Eine Verschwörung gegen Amerika?
Bernd Volkert über den oft als „Anti-Bush“ verstandenen Barack Obama
Montag,
11. Januar 2010, 19:00 Uhr
Max & Moritz
Oranienstr. 162
Berlin-Kreuzberg
Barack Obama sei ein „falscher Messias“ oder auch „der erste amerikanische Demagoge seit den Dreißigerjahren“: Norman Podhoretz – nachdem im September diesen Jahres Irving Kristol gestorben ist, gewissermaßen der dienstälteste amerikanische Neokonservative –, von dem die Zitate stammen, sieht in dem Phänomen, das die Karriere und die Wahl des aktuellen amerikanischen Präsidenten darstellt, Anzeichen von Veränderungen, die das Selbstverständnis und den Gehalt der amerikanischen Gesellschaft qualitativ verschieben können. Diese Skepsis oder Besorgnis entstand bei jemanden wie Podhoretz sogar noch bevor sich durch die Amtspraxis Obamas vor allem in der Außenpolitik Tendenzen zeigen ließen, dass dieser von Kernpunkten, von essentiellen Richtlinien amerikanischer Politik möglicherweise radikal abweicht: die wiederholten Zurechtweisungen Israels, öffentliche Kumpanei mit populisitschen Autokraten wie Chavez, programmatische Nichteinmischung in die Frühsommerkrise im Iran. Podhoretz steht mit dieser negativen, zuweilen pessimistischen Einschätzung der neuen US-Regierung keineswegs alleine unter den amerikanischen Neokonservativen da. Obamas Initiativen zur globalen Abschaffung der Atomwaffen oder seine vor den Vereinten Nationen dargelegten Vorstellungen einer gänzlich neuen Politik zwischen den Staaten haben beispielsweise Abe Greenwald vom Commentary-Magazine dazu gebracht, in Obama einen weltfernen radikalen Utopisten zu sehen, der – verstärkt durch einen ausgeprägten Narzissmus – letztlich nicht nur die USA, sondern durch den von Obama verfolgten Rückzug und die partielle Entmachtung der bislang noch einflussreichsten Nation die gesamte politische Welt in unabsehbare Gefahren bringe. Dies entspricht alles noch der Geschichte und Tradition der Gruppe amerikanischer Intellektueller, die sich seit den 1970er Jahren als eine Art permanentes Frühwarnsystem gegen antiliberale Tendenzen in den USA und der Welt betätigen und – da sie solche Regressionserscheinungen gerne und häufig in der Linken finden – deswegen von eben dieser Linken mit dem als Verdammung gemeinten Begriff Neokonservative belegt worden sind. Doch ist dies noch nicht die ganze Geschichte: Einflussreiche Intellektuelle aus dem Umfeld der Neokonservativen wie Robert Kagan sind in ihren Einschätzungen bei weitem zurückhaltender und sehen durch Obama – freiwillig oder unfreiwillig – zahlreiche Strategien, die die Bush-Regierung eingeführt hat, im Großen und Ganzen kontinuierlich fortgesetzt. Kagan sieht zwar ebenfalls die isolationistischen Tendenzen in der Obama-Anhängerschaft und deren „Blame-America-First“-Haltung, glaubt aber Obama selbst eher auf seiner Seite, also durchaus willens, die Macht der USA unter der Parole „Freedom and Democracy“ weiterhin global einzusetzen. Was auf den ersten Blick verwirrend erscheinen mag, bietet jedoch eine gute Gelegenheit, den Mythen und Projektionen zum amerikanischen Neokonservatismus ein realitätsgemäßeres Bild entgegenzusetzen, das diese intellektuelle Strömung in ihren schon immer bestehenden Differenzen, internen Gegensätzen und Variationen darstellt. Im Zentrum des Abends werden allerdings die ebenso zahlreichen Mythen und Projektionen über – und von – Barack Obama stehen.
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