Titelbild des Hefts Nummer 38
Der unheimliche Aufmarsch
Heft 38 / Sommer 2002
Abonnieren / Bestellen

„Wir sind alle Palästinenser“

Der ordinäre deutsche Nah-Ost-Korrespondent betätigt sich als Lieferant für den Bedarf des „ehrbaren Antisemitismus“ (Amery). Selten lügt er direkt, besitzt aber eine perfide Kunstfertigkeit darin, die Assoziationen und Imaginationen des Massenbewußtseins durch das Verschweigen historischer, geographischer und aktuell politischer Zusammenhänge sowohl zu bedienen als auch in Gang zu setzen. Die jüngste „Nah-Ost“-Berichterstattung variiert dabei die antisemitische Stereotypie vom Judentum als Urheber von Bolschewismus und Finanzkapitalismus nur im zeitgenössischen Gewand: Israel erscheint sowohl in der Rolle des Bolschewiken, der die Schlesier zu „Flüchtlingen“ machte, und zugleich als Büttel und Nutznießer des Wall-Street-Kapitalismus, der arme Kleinbauern um Land und „Kultur“ betrügt. „Synthetisiert“ werden diese widersprüchlichen Regungen in projektiver Wendung darin, Israel als III. Reich des 21.Jahrhunderts vorzustellen. Der portugiesische Romancier Saramago vergleicht bei einer Ergebenheitsvisite in Arafats Hauptquartier den israelischen Gegenschlag der letzten Wochen „durchaus mit Auschwitz“ (Welt, 19.4.2002), nachdem die Jeanne d’Arc der Globalisierungskritiker, Frau Roy, zuvor schon Staudammbauten mit Auschwitz in eins gesetzt hatte. Derartig moralisch gewappnet macht sich dann der deutsche Journalist zum Al-Quaida-Sprecher und erklärt, die Juden hätten „in Palästina so wenig verloren (...) wie die Kreuzritter“. (SZ, 15.4.2002)

Eine Ausnahme von der Regel ist Ulrich Sahm, der deswegen nur in der Jüdischen Allgemeinen und in der Welt zu Wort kommt. Für letztere führte er am 7.4. ein Interview mit Shimon Peres, dem israelischen Außenminister, und kam in einer Frage auf den Zusammenhang zwischen offizieller antiisraelischer Rhetorik von Presse bzw. Politik und der Angriffsserie auf Juden und jüdische Einrichtungen aller Art in ganz Europa zu sprechen.

Sahm: In Frankreich brennen Synagogen. Norweger rufen zum Boykott von israelischen Waren auf. Ägypten bricht die Kontakte ab. Ihr Freund Bülent Ecevit bezichtigt Israel des Völkermordes an Palästinensern. Sie sind der Außenminister. Ist Ihre Außenpolitik gescheitert? Peres: Wir müssen gegen Vorurteile kämpfen. Und wir müssen einen latenten Antisemitismus bekämpfen. Wie manche Leute in Europa die Zukunft Europas darstellen, so stellen wir die Vergangenheit Europas dar. Die Europäer müssen uns in die Augen schauen und sich erinnern, was passiert ist. Wir versuchen jetzt, unser Leben zu verteidigen. Wir haben keinerlei Absichten, fremdes Land zu besetzen oder ein Volk zu beherrschen. Aber ich frage mich, was sie, die Europäer, tun würden, wenn sie sich täglich mit Selbstmordattentätern auseinander setzen müßten und mit anschauen müßten, wie ihre Kinder und Jugendlichen Opfer von Terror werden. Was schlagen die Europäer vor? Um ehrlich zu sein, verstehe ich deren Opposition überhaupt nicht. Warum unterstützen sie die Palästinenser? Wofür kämpfen eigentlich die Palästinenser? Für Unabhängigkeit? Wir haben ihnen doch Unabhängigkeit angeboten. Kämpfen sie für ein palästinensisches Land? Wir haben ihnen ein palästinensisches Land angeboten. Sie wollten einen Platz in Jerusalem. Auch ein Platz in Jerusalem wurde ihnen angeboten. Also warum der Terror? Warum unschuldige Menschen umbringen? Die Europäer, unsere Freunde und Kritiker, müssen diese Fragen ehrlich beantworten.“

Kein „rationaler“ Konflikt

Die schreckliche Wahrheit, die Peres zumindest ahnt, ist folgende: Gerade weil die Europäer wissen, daß der Kampf der Palästinenser nicht einer für etwas ist, sondern nur einer gegen etwas, die Juden nämlich, genau deswegen unterstützen sie diesen Kampf so solidarisch, lassen sich durch nichts beirren. Um es in Peres’ Worten zu sagen: Die „Leute, die Europas Zukunft darstellen“, solidarisieren sich mit den Palästinensern und ihrem hemmungslos eliminatorischen Antisemitismus, also einem, dem Vernichtung Ziel und Mittel zugleich ist, gerade, weil Israel „die Vergangenheit Europas darstellt“, weil die „Europäer uns in die Augen schauen und sich erinnern müssen, was passiert ist.“

Der sogenannte Nah-Ost-Konflikt, bei dem es um Landstriche geht, die in ihren Dimensionen denen des Landes Hessen gleichen, ist keiner um einen Gewinn im materiellen Sinne. Wäre er ein dergestalt „rationaler“ Konflikt, wie Linke mit Spürnase für strategische Interessen meinen herausgefunden zu haben, wäre er längst beigelegt; daß er es nicht sein kann, daß das deutsch-europäische Interesse an ihm so überproportional und eindeutig projektiver Natur ist, zeigt, daß der globale Antizionismus auf Israel genau so losgeht wie es zuvor der unverblümte Antisemitismus gegen das „Judentum“ tat. Antiisraelische Politik und Propaganda und volkstümliches, antisemitisches Bedürfnis einigen sich in einer paradoxen Kreation: einem antifaschistischen Antisemitismus, der Israel zum „faschistischen“ Staat, im etwas feineren UN-Sprech zum „Rassisten“ und „Menschenrechtsverletzer“, deklariert.

Die Europäer, aus deren Reihen sich derzeit nur Teile der politischen Klasse Großbritaniens wohltuend durch Zurückhaltung abheben, wofür die britische Botschaft in Berlin vom antisemitischen Mob am palästinensischen „Tag des Bodens“ mit Steinen eingedeckt wurde, können tatsächlich nur in den Kategorien, die der Nationalsozialismus setzte, von Israel denken. Deutschland, das Land eines heute als diplomatische Waffe gegen Israel eingesetzten Versöhnungskultes, entwickelte mit diesem Kult die notwendige „moralische“ Sichtweise. In der schon von je feindselig durchwirkten und nur mühselig zugestandenen Singularität Israels, begründet aus der Massenvernichtung der europäischen Juden, schwang schon immer das Moment mit, den Opfern nicht verzeihen zu können, was man ihnen angetan hatte. Die deutsche Manie der Versöhnung zielte stets darauf, Israel abzuluchsen, daß es ja gar nicht sooo schlimm gewesen sei, daß schließlich niemand frei von Schuld sei, und läuft auf jenen bundesrepublikanischen Philosemitismus heraus, demzufolge man ja eigentlich auch Jude sei, ja eigentlich mehr als der Jude noch gebeutelt werde vom historischen Schicksal und von der Welt unverstanden bliebe. Es galt, mit der Gleichstellung von Juden und Deutschen im Zeichen der Versöhnung die Verbindung zwischen der Singularität der Judenvernichtung und der Gründung des jüdischen Staates zu lösen. Joschka Fischer eifert darin die im Führerbunker zu Ramallah ausharrende deutsche Friedensfee Julia Deeg genauso nach wie ein anderes deutsches Seelchen, der EKD-Auslandsbischof Rolf Koppe: Den befriedigt es ungemein, daß die Juden endlich nicht nur als Opfer, sondern auch als Täter dastünden, die christliche Kirchen angreifen, „einen Tabubruch ersten Ranges“ (Welt, 4.4.2002) begingen, hinter dem die EKD ihren eigenen versteckt, nämlich sich endlich wieder alter antijudaischer Stereotype bedienen zu können, um gemeinsam mit „Pax Christi“ so recht gegen den „westlichen Egoismus“, vulgo das „raffende Kapital“ hetzen zu können.

Die Vorlage für derlei hatten in den 70er und 80er Jahren die Magazine der radikalen Linken, die israelische Politik mit Lagern, Gas und Endlösung assoziierten, geliefert. Phantasierten während des Libanon-Kriegs taz und Arbeiterkampf von der „Endlösung der Palästinenserfrage“, so fabulieren heute SZ und die österreichische Neue Kronen-Zeitung vom „totalen Krieg“ (2.4.2002) Israels gegen die Palästinenser und der Osservatore Romano des Vatikans von der „Vernichtung des Heiligen Landes“ (5.4.2002). Norbert Blüm schließlich, der „Herz-Jesu-Sozialist“ der alten BRD, bezeichnet gegenüber Israels Botschafter Shimon Stein die verzweifelte Polizeiaktion Israels gegen die operative Basis rivalisierender Milizen namens „Autonomiegebiete“ als „hemmungslosen Vernichtungskrieg“. Als ob ein Vernichtungskrieg nicht vielmehr aus diesem Gangland gegen Israel geführt würde; aus einem Gebiet, in dem die Staatsbande „Al-Fatah“ Selbstmordattentäter ausbildet, besoldet und die Angehörigen berenten läßt, in dem die sogenannten Sicherheitskräfte eigenhändig den Transfer dieser Attentäter „hinter israelische Linien“ besorgen (FAZ, 30.3.2002), während die Richter nach „palästinensischem Recht“ Judenmord nicht als Straftatbestand anerkennen (FAZ, 4.12.2001).

Unschuld contra Verderbtheit

Die in der europäischen Propaganda allgegenwärtige Konstruktion, daß Israel und die Juden eigentlich die Nazis von heute darstellen, ist dabei nicht allein nur der nachträglichen Legitimation des bereits vollzogenen Judenmordes geschuldet, sondern bereitet ebenso aktuellem wie künftigem Morden den Weg. Weil es einer der Grundzüge des Antisemitismus ist, sich als berechtigte Notwehr gegen die Juden zu empfinden, kann er auch nicht innehalten. So finden sich alle Figuren des klassischen Antisemitismus in seiner neuesten, monströsen Notwehr-Konstruktion, die zusammen den „Nah-Ost“-Konflikt in seiner medialen Aufbereitung als auch politischen Instrumentalisierung ergibt, aufgehoben – und jeder, der die „Elemente des Antisemitismus“ gelesen hat, müßte sie leicht als solche erkennen, „die völkischen Phantasien jüdischer Verbrechen, der Kindermorde und sadistischen Exzesse, der Volksvergiftung und internationalen Verschwörung (,die) genau den antisemitischen Wunschtraum (definieren)“(1): Die Juden als Synonym der Überwältigung der vormodernen Unschuld durch die technologisch-zivilisatorische Verderbtheit; Macht und Geld contra Tradition und Gemeinschaft; Panzer gegen Kinder, Soldaten gegen Priester, Wasserdiebe gegen Kleinbauern.

Diese Bildersprache, die mit zutiefst archaisch-regressivem seelischen Material arbeitet, bestimmt die „europäische“ Sicht, die genau darin mit der ihrer palästinensischen Schützlinge übereinstimmt, die glauben, von den Juden durch Giftgas unfruchtbar gemacht zu werden, die glauben, daß Juden das Blut von Arabern trinken, die glauben, daß Juden heroinbestrichene Briefmarken verteilen, die eigentlich alles glauben, was die Register der Psychopathologie zu bieten haben (2). So wird denn auch der Mord an Juden, sowohl in der Phantasie deutscher Friedensfreunde als auch im arabischen Schulbuch, zur Notwehr gegen die Massaker, die Juden angerichtet hätten, wäre ihnen nicht der Antisemit in den Arm gefallen. Besser als ein nach eigenem Bekunden palästinensischer Randalierer es auf einer BAHAMAS-Veranstaltung formulierte, hätte weder die Libération noch die National-Zeitung, weder La Repubblica noch junge Welt formulieren können: „Die jüdischen Faschisten wollen über nichts als Auschwitz reden“. Genau deswegen befindet sich Europa im kalten Krieg mit Israel.

Dieser „kalte Krieg“ ist die konsequente Fortsetzung des Jugoslawienkrieges, der, so wie die öffentliche Aufbereitung Jugoslawiens gestrickt war, zum unmittelbaren Vorlauf der heutigen antiisraelischen Aggression zählt. Diese Aggression kann zum tatsächlichen Krieg sich noch nicht aufschwingen, die Marschrichtung aber, die im ersten Fall schließlich auf die Verstümmelung und Delegitimation Jugoslawiens hinauslief, ist die gleiche.

„Damit aber die deutsche Unschuld wieder unbefangen verfolgen kann, muß sie erst glaubwürdig wiederhergestellt werden: Dazu müssen die ehemaligen Opfer des ersten deutschen Gewissenskrieges, der ja auch nicht um den schnöden Mammon, sondern für eine Erlösung der Welt durch Opferung des Bösen geführt wurde, heute die Täter sein“, also das tun, was man selber tat. „Da man Israel sich als materiellen Kriegsgegner und Schurkenstaat – ein ideeller war es bereits die ganzen letzten 50 Jahre – verkneifen muß, hält man sich an Jugoslawien bzw. Serbien schadlos. Es hat sozusagen als Projektionsfläche des neuen Deutschlands vom alten Deutschland herzuhalten, mit dem dieses neue Deutschland aber gerade in der Projektivität, in der untrennbaren Einheit von Wahn und Staatsraison, innige Seelenverwandschaft pflegt.“ Die, mit denen wir demonstriert hatten, als diese Zeilen in der BAHAMAS 30 (S.25) erschienen, bewegte allerdings alles andere als der Kampf gegen den deutschen Antisemitismus, der sich zum postmodernen Antifaschismus gemausert hatte und sich doch deutlich durch seine Projektionen verriet. Denn nicht gegen Deutschland und seine Freunde – vorzugsweise islamisierte Völkerschaften, die bloße Großrackets, bewaffnete Banden vorstellen, die außer Terror und Identität nichts zu bieten haben – ging es ihnen; sondern mit dem besseren Deutschland gegen den westlichen Imperialismus wollten sie zu Felde ziehen.

Die Gelegenheit haben sie jetzt reichlich: Je weiter Deutschland und mit ihm Kontinentaleuropa seinen eigenen Imperialismus pflegt, der vom Antiimperialismus nicht mehr zu unterscheiden ist, weil er nichts gewinnen, sondern zerstören will, d.h. einer archaisch-pathologischen Krisenlösungsstrategie verhaftet ist, desto willfähriger fordert seine linke und liberale Öffentlichkeit das, was offen auszusprechen dem Establishment immer noch zu heikel erscheint. Die Stimmung gegen Israel übertrifft dabei noch die gegen Serbien, weil in ihr alle Strömungen des deutschen Antiimperialismus zusammenkommen, die pazifistisch-betroffenen, die multikulturell-„antirassistischen“, die links- oder rechtsdrehenden nationalrevolutionären: Nach einer von der Welt in Auftrag gegebenen emnid-Untersuchung halten 73% der Deutschen Israels Vorgehen für ungerechtfertigt und Sharon für den Auslöser der „Krise“ (Welt, 5.4.2002). Wer angesichts dessen von einer „pro-israelischen“ Öffentlichkeit schwafelt, dem kann es nur um die Zerstörung Israels gehen.

Die Produktion lebender Bomben

Nicht, daß die EU und die UN, die beiden Zentralausschüsse des völkisch-neidhammeligen Antiimperialismus, dies nicht auch wollten; allein, sie müssen über das, was sie praktisch betreiben, – noch – durch die Blume sprechen. Da beschwert sich ein Kofi Annan bereits Wochen vor Beginn der „Operation Schutzwall“ öffentlich über die „unbeschränkte, konventionelle Kriegsführung“ Israels gegen die Palästinenser (Welt, 20.3.2002). Daß die keineswegs „unbeschränkte“ Kriegsführung Israels elementarste Polizeifunktionen wahrnehmen muß und dies einen hilflosen Versuch darstellt, die komplett schranken- und hemmungslose Kriegsführung der Palästinenser-Gangs gegen alles, was ihnen Jude heißt, einzudämmen und abzuschrecken, darüber schweigt des Vorsitzenden Höflichkeit. Nicht nur, daß Annan sich noch einmal die Schand-Resolution 3379 vom 10.9.1975, in der „Zionismus“ als „Rassismus“ gebrandmarkt wird, die eigentlich am 16.12.1991 – und damit als einzige jemals – von der Vollversammlung außer Kraft gesetzt wurde, in Durban aufs neue bestätigen ließ, zeigt welches schmutzige Spiel er und die UN treiben. Das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) beispielsweise registriert immer noch Flüchtlinge aus Palästina, obwohl seit 54 Jahren kein neuer Flüchtling aus dem heutigen Staatsgebiet Israels dazugekommen ist. Dennoch ist die Zahl der „Flüchtlinge“ von ursprünglich zwischen 538.000 nach israelischen und 850.000 nach palästinensischen Quellen auf stattliche 4 Millionen heute angewachsen. Flüchtling ist – im klaren Verstoß gegen die sonstige Definition der UNRWA von Flüchtlingen – jeder Nachkomme dieser ursprünglichen Flüchtlinge, selbst wenn er zwischenzeitlich beispielsweise die jordanische Staatsbürgerschaft erlangt hat.(3) Hält die Bevölkerungsentwicklung in den palästinensischen Autonomiegebieten an – und das wird sie, dafür sorgt die Übereinkunft zwischen islamischer Sexualmoral und dem nationalen Appell, Kinder als künftige Soldaten gegen Israel zu zeugen, wie es die EU-finanzierte „Stimme Palästinas“ täglich fordert –, dann wird es wohl in einem Jahrzehnt weit über 4 Millionen Flüchtlinge geben, die das Land, aus dem sie geflohen sein sollen, noch nie betreten haben. Was sich aus Fernsehen und Radio über die von ihren Eltern und deren Führern schon bei Geburt zum Tode bestimmten Kinder ergießt, klingt so: „‚Folgt mir ins Paradies‘ quäckt eine kitschige Kinderstimme“ – mehrfach täglich – „zu den Bildern des“ – nach aller Wahrscheinlichkeit von eigenen Marodeuren – „am 30.9.2000 erschossenen 12-jährigen Mohammad-al-Dura“. Das Musik-Programm sieht wie folgt aus: „Ein anderer Spot zeigt einen palästinensischen Sänger: ‚Die Zeit für Spielzeuge ist vorbei‘, singt er schmalzig, und die Kamera zeigt Bilder von Kindern, denen die Puppen und Spielzeuge aus der Hand fallen. Stattdessen greifen sie zu Steinen und rennen auf israelische Armeeposten zu (...) der Sänger flüstert ermutigend: ‚Fürchte Dich nicht vor dem Tod, Märtyrertum ist süß‘.“ (Tagesspiegel, 21.8.2001) Die Konditionierung auf den Tod funktioniert: „Kinder spielen auf den Straßen ‚Märtyrer‘, Aufdrucke mit den Konterfeis der Attentäter zieren T-Shirts und Schlüsselanhänger.“ (Welt, 16.4.2002)

Daß diese „Flüchtlings“-Kinder obendrein in „Lagern“ leben, verdanken sie weniger den Israelis, sondern eben den arabischen Brudernationen, die jegliche Repatriierung der Flüchtlinge, ja sogar die in Aussicht dafür gestellten Finanzhilfen seit 1949 ablehnten und statt dessen die Araber, die das Staatsgebiet Israels verlassen hatten, in Grenznähe zusammenpferchten; eine Tradition, die Arafats Schergen mit deren Nachkommen bis zum heutigen Tage fortsetzen. Daß die entsprechenden Grenzregionen hauptsächlich Jordaniens nach dem Angriff desselben auf Israel nach internationalem Recht 1967 legitimerweise besetzt wurden, paßt in das wahrhaft diabolische Konzept: Die arabische Liga und die palästinensische Führung haben mit voller Absicht Millionen von vorneherein verlorener Existenzen gezüchtet, die nur auf Antisemitismus gedrillt sind, lebende Bomben, die seit 1967 auch noch unter israelische Besatzung gekommen sind. Und das nicht nur in Gaza und im Westjordanland, sondern auch an der israelischen Nordgrenze; Syrien, das einst im Libanonkrieg Palästinenser zu Abertausenden massakrierte, läßt die Kinder derer, die den syrischen Flächenbombardements entgingen, heute einen stellvertretenden „Zermürbungskrieg“ gegen Israel führen: Syrische Truppen ziehen sich aus dem Grenzgebiet zu Libanon und Israel zurück, überlassen „zielsichere Raketen iranischer Produktion“ (Welt, 17.4.2002) der Hisbollah; diese schickt sowohl Bewohner der Flüchtlingslager auf never-come-back-Mordmissionen „gegen israelische Farmen, Dörfer und Grenzposten“ (Welt, 8.4.2002), während sie diese zugleich einem Dauerbombardement aus dem Libanon heraus unterzieht.

Daß Herr Annan Israel drängt, das Friedensangebot der arabischen Liga, wie sie es bei ihrer letzten Konferenz in Beirut verabschiedet hat, anzunehmen, wundert nicht; genausowenig, daß die EU in dieselbe Kerbe schlug: Unter beifälligen Grinsen des applausumtosten Saddam Hussein, dessen Irak sich heute noch im offiziellen Kriegszustand mit Israel befindet (seit dem Invasionsversuch 1948), wurde dem ursprünglichen „Abdallah“-Plan, der eine äußerst „zweifelhafte Normalisierung“ gegenüber Israel in Aussicht stellte, nämlich noch das „Rückkehrrecht für alle Flüchtlinge“ beigefügt; eine monströse Forderung nach der Vernichtung Israels, die nicht einmal die UN der 60er Jahre dem Land zumuten wollten, die damals immerhin anerkannten, daß Israel entschädigungslos zwischen 600.000 und einer Million aus den Angreiferstaaten von 1948 geflohener Juden aufnahm.

Da können die Solanas, Pattens und Prodis heutzutage doch erheblich freier von der Leber weg sprechen. Nicht ganz so offenherzig wie Lamers oder Möllemann: Hört jener ausgerechnet durch Joschka Fischer „die Israelis sprechen“ (Tagesspiegel, 6.4.2002), so identifiziert dieser im typischen Wahrheitsdrang des Paranoikers gleich palästinensische Selbstmordattentäter mit deutschen Fallschirmspringern (taz, 4.4.2002). Aber aus den Zentralen der Macht klingt es nur wenig moderater. Ein wutentbrannter Solana schnauft in die Fernsehkameras der ARD, daß es Israel „noch leid tun würde“, ihn nicht zu seinem Terrorzögling Arafat durchgelassen zu haben, und droht gemeinsam mit Schröder mit „Bundeswehrsoldaten“ im „Rahmen eines UNO-Mandats“ (Zeit 16/2002). Kurz zuvor hatte die EU-Kommission entschieden, die Finanzhilfe für die Palästinensische Autonomiebehörde von 10 Millionen Euro monatlich weiterlaufen zu lassen, obwohl Israel am selben Tag Dokumente aus Arafats Hauptquartier vorlegte, die bewiesen, was ohnehin klar war: Daß diese Behörde die Spesen- und Sprengstoffrechnungen der Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden bezahlt, was wiederum war nur auf dem keineswegs israelfreundlichen US-amerikanischen Fernsehsender CNN zu sehen war. Und nicht nur Dokumente tauchten auf: Israel fand auf dem Gelände zwei „Lastwagenladungen von SAM-7-Luftabwehrraketen und 200 LAW Anti-Panzer-Raketen“, deren Besitz nach dem Oslo-Vertrag verboten und deren Existenz immer abgestritten wurde (Washington Post, 3.4.2002) .

In Europa debattiert man indessen munter – auf abwechselnd spanische, belgische oder dänische Initiative – immer weiter über einen EU-Boykott gegen Israel, dessen Abriegelung der Palästinensergebiete laut EU-Außenkommissar Chris Patten nach echt antisemitischer Verkehrungslogik schuld sein soll an der dort herrschenden „Gewalt“ (Welt, 3.4.2002) – und nicht etwa umgekehrt. Nein, man sei keineswegs parteiisch, betont Romano Prodi, obwohl die EU der größte Sponsor eines Gebildes ist, das durch nichts als Terror gegeneinander, kanalisiert im antisemitischen Terror gegen Israel, zusammengehalten wird: 179 Millionen Euro pro Jahr zahlte die EU in den letzten sechs Jahren an die Palästinensische Autonomiebehörde (Welt, 4.4.2002). Nein, parteilich ist man in Brüssel nicht. Prodi: „Wir unterscheiden nicht zwischen Palästinensern und Israelis. Alle Gewalttaten sind gleich abscheulich.“ (ebda.) Die Verhaftung von Terroristen und Mördern, die ohne jede Veranlassung Heckenschützen auf Autofahrer und lebende Bomben auf Einkaufszentren loslassen, ist dem Europäer diesen Mordtaten gleich; das Töten von Juden um einer „Heimat“ willen, die den Mörder so wenig interessiert, daß sie ihm nur den Schauplatz seines Todes abgibt, gilt Herrn Prodi gleich dem verzweifelten Versuch Israels, solches in Zukunft zu verhindern: Arafat würde als Mitglied der EU-Kommission allein durch seine Kleidung, aber nicht durch seine Statements auffallen.

Von Racak nach Jenin

Denn auch die EU ist eine Meisterin des abgekarteten Spiels, wie es die Palästinenser seit Oslo demonstrieren: Immer wieder profiliert sich ein weiser Friedensonkel – hier Arafat, dort Fischer – gegen die „Radikalen“, der doch nur erntet, was diese zu seinem Frommen gesät haben. Insistierte vor Wochen bereits Dänemark darauf, Sharon vor ein europäisches Tribunal zu bringen, so ist es auch der dänische UN-Sonder-Gesandte Roed-Larsen, der in Jenin die Auschwitzkarte spielt, und von einem „Schrecken, der das Verständnis übersteigt“ (Welt, 19.4.2002) spricht und die palästinensische Propaganda von „Hunderten von Toten“ durch bewußt unklare Formulierungen stützt. Selbstverständlich weiß er, daß er lügt: Ein italienischer Journalist hatte wegen des nahezu fehlenden Verwesungsgeruchs bereits Tage vorher die Angaben der israelischen Armee von einigen „Dutzend“ getöteter Kämpfer gestützt (Welt, 15.4.2002), eine Schätzung, die von französischen Beobachtern – u.a. Bernard-Henri Levi, der im ehemaligen Jugoslawien nie um einen „Völkermord“ verlegen war – bestätigt wird: „Wahnsinnsworte wie Massaker sind hier unangebracht“ (Welt, 20.4.2002). Die meisten Gebäudezerstörungen gehen darauf zurück, daß die Häuser „von Bewaffneten in Sprengfallen“ für die Israelis verwandelt wurden. Diese Form des tatsächlichen totalen Krieges, den die palästinensischen Milizen gegen ihre eigenen Behausungen, gegen ihre eigenen Kinder praktizierten, kostete – ziemlich massakerunüblich – 23 israelische Soldaten das Leben. Selbstverständlich wissen das Roed-Larsen, die EU-Kommission, Kofi Annan; allein, nicht einmal die schweren antisemitischen Ausschreitungen in Dänemark rund um das Länderspiel gegen Israel am 17.4.2002, denen durch die Massaker-Lüge Vorschub geleistet wurde, vermochten die Damen und Herren in ihrem Treiben zu irritieren.

Gegen derlei Greuelpropaganda kann Fischer sich immer wieder als moderater Gegner von Sanktionen gegen Israel profilieren, um dann mit „Friedens“-Vorschlägen wahrhaft kosovarischer Dimension herauszukommen, die die deutsche Mission, sich als antifaschistische Patronatsmacht gegen den jüdischen Staat aufzuspielen, komplettieren durch die Delegitimation Israels als Schurkenstaat, der unter UN-Kontrolle gehalten werden müsse – eines der wichtigsten Etappenziele des palästinensischen Kampfes zur Vertreibung der Juden durch Traumatisierung und Zermürbung wäre damit erreicht: „Internationale Schutztruppen als dritte Partei sind wünschenswert“, soufliert Nabil Schaath, Minister für internationale Zusammenarbeit, seinem Partner Fischer zu Berlin (Tagesspiegel, 19.4.2002). Im Außenministerium wiederum scheut man sich nicht, folgendes zu Protokoll zu geben: „Da Israel und Palästina allein keinen Ausweg finden, soll sich als dritte Partei eine Art Kontaktgruppe“ unter Führung des UN-Generalsekretärs „nach dem Vorbild der Balkan-Befriedung einschalten“ (Tagesspiegel, 9.4.2002, Hvbg.: U.K.). Wahrhaft ist die antiisraelische, propalästinensische Kampagne ein Duplikat der langwierigen aber zäh verfolgten Jugoslawienhetze vergangener Jahre, dabei aber doch das verspätete Original jener Hetze. Was Jugoslawien bereits geschah, steht Israel bevor, wenn die USA es nicht verhindern: Erst die Dämonisierung des Versuchs sich des von den Europäern hochgepeppelten Ethno-Bandenterrors zu erwehren, wobei Jenin durchaus die dubiose, aber nützliche Rolle Racaks bekommen kann, dann der internationale Eingriff, der dem Opfer des Terrors die Möglichkeiten zur Gegenwehr aus der Hand nimmt, und dann die von der passiven Mandatarmacht (unter UN-Kontrolle und deutschem Däumchendrehen) stillschweigend geduldete ethnische Säuberung und Judenvertreibung aus dem abgetrennten Territorium bei gleichzeitiger, quasi-offizieller Hochrüstung des Terrorstaates: Dem erzwungenen Rückzug Israels „unter Feuer“ auf die heutzutage kaum mehr zu verteidigenden exakten Grenzen des Jahres 1967 stünde ein Palästinenser-Staat gegenüber, der dann auch offiziell schwere Waffen kaufen dürfte. Kein Nasser war Israel je so gefährlich wie Fischer, dessen Plan schon praktische Konturen zeigt: Zeitgleich zu einem neuerlichen Selbstmordattentat in Haifa, wird ein deutsches „Waffenembargo“ gegen Israel ruchbar (Financial Times, 9.4.2002), welches speziell Panzerersatzteile betrifft – eine gezielte Schwächung der Waffengattung, mit der Israel sich gegen den flexiblen Terror zur Wehr zu setzen gezwungen ist; kurz darauf fordert das EU-Parlament die Aussetzung der Zollfreiheit, die israelische Importe in die EU genießen (Welt, 12.4.2002).

Wie befreit bricht es aus den Repräsentanten Europas und ihrer globalisierungskritischen Erfüllungsgehilfen hervor, genau in dem Maße, wie gerade die linksgerichteten Eliten Frankreichs und Italiens den Antisemitismus wiederentdeckten und Deutschland lieben lernten: Hoch im Kurs stehen Gemeinwohl, Sozialpartnerschaft und Heidegger. Sie alle – vom Philosophen Baudrillard bis zum Oppositionsführer Veltroni – haben das Ersatzobjekt Jugoslawien endlich eintauschen können gegen das historische Objekt ihrer Begierde: Israel steht an der ideologischen Stelle, an der einst das „Weltjudentum“ stand, und wird zugleich jener Singularität beraubt, durch das es, wie Jugoslawien in einem gewissen, abgeschwächten Sinne auch, an die letzte globalisierungskritische Krisenlösung, die nazistische Kombination aus europäischer Gemeinschaft und Judenvernichtung, erinnert. Der unwürdige Stalinistengreis Fritz Teppich, den der Tagesspiegel allen Ernstes als Vertreter der „Berliner Juden“ anführt, vergleicht „Selbstmordattentäter mit jüdischen Kämpfern im Warschauer Getto“ (9.4.2002), während in Frankreich der 68er Slogan: „Wir sind alle deutsche Juden“ zeitgemäß zur Demo-Parole „Wir sind alle Palästinenser“ mutiert, die die Libération als Schlagzeile übernimmt (3.4.2002). Und tatsächlich eint genau diese Parole den „Front National“ mit den maghrebinischen Jung-Antisemiten, die Brüsseler Deregulierer mit den autoritär-völkischen Globalisierungsgegnern von „attac“, den Papst mit dem islamischen Freitagsprediger. Alle sind sie Palästinenser, viel mehr noch als sie vor Jahren sogenannte „Kosovaren“ waren. Und das nicht nur, weil sie in den Palästinensern ideale Bauchredner gefunden haben, die an der Holocaust-Gedenkstätte am Berliner Wittenbergplatz herumpöbeln und statt ihrer eine für von „Juden begangene Verbrechen“ fordern (SFB-Abendschau, 8.4.2002). Die palästinensischen Mordbanden sprechen nicht nur aus tiefster deutscher Seele, sie sind so deutsch, wie es sich die Deutschen mitsamt ihrer offenen Verbündeten und heimlichen Bewunderer zuletzt im II.Weltkrieg zu sein gestatteten. Jagte schon die UCK einer Beute nach, die sich tatsächlich in Wegerechten und -zöllen eines modernen Raubrittertums erschöpfte, und gerade weil dem so ist, es nicht unter „Groß-Albanien“ bewenden lassen kann, so ging es wenigstens noch um Beute, bestand sie auch nur im spärlichen Hab und Gut des Nachbarn. Der Kampf der Palästinenser aber ist nur noch und wahrhaft idealistisch – und damit dem von Europa propagierten „Gewissenskrieg“ (Habermas) so zutiefst ähnlich.

Palästinenser sind sie alle, weil sie sich wie Gangster aufführen, die sich um die Beute nicht kümmern; die sich aus Prinzip und nicht um des Erwerbsstrebens willen mehr in Gangs und Rackets zusammenrotten. Diese Zusammenrottung, wie sie das Westjordanland heute beherrscht, lebt buchstäblich allein von der Zugehörigkeit zur Volks-Bande, die von der EU und den christlichen Kirchen ausgehalten wird und die nur im Vernichtungswillen gegen das Abweichende oder abweichend Gemachte ihren Daseinsgrund hat – Handel und Warenverkehr mit dem benachbarten Israel werden bewußt unmöglich gemacht; zur Abschreckung wie zur „Kindererziehung“ schlachtet man obendrein ständig „Kollaborateure“ viehisch dahin, hunderte Male zuvor so wie in Hebron am 23.4.2002: „Der erste Körper hing verkehrt herum (...) war mit Draht an dem Strommast befestigt, sein rechtes Bein stand in einem obszönen Winkel ab. Der zweite Körper war unendlich viel schlimmer zugerichtet, eine Metzgerarbeit (...) der fast nackte Torso zerrissen von Stichwunden. Zehn oder zwölf Jahre alte Palästinenser stachen in die Wunden und jaulten dabei vor Freude. Sein Kopf war vom Rest des Körpers fast abgetrennt (...) das Gesicht immer noch verzerrt vor Entsetzen (...) ‚Das ist eine Lektion für alle. Jeder sollte dies hier sehen’“, bemerkte „ein beleibter Mann mittleren Alters mit einem großen braunen Bart“ (Welt, 24.4.2002). Da nur die Bandenchefs, allen voran Arafat und seine Hofschranzen, tatsächlich von der europäischen Terrorrendite profitieren, schlägt die verständliche Unlust des Fußvolks, auf Gedeih und Verderb der Bande anzugehören, obwohl man sich davon nichts Nennenswertes mehr noch versprechen kann, in Todessehnsucht um, die die verhaßte Außenwelt, Juden, Amerikaner, Verräter, unmoralisch Lebende etc. mit ins Verderben reißen will.

Morbidität und Psychose

Das macht das „Faszinosum“ Palästina aus, wie Jenninger auf den NS hin formulierte. Zusammengeschlossen ohnehin nur in paramilitärischen Verbänden, exerziert es ein Katastrophenmodell vor, welches auf das an seinem eigenen kapitalistischen Antikapitalismus erstickende Deutschland, aber nicht minder auf andere EU-Mitglieder so enorm anziehend wirkt. Daß der große Potlatsch sich in den Metropolen noch verbietet, nämlich die Opferung der Überflüssigen durch die Überdrüssigen, wie ihn die beiden deutschen Weltkriege leisteten, in denen zynische alte Männer die todeswütige Jugend ins Blutbad schickten, ist der Grund, warum gerade das offenkundig unendlich Destruktive am Kampf der Palästinenser so identifikationsfördernd wirkt. Gerade, weil sie keinen Staat Palästina wollen, sondern nur die Juden ins Meer treiben, weil sie keinen Alltag, sondern den permanenten Ausnahmezustand suchen, sind sie das perverse Lebenselixier der bösartigen alten Welt. Der stets schwärmerisch und ethisch auftretende Nihilismus, die Gleichgültigkeit gegen alles in diesem Leben Mögliche und Bestehende, der Kampf also um etwas, was einen längst nicht mehr interessiert, nenne es sich Palästina, Großalbanien oder Großdeutschland, die „idealistische“ Mischung aus Gangstertum und Millenarismus läßt die bösen Greise allenthalben vor Mordlust erschauern und die ihnen unterworfene Jugend, die wenigstens im Untergang einmal der Welt des Genusses, für die israelische Teenager in ihren Augen stehen, ihren Stempel aufdrücken wollen, nach Tod und Vernichtung lechzen: Das ist das seelische Holz, aus dem schon immer – insbesondere deutsche – Helden geschnitzt wurden, solche, die narzißtische Selbsterhöhung der profanen Selbsterhaltung vorziehen.

Aus dieser Allianz von Morbidität und Psychose zieht Arafats Bandenterritorium seinen inneren Zusammenhalt; darin aber auch verwirklicht es die kollektiven Visionen seiner internationalen Bewunderer. Visionen wie sie das Film-Genre der post-apokalyptischen Science-Fiction à la Mad Max auf den Punkt bringt, in welchem auto- und waffenbewehrte Desperados ohne Erklärung, woher Autos, Benzin, Waffen etc. kommen, mit dem Töten beschäftigt sind. Die zugleich Geängstigten wie Gelangweilten des zusammenbrechenden Etatismus sehnen sich nach dem Inferno des technisierten Naturzustandes – wie des Führers Ehefrau Suha al-Taweel Arafat, die sich zwar aus Gaza nach Paris zurückzog, aber „keine größere Ehre“ kennen würde, als einen Sohn „für Palästina zu opfern“ (Welt, 16.4.2002). Was man Palästina nennt, ist mehr noch als das Kosovo ein solches Mad Max-Land. Nicht im Kino, sondern als Konsequenz des Osloer Abkommens spielt sich am 1. Juli 1994 an der Grenze zu Israel jenes Szenario ab, das der Augenzeuge Michael Kelly so beschreibt:

„Arafats Einmarsch in Gaza war eine Schaustellung brutaler Macht. Er kam aus dem Sinai in einer langen Karavane von Mercedessen und BMW, 70 oder 80 Wagen bis ans Dach vollgepackt mit gunmen. Die Karawane donnerte die menschengefüllten Straßen herunter, während die übergewichtigen, lederbejackten und Sonnenbrillen tragenden Schränke von Arafats Leibwache ununterbrochen schrien und aus den Kalaschnikovs feuerten, um ihr geliebtes Volk aus dem Weg des von ihnen geliebten Führers zu räumen.“ (news­week.com. /opinions/a pretense of peace, 4.4.2002) Bis zum heutigen Tage brachte der „geliebte Führer“ trotz immenser Subvention nicht einmal die Organisation einer Müllabfuhr zustande, von anderen spielend finanzierbaren Mindeststandards völlig abgesehen – solcherlei überläßt man den europäischen Verbündeten oder den vorzugsweise islamischen (aber auch christlichen) Institutionen mit ihrer typischen Kombination aus Almosen und Judenhaß. Vier Dinge waren es, auf die der Arafat-Clan sich konzentrierte: Verhaftung und Hinrichtung potentieller Oppositioneller, die Etablierung pausenloser antisemitischer Hetze via Radio und TV, die Bewaffnung aller nur möglichen Milizen, Untermilizen und sonstigen Banden und schließlich die Requirierung opulenter Villen mit Seeblick für die Führung. Wen wundert es, daß 5 Jahre des sogenannten Oslo-Friedensprozesses mehr Israelis das Leben kosteten als die 15 Jahre vor der Übernahme der besetzten Gebiete durch den Friedensnobelpreisträger Arafat?

Neben der saudischen, iranischen und irakischen Unterstützung für „Mär­ty­rer“familien und Institutionen, die solche „shahids“ produzieren, ist es in erster Linie die staatliche und halbstaatliche europäische Hilfe, die dafür sorgt, daß dieser Alptraum immer weitergeht. Der Alb aber ist deswegen so zwingend, weil er so unnötig ist. Israel bietet und bot einen Staat, Wirtschaftshilfe, ökonomische Beziehungen, der europäisch-islamische Antisemitismus bietet den Millionen verlorener Seelen nur Mord und Tod. Alles spricht dafür, daß diese weiterhin die zweite Option wählen. Das einzige Fünkchen Hoffnung besteht nur darin, daß Antisemitismus zwar mit gesellschaftlicher Naturnotwendigkeit entsteht, es dennoch aber keinen anthropologischen Zwang gibt, Antisemit zu werden. Nur das denkbar unwahrscheinlich gute Ende für Israel verhieße auch ein gutes Ende für die auf ein „Sein zum Tode“ gezüchteten jungen Palästinenser; dann nämlich, wenn sie sich endlich weigerten, sich von den bösen Alten, von den Arafats, den Mullahs, vom Papst, von den Husseins und den europäischen Außenministern opfern zu lassen; wenn sie endlich die Herrschaft der Kindersoldatenrekrutierer und Sprengstoffgürtelverteiler brächen, wenn sie endlich darauf bestünden, keine Bestien mehr sein zu wollen. Bis dahin aber kann es für Antifaschisten nur eine Forderung geben: Solidarität mit den israelischen Streitkräften!

Uli Krug (Bahamas 38 / 2002)

Anmerkungen:

  1.  Adorno, T.W./ Horkheimer, M.: Dialektik der Aufklärung, Frankfurt 1989, 195
  2.  Vgl.: v.d. Osten-Sacken, T./ Uwer, T.: Der arabische Antisemitismus, in: Konkret-Texte 29: Hat Israel noch eine Chance?, Hamburg 2001. Aufschlußreiches findet sich bei MIDDLE EAST MEDIA RESEARCH INSTITUTE, das u.a. politische Texte aus dem Arabischen übersetzt, unter www.memri.de
  3.  Vgl.: Peretz, D.: Palestinians, Refugees and the Middle East Peace Process, Washington 1993

SPALTE3-AKTUELL-RUBRIK

SPALTE3-AKTUELL-DATUM


SPALTE3-AKTUELL-TITEL


SPALTE3-AKTUELL-TEXT

Frühere Aktivitäten sind im Aktuell-Archiv aufgeführt. Dort gibt es auch einige Audio-Aufnahmen.


Zum Aktuell-Archiv

Alle bisher erschienenen Ausgaben der Bahamas finden Sie im Heft-Archiv jeweils mit Inhaltsverzeichnis, Editorial und drei online lesbaren Artikeln.


Zum Heft-Archiv

Reprint Band 2

A1 Plakat

Für Israel

gegen die postkoloniale

Konterrevolution

Zum Shop

Reprint Bände

Reprint Bände

Nachdruck von

jeweils 10 Heften

Zum Shop

Buch von Justus Wertmüller

Verschwörungen

gegen das

Türkentum

218 Seiten, 15 €

Zum Shop

Bahamas Stofftasche 38 x 40 cm

Stofftasche

38 x 40 cm

Zum Shop

Ansteckbutton 25 mm

Ansteckbutton

25 mm

Zum Shop