vorgeführt. Eindrucksvoll aber auch im DDR-offiziellen Lehrbuch: R.Gündel u.a.: Zur Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus, Berlin 1967.
  3. "Der auf die Marktwirtschaft gemünzte Satz, daß der Anarchie in der Gesellschaft die straffe Ordnung der Fabrik entspricht, bedeutet heute, daß der internationale Naturzustand, der Kampf um den Weltmarkt, und die faschistische Disziplin der Völker wechselseitig sich bedingen." M.Horkheimer: Autoritärer Staat, in: H.Dubiel/ A.Söllner (Hg.): Wirtschaft, Recht und Staat im Nationalsozialismus, Frankfurt 1984, 62.
  4. Zur Unterscheidung von primärer und sekundärer Integration vgl. C.Türcke: Ausgrenzung, in FR, 2.11.96: "Integration ist zunächst einmal diese bittere, gewöhnlich ungenannte Kehrseite der Ausgrenzung, ehe das , was man heute Integration nennt, überhaupt einsetzen kann: jene staatlichen...Maßnahmen...(die) doch nur eine sekundäre Integration sind, die die primäre des Marktmechanismus zu bremsen, zu mildern und anzukurbeln versucht und dabei ausgerechnet von den Resourcen lebt, die ihr die primäre verschafft, so daß immer, wenn der Markt Verdauungsstörungen hat, die Mittel zu ihrer Behebung am dringlichsten und am wenigsten verfügbar sind."
  5. Horkheimer, a.a.O., 71
  6. Nach klassischem Muster wird das "raffende" Kapital von "schaffender" Arbeit geschieden, damit das Geld nur Zirkulationsmittel verbliebe und nicht zu Kredit und damit Zins würde: "Geld vermehrt sich, indem es nichts anderes kauft und verkauft als Geld selbst. Die Wirtschaft wird in den Dienst inhalts- und substanzoser Geldvermehrung gestellt...(und damit) dem Gesetzgeber, dem Willen des Volkes (!)...(ent)zogen." Damit das funktioniert, darf Arbeit keine Ware mehr sein: "Im Grunde ist (Humankapital) gar kein Kapital." Im Gegensatz zu seinen Vorgängern im 19.Jhrdt. visiert Gorz aber durchaus die Verminderung der Arbeit an: "Und wenn die erzeugten Mengen kaum noch von der aufgewendeten Arbeitsmenge abhängen, kann die Arbeitsmenge auch nicht länger den Preis der Erzeugnisse bestimmen." Daß ein solcher Zustand, in dem übrigens auch "Preis" ein überflüssiger Begriff würde, nicht zum Schutze von Geld und Staat, Nation und Volk sondern nur durch deren Abschaffung eintreten kann, kommt dem Verfechter der "Selbstverwaltungskooperativen" nicht in den Sinn.
  7. E.Altvater: Geld, Globalisierung, hegemoniale Regulierung, in: S.Becker u.a.(Hg.): Jenseits der Nationalökonomie, Berlin – Hamburg, 1997, 117
  8. So ausführlich beispielsweise in: Z. Zeitschrift Marxistische Erneuerung, 31/1997, 80ff.
  9. " Das Gesamtprodukt, also auch die Gesamtproduktion, der Gesellschaft zerfällt in zwei große Abteilungen:
  10. I. Produktionsmittel, Waren, welche eine Form besitzen, worin sie in die produktive Konsumtion eingehen müssen oder wenigstens eingehen können
  11. II. Konsumtionsmittel, Waren, welche eine Form besitzen, worin sie in die individuelle Konsumtion der Kapitalisten- und Arbeiterklasse eingehen." (MEW 24,
  12. E.Mandel: Der Spätkapitalismus, 178, Frankfurt 1973
  13. Marx hat diese Spirale in den "Grundrissen der Kritik der Politischen Ökonomie", Berlin 1974, 239ff bereits demonstriert- ohne den volksstaatlichen Druck von zu verteidigender Lohnhöhe oder hohem Beschäftigungsgrad obendrein in Anschlag bringen zu müssen; selbst einem pessimistischen Keynesianer ist dieser Beschleunigungseffekt nicht verborgen geblieben: "(Deutschland) ist eben auch kein Standort für Arbeit: Die Produktivitätssprünge sind höher als die Wachstumsrate, also wird die Arbeit im industriellen Sektor weniger." ("Nürnberger Nachrichten" vom 9.7.
  14. J.Hirsch: Der nationale Wettbewerbsstaat, Berlin – Amsterdam 1995, 202

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