Extrablatt zum Kosovo
Nasdravlje, Partizani i Cetnici!
Was Kohl, Kinkel und Rühe vorbereiteten, dürfen nun ihre sozialdemokratisch/grünen Nachfolger in die Tat umsetzen. Seit dem 23. März wird Jugoslawien – bzw. was nach den Sezessionen der letzten Jahre davon noch übrig geblieben ist – von der NATO bombardiert, selbstverständlich mit deutschen Kampfflugzeugen in der "ersten Reihe" (BZ). Schröder, Scharping und Fischer rechnen sich reale Chancen aus, die großdeutschen Balkanambitionen, nachdem sie im zwei Weltkriegen scheiterten, diesmal mit Erfolg umzusetzen. Wie fast immer in der Kriegspropaganda dient die Beschwörung angeblicher Greueltaten des Feindes der Rechtfertigung eigener Massaker.
Als am dritten Tag der Bombardierung das erste NATO-Flugzeug vom Himmel geholt wurde, war die Freude der zum humanitären Abschuß freigegebenen jugoslawischen Bevölkerung verständlicherweise groß. Auf den Trümmern des "Tarnkappenbombers" wurde getanzt und gefeiert. Im Geiste der internationalen Solidarität sollten auch wir eine Party vorbereiten: Wenn der erste deutsche Bomber auf dem Balkan abgeschossen wird, sollten wir einige Fläschchen öffnen und den Denkzettel auf würdige Weise begiessen. Aber auch Abschüsse von britischen und US-amerikanischen Friedensvögeln werden uns recht sein. Zwar wird keiner der für die höhere Ehre von "Menschenrecht" und "Humanität" Getöteten durch die Abschüsse wieder lebendig; eine Kriegsmaschinerie wie die der NATO kann jedoch nicht durch Worte und guten Willen beeindruckt werden. Falls die jugoslawische Flak ihre Form – wie wir hoffen – noch etwas steigert, wird man auf den nächsten freudigen Anlaß nicht mehr lange warten müssen.
Denn mag man auch mit einigem Recht den jugoslawischen Nationalismus ebenso wie jeden anderen für völlig ungeeignet halten, irgendetwas auch nur tendenziell Emanzipatorisches zu befördern, so muß man doch nüchtern konstatieren, daß im Augenblick einzig und allein die jugoslawischen Waffen in der Lage sind, das Wüten der NATO zu stoppen und insbesondere dem deutschen Imperialismus das militärische Comeback zu vermiesen.
Eine solche Lektion ist überfällig: Die Dreistigkeit, mit der Großdeutschland alle außenpolitischen Beschränkungen beseitegeräumt hat und jetzt ausgerechnet in Jugoslawien das Bombenwerfen übt, aber auch die Komplizenschaft des Westens gegenüber dem IV. Reich erinnern verdammt an die dreißiger Jahre. Doch halt, Scharping und Fischer seien nicht das gleiche wie Göring und Ribbentrop? Nun gut, aber auch der demokratische Weltpolizist USA steckte nach seinen südostasiatischen Gemetzeln erst zurück, nachdem er vom Vietcong ein paar auf die Finger bekommen hatte. Dessen militärische Erfolge bestärkten die Jugendrevolte in den Metropolen und förderten den damaligen Aufschwung der antikapitalistischen Linken.
Es war stets ein Minimalkonsens der radikalen Kritiker von Militär, Krieg und ihren gesellschaftlichen Voraussetzungen, daß die Kriegsführung des sog. "eigenen Landes" in keinem Fall zu unterstützen, sondern ausschließlich mit allen realistischen Mitteln zu sabotieren sei. Eine solche Strategie des "revolutionären Defaitismus" kann angesichts des Massenkonsenses hierzulande derzeit nur beschränkt aufgehen. Mit wenig Leuten kann man keine Demo machen, aber für eine art Fete reicht es immer. Vorerst muß uns das gemeinsame Anstoßen als kollektiver Propagandist und Organisator der Vaterlandsverräter dienen. Und beim nächsten Abschuß sind's dann vielleicht schon doppelt so viel ... und so weiter.
Wenn bis zu den Hauptnachrichten (20:00 Uhr) ein Abschuß bekanntgegeben wird, treffen wir uns, vielleicht auch mit Euch, am selben Tag um 22 Uhr im:
PINOX, Oranienstraße 45, in Kreuzberg
Bahamas
Frühere Aktivitäten sind im Aktuell-Archiv aufgeführt. Dort gibt es auch einige Audio-Aufnahmen.
Alle bisher erschienenen Ausgaben der Bahamas finden Sie im Heft-Archiv jeweils mit Inhaltsverzeichnis, Editorial und drei online lesbaren Artikeln.