Hinterher ist alles wie gehabt. Dem wohlverdienten Besäufnis folgt die komatöse Nacht. Danach kehrt die BAHAMAS-Redaktion zum Alltag zurück, wertet den Kongreß "10 Jahre danach" aus, überarbeitet die gehaltenen Vorträge redaktionell, schreibt neue Ausführungen und präsentiert die Ergebnisse im vorliegenden Heft. Über die Qualität der Beiträge mag der Leser urteilen.
Die BAHAMAS bleibt wie gehabt relativ erfolgreich. Sie ist nicht ohne Grund im Gespräch. Es gibt keinen Leserschwund wie bei anderen linken Zeitungen, die Redakteure halten hier und da einen Vortrag oder liefern und lieferten für konkret oder Jungle World Beiträge. Andere linke Journale und Einzelpersonen grenzen sich ab. So geht es seit 7 oder 4 Jahren, je nachdem ob man gewillt ist die Hamburger BAHAMAS als legitime Vorgängerin der Berliner Folge anzusehen.
Vielleicht ist es der Erschöpfung nach einem Kraftakt geschuldet, vielleicht ist es die mit dem Kongreß selbstgewählte Zäsur: 10 Jahre danach: Eine antideutsche Bilanz. Jedenfalls ist Zufriedenheit in der Redaktion wieder nicht eingekehrt. Mängel über Mängel sind zu konstatieren. Zweifel über die Vermittelbarkeit der Vorträge und schließlich an der Qualität der Selbstschulung kommen auf. Lebt man vom Fundus früherer Jahre, wo muß nachgebessert werden? Zwangsläufig stellt sich die Frage: In welchem Verhältnis steht die BAHAMAS zu ihren Lesern?
Es ist nicht genug und damit kein Grund zur Zufriedenheit, daß der Autorenkreis größer wird, und viele BAHAMAS-Leser nach alten Nummern greifen, die Zeitung also wegen ihrer Inhalte gelesen wird. Anderen mag dies als sicheres Zeichen für eine intensive Leser-Blatt-Bindung, den ganzen Stolz eines jeden Redakteurs, genügen, uns nicht. Es entsteht zwar nicht das, was man vielleicht aus der eigenen politischen Vorgeschichte befürchten könnte, nämlich eine autoritäre Gemeinde, die am Eingeweihtsein teilhaben möchte, wie postmoderne Denunzianten unseren Lesern nachreden. Aber, die in verschiedenen Städten sich abmühenden antideutschen Zirkel – es gibt schon ein paar mehr als die drei, die Konferenz veranstaltenden Gruppen – wissen voneinander zu wenig und führen innerhalb und häufig schon außerhalb der Linken ein prekäres Außenseiterdasein. Keine guten Voraussetzungen für die Weiterentwicklung der kritischen Potentiale.
Die Konferenz hat vor Augen geführt, daß es ein reges Interesse an antideutschen Diskussionen gibt, doch ist jene nur ein einmaliges Ereignis. Man kann es positiv formulieren: es sind unserer relativ viele. Man kann es unfroh ausdrücken: Da geht noch viel zuwenig zusammen. In Berlin und anderswo. Was nützt es zum Beispiel Marburger Studenten, denen der Georg Fülberth nicht genügen kann, daß am 2.10.99 in Berlin Spannendes geboten wurde, wenn sie am 3.10. wieder zu Hause sind. Und was nützt der Berliner Redaktion das Wissen um die zahlreichen kritischen Einzelpersonen, wenn doch keine Zusammenarbeit erfolgt. Die ganze Kritik an der BRD-Linken wird da prekär wo die Spaltprodukte, die durch die Agitation verschiedener regionaler Zirkel und etwas überregionalerer wie der ISF oder der BAHAMAS entstehen, sich nicht verbindlich aufeinander beziehen können. Die BAHAMAS jedenfalls will nicht vom Dauerbeschuß der neudeutschen Linken leben, sondern ist an der Weiterentwicklung und Weiterverbreitung kommunistischer, antideutscher Kritik interessiert, die mit dem Anspruch vorgetragen wird, Vorbereitungshandlung für praktische Kritik zu sein.
Auch in der BAHAMAS-Gruppe ist aus dem Sachzwang heraus, mit wenigen Leuten eine Zeitung machen zu wollen, der ursprüngliche Anspruch, mehr als eine Zeitung sein zu wollen, an den Rand gedrängt worden. Das schlägt sich in der Unzufriedenheit über viel zu selten gemeinsam erarbeitete kritische Positionen nieder.
Die BAHAMAS-Gruppe ist und bleibt in erster Linie Redaktion. Sie kann und will nicht die Schaltzentrale für antideutsche Vernetzung sein. Sie ist allerdings dort, wo sie selber etwas bewegen kann, in Berlin also, interessiert an der Wiederbelebung einer ehemaligen Zweiteilung, die die ständige theoretische Arbeit gewährleistete: hier die Redaktion, dort die Jour-fixe-Initiative-BAHAMAS. Die neu zu begründende Jour-fixe-Initiative sollte zum theoretischen Ausschuß werden, in dem Redakteure und theoretisch Interessierte regelmäßig und über längere Zeit zusammenarbeiten. Praktisch immer insoweit, als die Ergebnisse in Veranstaltungen und Artikel einmünden, ungebunden an die Blattredaktion und ihre Sachzwänge.
Die Forschungsarbeit wird sich keine spannenden neuen Theorieansätze zum Gegenstand nehmen, wie es heute beliebt ist. Niemand wird zusammen mit BAHAMAS-Redakteuren den Derrida für sich entdecken können. Statt subjektivistischen Totengräbern der Kritik widmet sich unsere Selbstschulung zunächst der objektiven Theorie des Subjekts, genauer: seiner Auflösung. Also z.B. der Psychoanalyse. Aber dann nicht irgendeiner, sondern der des Klassikers. Und nicht weil Freud so interessant ist, sondern weil die kritische Theorie (nicht nur die aus Frankfurt) zur Psychoanalyse drängt und Freud von der Pathologie des Individuums ausgehend immer auf die pathische Gesellschaft stieß. Das Forschungsinteresse dürfte klar sein: den insbesondere bei Adorno bereits angelegten Versuch, vom Fetischkapitel ausgehend den individuellen wie gesellschaftlichen Wahnsinn schärfer ins kritische Visier zu nehmen. Daß das wiedergegründete Unternehmen jour-fixe-Bahamas in bandenknüpfenden Austausch mit Gruppen und Zirkeln tritt, ist unsere Absicht.
Einen solchen Zusammenhang vorausgesetzt, wäre es möglich sich in symbolischer Praxis, also in praktischer Provokation, stärker einzumischen. Wenn die Teilnehmer einer antideutschen Arbeitskonferenz, ohne sich aus dem Konzept bringen zu lassen, zwischendurch eine antisemitischen Kundgebung des Bunds Freier Bürger stören können, dann müßte auch das was nur alle paar Jahre und unter der Erduldung wadenbeißender Bündnispartner geht, gelingen können: Die Gollwitze dieser Republik heimzusuchen und den Walsers und ähnlichen die Auftritte zu vermiesen.
Vielleicht ist das schon utopisch und es ist sehr gut möglich, daß wir bereits in zwei drei Nummern dieses Editorial als voluntaristisch, unrealisierbar etc. dementieren werden. Antideutsche Kritiker aus dem Berliner Einzugsbereich sind herzlich zur Mitarbeit beim jour-fixe-Bahamas eingeladen.
privilegiertenJuden den Erinnerungsplatz in
bester Citylagestreitig machen. Georg Klauda / Eike Stedefeld
Jahrhundert der Lagerendlich verschwand. Joachim Bruhn, Martin Janz, Tjark Kunstreich
Frühere Aktivitäten sind im Aktuell-Archiv aufgeführt. Dort gibt es auch einige Audio-Aufnahmen.
Alle bisher erschienenen Ausgaben der Bahamas finden Sie im Heft-Archiv jeweils mit Inhaltsverzeichnis, Editorial und drei online lesbaren Artikeln.