Wenige Tage nach Obamas Wahl ist in der Bahamas Nr. 56 der möglicherweise einzige Artikel im deutschen Sprachraum erschienen, in dem kein gutes Haar am neuen Präsidenten gelassen wurde – vielmehr vor dem zweiten Jimmy Carter gewarnt wurde. Die Warnungen waren von Uli Krug, und seither hat die Bahamas zu Obama geschwiegen. Schon Krug hatte seine schwarze Bilanz über den designierten Präsidenten durch die Hoffnung ein wenig aufgehellt, dass sich in den USA nicht konsensual durchsetzen werde, wofür ein Obama, wenn es denn nach ihm ginge, einsteht. Im Zusammenhang mit dem Friedensnobelpreis für Obama ist die Redaktion kurz auf den Gedanken verfallen, unter Verwendung eines Roman-Titels von Philip Roth, dieses Heft mit dem Titel „Verschwörung gegen Amerika“ erscheinen zu lassen. Die seltsamen Wandlungen des amerikanischen Präsidenten und sein in so kurzer Zeit hinweggeschmolzenes Charisma gibt inzwischen Grund zur Hoffnung auf ein selbstbewussteres Amerika, als es jenen lieb sein kann, die es durch die Verleihung des Friedensnobelpreises an einen, der zum inneren Unfrieden seines Landes so manches beigetragen hat, demütigen wollten. Die Redaktion hat sich deshalb für ein Fragezeigen entschieden, mit dem sie die verschwörerischen Vorsätze eines Obama bekräftigt, ohne zu verhehlen, dass er schon jetzt so sehr gescheitert ist, dass er, einem Jimmy Carter nicht unähnlich, als verkappter Republikaner, dem man zurecht nie mehr geglaubt hat, in die Geschichte eingehen könnte. Verschwörungen finden im Dunklen statt, sie machen sich durchs Hörensagen und das Gerücht bemerkbar und gründen auf geheimer Zusammenarbeit. Das trifft auf Obama und seine Weggefährten und Verehrer natürlich so nicht zu. Ihr Werk vollzieht sich nach einem Zuruf-Prinzip öffentlich, sie verständigen sich durch Andeutungen, symbolische Gesten oder ideologisch einschlägig besetzte Wörter und vertrauen auf einen gesellschaftlichen Resonanzboden, der lange vor ihnen bereitet worden ist.
An einige Schrecknisse aus einem Jahr Obama sei erinnert, die wie Verschwörungen gegen Amerika anmuten. Michelle Obama, deren unsittliche Berührung einer wehrlosen alten Dame vor laufenden Kameras ihr ewig als Schande angerechnet werden wird, hat zu Anfang der Präsidentschaft ihres Mannes endlich wieder Kultur ins Weiße Haus gebracht, wie das deutsche Feuilleton frohlockte, und Jazzmusiker aufspielen lassen. Im Zentrum stand neben auch weißen Jazz-Musikstudenten und einem kubanischen Klarinettisten der schwarze Trompeter Wynton Marsalis und seine Familie. Solchermaßen wurde von der ganz schwarzen Frau eines ziemlich schwarzen Präsidenten verraten, wofür Condoleezza Rice, gerade weil sie einer schwarzen Familie entstammt, stets vorbildlich eingetreten ist: Weil der Jazz und manche andere Formen der amerikanischen Unterhaltungsmusik mit schwarzen Musikern ganz oder weitgehend identifiziert werden, verbietet es sich – wenn man selber schwarzer Hautfarbe ist, einer Nation, die zurecht darauf stolz ist, aus einer Vielzahl von Nationen und Ethnien hervorgegangen zu sein, um diese miteinander zu einer neuen und besseren zu verschmelzen – als First Lady die Musik der eigenen Rasse aufspielen zu lassen. Condoleezza Rice dagegen, die eine hervorragende Pianistin ist, trat, auch als sie schon im Amt war, im kleinen Kreis öffentlich auf. Ein Bild zeigt sie mit einem Weißen und einem Mann mutmaßlich ostasiatischer Herkunft beim Vortrag eines Schubert-Trios.
Im Frühjahr wurde vom Präsidenten ein Bundesrichter-Posten neu besetzt. Ernannt hat er Sonia Sotomayor, der Anhänger der Republikaner vorwerfen, sie habe sich durch ihr gesellschaftliches Engagement und ihre richterliche Tätigkeit am Bundesberufungsgericht in New York als links der Mitte stehend profiliert und kämpfe derart emphatisch für Minderheiten, dass sie umgekehrt die weiße Mehrheit diskriminiere. 2002 hatte Sotomayor gesagt, sie hoffe, „dass eine weise Latina mit ihrer reichen Lebenserfahrung häufig zu einem besseren Urteil kommt als ein weißer Mann, der dieses Leben nicht gelebt hat“. Herkunft und Geschlecht, also Rasse und Instinkt, und nicht herausragende juristische Kenntnisse, ergänzt um absolute Neutralität, sind demnach die Qualitäten, die zu jenen besseren Urteilen führen, für die der Freispruch O. J. Simpsons exemplarisch steht. „Mein Leben verlief auf einzigartig amerikanische Weise“, sagte Sotomayor, die wahrscheinlich ihre Latina-Weisheiten heute genauso vergessen machen will wie ihr Förderer seinen Familienguru, den schwarzen Rassenhassprediger Jeremiah Wright.
Bald danach war es der schwarze Professor Henry Louis Gates Jr., der ebenfalls ganz rassifiziert Karriere gemacht hat, indem er ein Monumentalwerk über die afroamerikanische Literatur in den USA vorlegte, dessen öffentliche Selbstinszenierung als Willküropfer den Präsidenten dazu bewegt hat – ohne dass er den Hintergrund auch nur oberflächlich erforscht hätte – ihn öffentlich als Opfer eines rassistischen Übergriffs durch die Polizei darzustellen: ein Vorurteil, das in bestimmten Kreisen, denen Obama dem Milieu nach immer auch angehört hat, schon das Urteil über eine ganze Gesellschaft beinhaltet. Wochen danach mussten sich drei Männer, einer ziemlich schwarz und Präsident, einer sehr schwarz und Rasse-Anwalt, und einer weiß und Polizeibeamter, im Weißen Haus beim Biertrinken ablichten lassen. Es war das Bild der Versöhnung, das die Blamage Obamas dokumentiert.
Dazwischen erfolgte eine Rede in Kairo und danach zwei Paukenschläge, die den Präsidenten noch blasser dastehen ließen, als er es als politische lame duck schon geworden war. Im Herbst kam nach einem islamistisch inspirierten Massaker mit 13 toten amerikanischen Militärangehörigen das heraus: Dutzende amerikanischer Offiziere lauschten in verschiedenen Seminaren den offen djihadistischen Ausführungen des späteren Massenmörders Nidal Malik Hasan und haben ihn nicht, was ihre Pflicht gewesen wäre, wegen verschiedener Vergehen gegen die Moral der Truppe bis hin zum Hochverrat, bei den Militärbehörden angezeigt. Die Inlandsgeheimdienste sammelten wie weiland die Stasi hochbrisantes Material über den gleichen Nidal, ohne Alarm zu schlagen, als ob man wie in der untergehenden DDR nur archivierte, wovon man melancholisch wusste, dass es das Gedankengut der Bevölkerung in ihrer überwiegenden Mehrheit war, weshalb jedes Eingreifen sinnlos sei. Der amerikanische Präsident trat nach der Tat wie ein bedrängter Mufti auf, der seine Gemeinde vom Verdacht der Komplizenschaft reinwaschen will. Während Obama dem überlebenden Täter auf der Trauerfeier in Fort Hood die ganze Härte des Gesetzes androhte und ihm zugleich post mortem ein göttliches Strafgericht islamischen Ausmaßes prophezeite, stehen die USA nach der Tat von Fort Hood vor einem Desaster, das schlimmer als 9/11 ihnen vor Augen führt, dass der Feind nicht aus Hamburg-Harburg kommt, das jedenfalls draußen liegt, sondern mittendrin am Wirken ist. Denn zum Killer gesellen sich in der Armee zuallererst die unfreiwilligen Komplizen, die nicht mit dem Koran in der Tasche herumlaufen, aber gelernt haben, dass man jene, die mit diesem Machwerk Stimmung machen, nicht als Feinde der Freiheit brandmarken darf.
Nach dem Beinahe-Attentat von Detroit, zu dem Obama drei lange Tage nichts einfiel, erschien ein scheinbar ganz neuer Präsident, der plötzlich der Bekämpfung der Terror-Gefahr oberste Priorität einräumte wie vor ihm George W. Bush.
Es folgen einige Obama-Zitate – alle aus seiner Kairoer Rede – die bekräftigen, dass der Gedanke, mit diesem Präsidenten eine Verschwörung gegen Amerika zu verbinden, so abwegig nicht ist:
„Die Beziehungen zwischen dem Islam und dem Westen umfassen Jahrhunderte der Koexistenz und Kooperation, aber auch Konflikte und religiöse Kriege. In der jüngsten Vergangenheit wurden die Spannungen durch Kolonialismus genährt, der vielen Muslimen Rechte und Chancen versagte und einen Kalten Krieg, in dem mehrheitlich muslimische Länder zu oft als Stellvertreter benutzt wurden, ohne dass dabei Rücksicht auf ihre eigenen Bestrebungen genommen wurde.
Gewalttätige Extremisten haben diese Spannungen in einer kleinen, aber starken Minderheit der Muslime ausgenutzt. Die Anschläge vom 11. September 2001 und die fortgesetzten Bemühungen dieser Extremisten, Gewalt gegen Zivilisten zu verüben, hat einige in meinem Land dazu veranlasst, den Islam als zwangsläufig feindlich nicht nur gegenüber den Vereinigten Staaten und Ländern des Westens zu betrachten, sondern auch gegenüber den Menschenrechten. All das hat zu weiteren Ängsten und mehr Misstrauen geführt.
Ich bin Christ, aber mein Vater stammt aus einer kenianischen Familie, zu der Generationen von Muslimen gehören. Als Junge lebte ich mehrere Jahre in Indonesien und hörte bei Sonnenauf- und Sonnenuntergang den Ruf des Adhan.
Als junger Mann arbeitete ich in Gemeinden Chicagos, wo viele Menschen im muslimischen Glauben Würde und Frieden fanden.
Als Geschichtsstudent weiß ich auch um die Schuld der Zivilisation gegenüber dem Islam. Es war der Islam – an Orten wie der Kairo-Universität – der das Licht der Bildung über so viele Jahrhunderte getragen und den Weg für die europäische Renaissance und Aufklärung bereitet hat.
Der Islam ist nicht Teil des Problems bei der Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus – er ist ein wichtiger Teil der Förderung des Friedens.
Der Islam blickt auf eine stolze Tradition der Toleranz zurück.
Es ist genauso wichtig, dass westliche Länder aufhören, ihre muslimischen Bürger dabei zu behindern, ihre Religion auszuüben, wie sie möchten – beispielsweise, indem muslimischen Frauen vorgeschrieben wird, welche Kleidung sie zu tragen haben. Wir können Feindseligkeit gegenüber einer Religion nicht unter dem Deckmantel des Liberalismus verstecken.
Weit in der Vergangenheit und auch heute sind muslimische Gemeinschaften führend, wenn es um Innovationen und Bildung geht.“
Obamas Kairoer Thesen sind ein endloses Schuldregister der „weißen“ Zivilisation und des ebenfalls weißen Kolonialismus und feiern das Gute im Islam, oder einer schwarzen, oder lateinamerikanischen Community als Gegenentwurf zum Westen ab, ganz wie z.B. Henry Louis Gates Jr. es in seiner rassifizierten Literaturgeschichte tut. Man merkt diesen Thesen an, dass in ihnen das Potential zum rhetorischen Angriff liegt, der dann so klingt: „Wir haben Bomben auf Hiroschima geworfen, wir haben Bomben auf Nagasaki geworfen. Und wir haben bei weitem mehr Menschen mit Atomwaffen getötet, als die Tausenden in New York und im Pentagon.“ Oder so: „Wir haben Staatsterrorismus gegen die Palästinenser und gegen schwarze Südafrikaner unterstützt, und jetzt sind wir entrüstet, weil das, was wir in Übersee getan haben, in unsere Vorgärten getragen wird.“ Das ist nicht von Obama, nur von seinem inzwischen geschassten Priester Jeremiah Wright. Wie eine Verschwörung mutet es allerdings an, wenn dieser Priester Obamas größtes innenpolitisches Projekt zu dem einizigen Zweck feiert, Amerika eine Außenpolitik anzuempfehlen, für die er als Vorschuss auf von ihm erwartete Untaten den Friedensnobelpreis bekommen hat: „From what I know of Barack – from what he has written, from his speeches and from the life I know he has lived – faith in public life does not mean that God tells you to bomb another country or to go get Saddam Hussein. Faith in public life means that every child, regardless of their religious belief, should have health care. That every child should be able to go to school based on the intelligence they have not only the ability of their parents to pay. Because my faith saying I can bomb Iraq is the same as your faith saying you can take over a passenger plane and fly it into the World Trade Center.“ Das Merkwürdige an diesen Aussagen ist, dass sie in einer Zeit fielen, als die beiden noch ganz dick miteinander waren und Obama noch lange nicht Präsident: Sie sind auf Spiegel Online erschienen am 13.3.2007.
Und doch scheint der amerikanische Spuk gegen Amerika schon zu Ende zu sein: Der Nobelpreisredner erklärt Europa die Notwendigkeit gerechter Kriege, auf Edward Kennedys Senatorenstuhl nimmt ein Republikaner Platz und vor der Küste des Irans liegen amerikanische Kriegsschiffe. In Phillip Roths „Verschwörung gegen Amerika“ verschwindet kurz vor Pearl Harbour der Gespenster-Präsident Charles Lindbergh mit seinem Flugzeug spurlos und die Realgeschichte ohne Judenpogrome und Nazisympathien mit Franklin Delano Roosevelt setzt wieder ein. Obama wird man noch drei Jahre aushalten müssen, aber er wird wohl tun müssen, was ein Antiamerikaner nur als Verschwörung gegen das andere Amerika, die Gesundheitsreform oder den Islam rationalisieren kann: Am 10. Juni 2009 fragte die Daily Press of Virginia Jeremiah Wright, ob er mit Obama gesprochen habe, seit er Präsident wurde, worauf dieser antwortete, „them Jews ain’t gonna let him talk to me. […] They will not let him to talk to somebody who calls a spade what it is. ... I said from the beginning: He’s a politician; I’m a pastor. He’s got to do what politicians do.“
Frühere Aktivitäten sind im Aktuell-Archiv aufgeführt. Dort gibt es auch einige Audio-Aufnahmen.
Alle bisher erschienenen Ausgaben der Bahamas finden Sie im Heft-Archiv jeweils mit Inhaltsverzeichnis, Editorial und drei online lesbaren Artikeln.