Titelbild des Hefts Nummer 35
Für Israel
Heft 35 / Sommer 2001
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Mit Allah und Odin gegen die Juden

Der Anschlag auf die Synagoge in Düsseldorf und das Zusammenrücken der Antisemiten

Nach dem Brandanschlag auf die Synagoge in Düsseldorf – passend zum Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung – rief der Kanzler auf zum „Aufstand der Anständigen“. Der Wirtschaftsstandort Deutschland – so sein Anliegen – sollte nicht durch überschäumenden Rassismus gefährdet werden: „Es geht um sehr, sehr viel, was das Ansehen unseres Landes im Ausland angeht.“

Im Dezember letzten Jahres konnte dann Entwarnung gegeben werden: „Kein Anschlag von Neonazis, sondern die Tat zweier Araber“, verkündete DER SPIEGEL erleichtert die Aufklärung des Brandanschlages auf die Synagoge in Düsseldorf. Deutschland – so der Tenor der Presse – sei nun erwiesenermaßen kein Hort des Rechtsextremismus. Der kurze Antifa-Sommer war damit ebenso schnell beendet wie er entstanden war. Zugleich erfährt der Antisemitismus sowohl in seiner speziell deutschen als auch in seiner internationalen – speziell islamistischen – Ausprägung eine Verharmlosung durch deutsche Massenmedien, die sich u. a. durch Anfeindungen israelischer Politik auszeichnet.

Die sog. Al Aqsa-Intifada entfaltete einen weltweiten gewalttätigen Antisemitismus, der sich durch Angriffe auf Juden, durch Beschädigungen von Holocaust-Mahnmalen, Synagogen und jüdischen Friedhöfen Luft machte. Dieser gewalttätige Antisemitismus erstreckt sich vom Nahen Osten über die USA bis nach Europa. Brandanschläge auf Synagogen wurden in New York, Paris, London, Brüssel und vielen anderen Städten verübt. Der Brandanschlag in Düsseldorf steht also nur in einer Reihe mit einem internationalen Ausbruch antisemitischer Exzesse.

Düsseldorf – Opfer einer Verschwörung

Die Tatsache, daß dieser Brandanschlag von islamischen Antisemiten – einem deutschen Staatsbürger und einem staatenlosen Jordanier – begangen wurde, führte zu einer Verharmlosung des rechtsextremen Antisemitismus in der deutschen Presse: „Geplatzt: Die Lügen gegen Rechts“, titelte die Nationalzeitung nach Verkündung der polizeilichen Ermittlungserfolge. „Die Täter des Synagogen-Anschlags sind gefunden – es sind keine Neonazis“, verkündete erleichtert die christliche Abendlandzeitung Rheinische Post die Ermittlungsergebnisse und erklärte: „Düsseldorf ist also jetzt nicht mehr neben Hoyerswerda und Rostock, sondern in einer ähnlichen Lage wie Sebnitz...“ Der Düsseldorfer Oberbürgermeister bekundete: „Diese Nachricht erfüllt uns in Düsseldorf mit Genugtuung. Sie nimmt ein wenig von dem bösen Bild, das auf unsere Stadt gefallen ist.“

Ob nun Neonazis oder schlicht antisemitisch motivierte Faschisten, ob Deutsche oder Araber – faktisch handelt es sich bei den Molli-Werfern auf die Synagoge um gewalttätige Antisemiten, bei denen Hitler-Bilder und faschistisches Propagandamaterial sichergestellt wurden. Jeder, der in Deutschland mit Verweis auf politische Geschehnisse in Israel jüdische Gotteshäuser anzündet, ist zudem prinzipiell als Antisemit in faschistischer Kontinuität zu kennzeichnen.

Beide Brandsatz-Werfer waren fünf Tage nach dem Brandanschlag auch an einem Angriff auf die ehemalige Synagoge in Essen beteiligt. Unter der Parole „Kindermörder Israel“ zogen ca. 200 Demonstranten vor die jüdische Gedenkstätte und versuchten, diese zu stürmen und zu verwüsten. Der vom Gericht mittlerweile zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilte Khalid Z., 20 Jahre, schoß dabei zwei Schüsse aus einer Gaspistole ab. Bei ihrem Geständnis erklärten beide Täter den Anschlag als „Racheakt gegen den Staat Israel“ und als Reaktion auf den Tod des palästinensischen Jungen Mohamed Aldura in Israel.

Khalid Z. ist Deutscher marokkanischer Herkunft und somit kein „Ausländer“, wie es die Presse in völkischem Jargon behauptet. Es ist zwar noch kein Redakteur auf die Idee gekommen, Hitler als österreichischen Ausländer und damit den Nationalsozialismus als das Werk ausländischer Mächte zu beschreiben, aber der antisemitisch motivierte Molli-Werfer Khalid Z. muß als deutscher Staatsbürger deshalb zum „Ausländer“ deklariert werden, damit das Bild des anständigen Bluts-Deutschen wieder geradegerückt werden kann.

Der andere Täter, der 19-jährige Belal T., lebt seit 15 Jahren in Deutschland. In der Presse gilt er dennoch als „Ausländer“. Belal T., dessen Vater vor der Übersiedlung nach Deutschland als sog. PLO-Soldat diente, ist zu einer Bewährungsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt worden. Ein mildes Urteil, das vom Zentralrat der Juden in Deutschland scharf kritisiert wurde. Das Gericht beurteilte den Brandanschlag als eine „Sachbeschädigung“; es sei dem Angeklagten nicht nachzuweisen, daß er – trotz eines vorher geworfenen Steins auf das Glasportal im Eingangsbereich der Synagoge – mit den geworfenen Mollis wirklich die Synagoge habe anzünden wollen.

Auch wenn vergleichbare Prozesse gegen Linke in diesem Lande in der Regel ziemlich anders ausfallen: Uns sollte hierbei nicht in erster Linie ein „gerechtes“ oder „ungerechtes“ Strafmaß der Justiz interessieren. Wesentlich aufschlußreicher sind die Interpretationen und Deutungen dieses Verfahrens durch Justiz, Politik und Presse. Interessant ist z.B. die Begründung der Staatsanwaltschaft – sie hatte eine Strafe von einem Jahr und zehn Monaten gefordert – für ihren Revisionsantrag: Das Strafmaß sei dadurch begründet, daß „der Bundesrepublik durch den Anschlag schwerer Schaden im Ausland“ entstanden sei. „Sie haben dem Ansehen ihres Gastlandes schwer geschadet“, belehrte die Staatsanwältin einen der Angeklagten – das scheint das wahre Kapitalverbrechen zu sein. Die Deklarierung der antisemitischen Straftäter als ausländische „Araber“ geht einher mit der Behauptung, solche Taten hätten nichts mit Neofaschismus und Antisemitismus zu tun. In vielen Medien wird gar in völkischer Manier behauptet, die Herkunft der Täter beweise, daß es sich bei dem Anschlag nicht um eine rechte und antisemitische Tat handeln könne.

Ähnliche Entlastungsversuche zeigen sich auch bei anderen neofaschistischen Taten. In Moers beispielsweise beschädigten vier Jugendliche libanesischer Herkunft ein jüdisches Mahnmal und beschmierten eine Gedenktafel mit Hakenkreuzen, SS-Runen und „Allah“-Grafitti. Als Motiv nannten auch sie Protest gegen die „israelischen Übergriffe gegen das arabische Volk“. Die taz (21.12.2000) meldete daraufhin unter der Überschrift „Araber schänden Mahnmal“ folgendes: „Erneut hat sich in NRW ein vermeintlich (!) rechtsextremistisches Delikt als Werk antiisraelischer Täter mit arabischem Hintergrund entpuppt.“ Ähnlich der Argumentationsweise der Nationalzeitung erklärt damit die grün-alternative taz, daß sich deutscher Antisemitismus und antiisraelische Gewaltakte ausschließen. Vor dem Hintergrund von Hakenkreuz-Schmierereien auf jüdische Mahnmale sind solche Behauptungen jedoch schlicht als Verharmlosungen des Antisemitismus zu werten.

Juden als kollektives Feindbild

Militanter Islamismus, völkischer Antiimperialismus und Neofaschismus überschneiden sich in ihren Anfeindungen gegen Israel und sind in ihrer antisemitischen Stoßrichtung deckungsgleich. „Die Juden“ als kollektives Feindbild sind das gemeinsame Angriffsziel. In Düsseldorf haben die Neonazis ihren antisemitischen Vernichtungswillen schon länger unter Beweis gestellt: „Die größten Feinde Deutschlands sitzen auf der Zietenstraße“, dem Sitz der jüdischen Gemeinde, lautete eine Hass-Parole der „Kameradschaft Düsseldorf“. Die Düsseldorfer „Kameradschaft“ ist eng vernetzt mit weiteren militanten „Kameradschaften“ in NRW und dem gesamten Bundesgebiet mit organisatorischen Kontakten nach Belgien und den Niederlanden. Über das von NRW-„Kameradschaften“ betriebene sog. „Widerstandsbüro“ wurde beispielsweise am 7.12.2000 nach Aufklärung des Düsseldorfer Brandanschlags über die angebliche „Hysterie jüdischer Kreise“ gespottet und erklärt: „In Anbetracht der Tatsache, dass die BRD die aggressive Politik Israels unterstützt, ist daher auch klar, dass palästinensische Freiheitskämpfer die BRD für ihren Kampf gegen Juden und Israel nutzen.“ Diese Erklärung wird u.a. unterstützt von einem sog. „Freundeskreis ‚Freiheit für Palästina’“.

Schon die Stilisierung der antisemitischen Täter als „Freiheitskämpfer“ zeigt die Sympathie der Neonazis für den Brandanschlag. Der Neonazi-Traum von einer faschistisch-antisemitischen „Internationale“ findet hier einen Anknüpfungspunkt. Schon seit Monaten sind bei jedem Aufmarsch der neonazistischen „Kameradschaften“ Plakate mit Parolen „gegen Zionismus“ und für „Palästina“ zu sehen. Auf der Homepage des „Nationalen Widerstands Ruhr“ ist unter der Rubrik „Aktuelles über den Nationalen Widerstand“ die Parole „Solidarität im Kampf der Palästinenser gegen Zionismus“ zu finden, mit dem Angebot, Bilder von militanten Auseinandersetzungen in Israel runterladen zu können. Das Eingangsbild der Homepage zeigt Nazis mit einer Palästinenser-Flagge und ist überschrieben mit „Internationale Solidarität“.

Die Nationalzeitung titelt mit der Parole: „Israels Verbrechen an den Palästinensern“ und fragt suggestiv: „Wo bleibt hier der Aufstand der Anständigen?“ Auf der Homepage der JN Duisburg wird auf eine Demonstration am 14.4. in Jena unter dem Motto: „Für eine Welt freier Völker – Solidarität mit Irak und Palästina!“ verwiesen. Horst Mahler (Ex-RAF, Ex-KPD), heute NPD-Mitglied, erklärte jüngst, daß in Palästina ein „Aufstand der Anständigen gegen die Agenturen der jüdischen Macht“ stattfinden würde.

Im Verbandsorgan Ümmet-i Mohammed der Islamisten-Organisation „Milli Görüs“ vom 29.4.99 heißt es beispielsweise: „Der jüngste Tag wird erst dann anbrechen, wenn auch der letzte Jude von der Bildfläche verschwunden ist.“ (taz 9.12.2000) Bei der Verwüstung der als Gedenkstätte genutzten ehemaligen Synagoge in Essen am 7.10.2000 anläßlich der sog. „Tage des Zorns“ waren neben palästinensischen auch türkische Flaggen und Embleme der Organisation des Kölner Islamisten Kaplan zu sehen. Unter den Verhafteten befanden sich auch „Personen mit deutschem Namen“, wie die Bullen meldeten.

Auch der PLO-Vertreter in der BRD, Abdallah Frangi, demonstrierte die fehlenden Berührungsängste zwischen PLO und deutschen Rechtsextremisten und gab der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit ein Interview (24.11.2000). Frangi stimmte in die rechten Entlastungsparolen mit dem Vergleich zwischen Israel und den Nazis ein und erklärte: „Wenn Scharon auf den Tempelberg geht, ist das, als ob ein Nazi mit dem Hakenkreuz in die Synagoge geht.“ (taz 9.12.2000)

In der deutschen Neonazi-Szene braut sich ein Gemisch aus rassistischen, antisemitischen und nationalrevolutionären Weltbildern zusammen, das in dem aktuellen palästinensisch-israelischen Konflikt ein Ventil für seinen Vernichtungswillen erkennt. Die islamistischen Antisemiten werden dabei zum Bündnispartner von Teilen des deutschen Neofaschismus. Im Kennzeichen D erläuterte Horst Mahler diesen Schulterschluß folgendermaßen: „Die jüdischen Organisationen der Ostküste und Israel bilden ein weltweites Geflecht, das die Weltmacht innehat und es geht ganz objektiv um die Zerstörung des deutschen Volkes. (...) Die Juden haben sich Palästina genommen und betreiben dort Völkermord, das bringt eine gemeinsame Front der Deutschen und Palästinenser zustande, das wird die prägende Kraft sein.“ Auf dem 7. Europäischen Kongress der Jugend der JN im Oktober letzten Jahres war auch vom antisemitischen Segen islamistischer Bewegungen die Rede. Der JN-Bundesvorsitzende Roßmüller verkündete dort, „daß wir stolz darauf sein können, Allah und Odin hinter uns stehen zu haben“.

Im Libanon sollte auf Initiative europäischer Nazis und Holocaust-Leugner am 23. März eine Konferenz zu „Revisionismus und Zionismus“ veranstaltet werden. Aufgrund eines Protestaufrufs von 14 international bekannten arabischen Intellektuellen wurde sie vom libanesischen Regierungschef Rafik Hariri vorerst verboten. Sie soll allerdings zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden dürfen. Mobilisiert hierzu haben u.a. der deutsche Nazi Horst Mahler und der Schweizer Holocaust-Leugner Jürgen Graf. Graf als Hauptorganisator der Konferenz bekam im Iran politisches Asyl, nachdem er in der Schweiz letztes Jahr wegen Leugnung des Holocaust zu 15 Monaten Haft verurteilt worden war. Gerüchteweise sollen an der Konferenz neben Funktionären der panarabischen Baath-Partei und der „Syrischen Nationalistischen Partei“ auch der amerikanische Nazi Ernst Zündel und der russische Antisemit Schirinowski teilnehmen.

Es wächst zusammen, was zusammengehört

Beim Gipfeltreffen der Arabischen Liga Ende März in Amman wurde eine Rede Saddam Husseins verlesen, die mit den Worten endete: „Möge Gott die Juden verdammen“. Der syrische Präsident Bashar al-Assad setzte nach und verkündete: „Israel ist eine rassistische Gesellschaft, sie ist sogar noch rassistischer als die Nazis.“ Es ist anzumerken, daß es bisher noch keine bedeutenden organisatorische Bündnisse zwischen Nazis und islamistischen Gruppen in der BRD gibt. Auch ist die wieder neu entdeckte Liebe deutscher Nazis zu islamischen Antisemiten nicht einheitlich in der Neonazi-Szene. Vielmehr dient der völkische Antisemitismus beider Strömungen als ideologisches Bindeglied, das unterschiedlich genutzt wird.

Bedeutsam ist hierbei die völkisch-antisemitische Besetzung antiimperialistischer Denk- und Politikansätze, denn ein völkischer Antiimperialismus ist leider auch radikalen Linken in Deutschland nicht fremd. RAF, RZ, Anti-Imps und Autonome sowie diverse K-Gruppen bieten dafür in ihrer Geschichte erschreckende Beispiele. Die PLO-Verherrlichungen und Israel-Schmähungen in der radikalen Linken sind in den Neunzigern weitgehend verschwunden. Palästina-Komitees sind zumeist sang- und klanglos eingegangen und militante antisemitische Spinnergruppen wie die AIZ sind glücklicherweise isolierte Randerscheinungen und Eintagsfliegen geblieben, die keinen nennenswerten Widerhall in der Linken fanden. Doch ist diese Entwicklung nicht einem reflektierten Umdenken und einer detaillierten Aufarbeitung der Fallstricke eines linken Antiimperialismus zu verdanken. Eher hat sich Ratlosigkeit und Nicht-Verhalten breitgemacht: Irgendwie ist man und frau ja schon für die unterdrückten Palästinenser. Israel ist ja irgendwie die Militärmacht und dann noch von den USA hochgerüstet. Und mit dem Zionismus ist das ja auch irgendwie ein Problem, weil – gegen Nationalismus ist man/frau ja auch. Obwohl: Gegen Juden an sich ist man/frau natürlich auf keinen Fall. (...) Und so wie früher – voll gegen Israel als das „zionistisch imperialistische Gebilde“ – will man/frau heute ja auch nicht mehr sein. So etwas kann man/frau ja heutzutage auch nicht mehr sagen. Wegen der Geschichte und weil man/frau jetzt ja auch gegen Antisemitismus ist und die Nazis jetzt für die Palästinenser. Da sind Frau&Mann in der Antifa „irgendwie“ ziemlich durcheinander.

Und dann gibt es mittlerweile auch die Antinationalen oder gar die Antideutschen, die jede und jeden gleich als Nazi outen, nur wenn man/frau mal was gegen Israel sagt. Das weiß z.B. die Zeitschrift der deutschen Antiimps So oder so – Die Libertat!. Dort heißt es: „Süffisant bis rassistisch ist die Haltung einiger linker Presseerzeugnisse zum Konflikt in Palästina. Ob Konkret oder Jungle World – einig ist man sich dort, dass ein ‚randalierender islamistischer Mob‘ nur den Anlass brauchte, den Scharon mit seiner Provokation auf dem Tempelberg lieferte, um sich an den Juden auszutoben. (...) Die Legitimierung der expansionistischen Politik Israels mit dem Holocaust, macht die Palästinenser zum Kanonenfutter um die linke weiße Weste.“ (Nr.7/Herbst 2000) Dagegen halten die deutschen Anti-Imps in bekannter Manier an dem „grundsätzlichen Recht auf Revolte“ fest, und das heißt in ihrem Jargon „auch in Palästina und gegen Israel. Denn nur dann wird Solidarität nicht taktisch und kann berechtigte Kritik konkret werden.“ (ebd.)

„Chinesen am Rhein“

Hier stimmt das antiimperialistische Weltbild noch: Der Dualismus zwischen gut und böse wird nach den Maßgaben des völkischen Antiimperialismus gezogen – hier das „unterdrückte Volk“ als kollektiver Bezugspunkt und da der expansionistische Imperialistenstaat – also „für Palästina und gegen Israel“. Damit steht Die Libertat nicht alleine: Eine „Rote Aktion Duisburg“ rief am 23. 12. 2000 zu einer Demo unter dem Motto „Stoppt das Massaker in Palästina“ auf. Damit sollten allerdings nicht die Hamas, der islamische Djihad oder die Hisbollah angegriffen werden, sondern die „israelische Besatzungsmacht“. In dem Aufruf hieß es: „Die Behauptung, beide Seiten seien an der Gewalt schuld, ist schon allein angesichts der Panzer und Kampfhubschrauber, mit denen gegen die aufständige Zivilbevölkerung vorgegangen wird, absurd.“ Auch den Veranstaltern war aufgefallen, daß solche Platitüden auch von Neonazis verzapft werden. Deshalb heißt es in dem Aufruf: „Wichtig! Wir werden nicht zulassen, dass Nazis an dieser Kundgebung teilnehmen und wir werden jede Form des Antisemitismus sofort und mit allen Mitteln unterbinden. Ebenso werden wir keine Störungen oder gar Angriffe von Prozionisten zulassen!“ Bezeichnend ist, daß sich deutsche Antiimps ausgerechnet hierzulande von „Prozionisten“ bedroht fühlen.

Im linken Hamburger Radiosender „Freies Sender Kombinat“ (FSK) erhielten kürzlich zwei Redakteure Sendeverbot. Den antiimperialistisch gesinnten Redakteuren der Rubrik „Knast und Justiz“ wird vorgeworfen, in einem Beitrag Antisemitismus geduldet und verharmlost zu haben. Hintergrund ist eine 2-Std.-Sendung vom 25.10.2000 mit einem Vertreter der palästinensischen Gemeinde Hamburg, der u.a. unwidersprochen folgendes erklärte: „Wir haben alles erlebt, was die Juden damals erlebt haben. KZ, Vertreibung, Millionen von Flüchtlingen, Massaker, egal in welchen Maßen.“ Des weiteren erklärte der Studiogast, „die Juden“ mißbrauchten die Entschädigungszahlen der BRD für ihre „Unterdrückungspolitik“. Er phantasierte dabei unwidersprochen, Israel hätte pro Kopf Zehntausend Millionen DM Entschädigung enthalten. Ein Redakteur stimmte mit der Bemerkung zu, die „so genannte Wiedergutmachung“ sei nicht den Opfern der Shoa zugute gekommen, sondern von Israel benutzt worden, „den militärischen Apparat, die Unterdrückung dort aufzubauen.“ (taz 11.12.2000) Teile des Radioforums wandten sich daraufhin mit einem Interview in der ostdeutschen Tageszeitung junge Welt gegen die Kündigung der Redakteure mit der Begründung, es werde versucht, mit „dem Totschlagargument Antisemitismus, antiimperialistische und antikapitalistische Kritik aus dem Sender zu drängen.“ (junge Welt 04.01.01)

Linker Antisemitismus hat in dem Sender FSK eine Geschichte: Vor einem Jahr z.B. erklärten die sog. „Freunde der Zeit“ anläßlich des Todes von Ignatz Bubis in einem Radiobeitrag: „Wieder wird in Ermangelung von Klassenbewußtsein um der Lehre des heutigen linken Daseins aus einem liberalen Kapitalisten, Ausbeuter, Spekulanten ein Antirassist. Warum? Weil er Jude war? Als ob das ein Persilschein sei!“ Keine Schonzeit mehr für Juden – darin sind sich rechte wie linke Vertreter eines völkischen Antiimperialismus einig.

Probleme mit dem „jüdischen Kapitalisten“ Bubis hatte auch die junge Welt. Ein „Verdränger von gestern“ sei Bubis gewesen, hieß es in einem Nachruf. (jW 16.8.99) Er sei für die „Umkehr antifaschistischer Werte“ verantwortlich. O-Ton junge Welt: „Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll auch vom Faschismus schweigen, meinte Max Horkheimer. Ignatz Bubis aber hat sich nach 1945 für ein Leben in Westdeutschland entschieden, weil es ein kapitalistisches war.“ Zwei Tage später veröffentlichte die Zeitung eine „Akte Bubis“ mit dem Ziel, dessen „kapitalistische Machenschaften“ anzuprangern. „Die Verfasser blumiger Nachrufe“, so das Blatt, „werden sich mit dieser Geschichte vielleicht doch noch auseinandersetzen müssen.“ Ähnliches war zeitgleich in der Nationalzeitung zu lesen.

Ende letzten Jahres referierte der panarabische Nationalist Karam Khella auf Einladung des Hamburger AStAs zum israelisch-palästinensischen Konflikt. Karam Khella war in den Achtzigern arabischer Vorzeige-Linker der Antiimps. Er verglich regelmäßig die israelische Politik mit der der Nazis und bezeichnete Israel als ein „künstlich-imperialistisches“ und gar „faschistisches Gebilde“, das verschwinden müsse. Bei seinem Vortrag vor ein paar Monaten erklärte er unter Applaus deutscher Linker, die Juden würden im Falle eines Friedens mit den Arabern Israel sofort verlassen, weil es ihnen dann „dort zu heiß“ werden würde.

Antisemitismus ist aus dem linken antiimperialistischen Weltbild längst nicht verschwunden. Angesichts der aktuellen Auseinandersetzungen um Israel macht er sich wieder Luft. Auffällig und bedrückend sind hierbei die plakativen Übereinstimmungen mit den völkisch-antiimperialistischen Parolen der extremen Rechten; eine schon länger in Deutschland vorhandene Übereinstimmung, auf die Horkheimer und Adorno schon zur Zeit des neu-linken Aufbruchs aufmerksam machten. Adorno erkannte beispielsweise in den antiimperialistisch motivierten Protesten gegen den israelischen Botschafter Züge eines neuen Antisemitismus: „Man braucht gar nicht erst auf die Chinesen am Rhein zu warten. Du müßtest nur einmal in die manisch erstarrten Augen derer sehen, die, womöglich unter Berufung auf uns selbst, ihre Wut gegen uns kehren“, schrieb er 1969 an Marcuse.

Diesem Artikel liegt ein Vortrag auf dem Duisburger Antisemitismus-Kongress am­ 8.4.2001 zugrunde.

Alex Busch (Bahamas 35 / 2001)

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