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Die Sehnsucht nach dem Ausnahmezustand
Heft 57 / Frühjahr 2009
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Die Sehnsucht nach dem Ausnahmezustand

Heft 57 / Frühjahr 2009

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Inhalt des Hefts Nr. 57

Für die Kunst gilt, was für die Kritik immer schon gegolten hat: Sie gedeiht auch ohne staatliche Alimentierung im Abseits, selbst wenn es dort kärglich zugeht. Die Begründer der zweiten Wiener Schule, Arnold Schönberg, Anton von Webern und Alban Berg konnten den größten Teil ihres Lebens nicht von ihrer Kunst leben, sondern bestritten mit Nebentätigkeiten wie dem Dirigieren von Arbeiterchören ihren Lebensunterhalt. Kunst, die keine ist, dagegen, die öden Beschäftigungen von Mittelstandskindern, die alle nach Höherem, also zum Theaterspielen, Filmemachen oder zur Herstellung von Installation genannter Bildender Kunst streben, genauso wie die „Kritik“ ihrer Jahrgangsgenossen, die sich zum Professoren oder wenigstens zum selbstverständlich kritischen Journalismus berufen fühlen, sind staatsunmittelbares Geschäft, ohne dass es für die Mehrheit dieser Nichtskönner viel abwürfe. Die sogenannten Qualitätszeitungen überleben nur noch, weil sie als pisataugliches Unterrichtsmaterial gelten und den studierenden Söhnen und Töchtern per elterlichem Geschenk-Abonnement in die Wohngemeinschaft durchgereicht werden, und Kunst ist eine Frage des attraktiven Standorts: Kassel hat die Documenta, das kleine Detmold Europas größtes Straßentheaterfestival und in Berlin stiftet das Quartiersmanagement Galerie-Räume in den Problemkiezen. Dennoch sind die meisten Künstler, freien Journalisten und Universitätsdozenten kaum besser gestellt als ALG-II-Bezieher. Es ist zum Heulen: „Stellen wurden abgeschafft, Subventionen gestrichen, Förderungen eingestellt, […] unzählige Kulturschaffende [!] hingehalten und entmutigt. Die Prekarisierung der Autoren, der Künstler, der Filmemacher, der Lehrer, der Kreativen nahm zu.“ Die 20.000, die zum 28.3. in Berlin diesen „Aufruf von Intellektuellen, Kulturschaffenden, Künstlerinnen und Künstlern“, zur Kenntnis genommen haben, müssen ganz spontan und kollektiv gedacht haben, „der Vorschlag für die Erhöhung der Aktivität der Kulturschaffenden, Schriftsteller und Künstler wird gebilligt“, auch wenn dieses Zitat aus der im April 1949 verkündeten „Verordnung über die Erhaltung und die Entwicklung der deutschen [!] Wissenschaft und Kultur“ der SBZ stammt. Das Unterschriftenkartell, das von Dr. Michael Brie über die Professoren Demirovic, Deppe und Grottian bis Z. wie Prof. Dr. Bodo Zeuner reicht, weiß, was schon Jesus Christus wusste: „Aber es ist nicht das Geld allein. Die Möglichkeiten der freien Lehre verschlechtern sich. Es wächst der sanfte Zwang, das anstrengende Ringen um kritische Einsicht aufzugeben und stattdessen das Positive zu schreiben, zu zeichnen, zu denken.“ Doch gar so negativ sind die Herren nun auch wieder nicht: „Wir müssen es selber in die Hand nehmen. Jetzt. Die Gesellschaft muss über Alternativen jenseits des Kapitalismus nachdenken und neue Perspektiven entwickeln. Wir sollten sofort damit anfangen.“ Was herauskommen kann, wenn „wir“ „jetzt“ damit anfangen, für das „anstrengende Ringen um kritische Einsicht“ zu kämpfen, las sich im September 1933 in der Begründung des „Gesetzes über die Einrichtung der Reichskulturkammer“ so: „Die Aufgabe des Staates ist es, innerhalb der Kultur schädliche Kräfte zu bekämpfen und wertvolle zu fördern, und zwar nach dem Maßstab des Ver­ant­wor­tungs­bewusst­seins für die nationale Gemeinschaft. In diesem Sinne bleibt das Kulturschaffen frei.“

Einer, dessen Blatt die oben genannten Kulturschaffenden seit Jahrzehnten im Abonnement haben, entdeckte sein Verantwortungsbewusstsein für die Neger, just als er in Sachen Israel etwas davon los werden wollte, und bewarb die April-Ausgabe von Konkret in der Jüdischen Allgemeinen mit Burka tragenden Frauen links und einem strahlenden Obama rechts, unter der Überschrift: „Das Menschenrecht auf Verpackung“. Hermann Ludwig Gremliza: „Ayatollahs aller Religionen an die Macht: Der Papst möchte Afrikaner in Gottes Namen mit dem Tod durch Aids strafen, die Islamisten die Menschheit mit Burkas und Scharia.“ Was hat er denn nun wirklich gesagt, Joseph Alois Ratzinger, der Papst, über den das Positive zu schreiben so sehr verpönt ist, dass man seine Aussagen immer häufiger fälscht? In der FAZ vom 18.3.09 war die inkriminierte Stelle im Wortlaut nachzulesen: „Ich würde sagen, das Problem Aids kann man nicht bloß mit Werbeslogans überwinden. Wenn die Seele fehlt, wenn die Afrikaner sich nicht selbst helfen, kann diese Geisel nicht mit der Verteilung von Kondomen beseitigt werden. Im Gegenteil, es besteht das Risiko, das Problem zu vergrößern. Die Lösung kann nur mit einem doppelten Engagement gefunden werden: Das erste ist die Hu­ma­nisierung der Sexualität, das heißt eine geistige und menschliche Erneuerung, die eine neue Art des Umgangs mit sich bringt. Und das zweite eine wahre Freundschaft auch und vor allem mit den Leidenden.“ Kondome sind Hilfsmittel, keine Lösung. Ihre Verwendung würde in den betreffenden Ländern nur im Zusammenhang mit einer Humanisierung der Sexualität akzeptiert werden, was unter anderem die Verpönung der Vergewaltigung und die Freiheit zur gegenseitigen Liebe zwischen zwei Sexualpartnern zur Voraussetzung hätte. Doch Benedikt XVI. lässt als Stellvertreter eines katholischen Rachegotts – offenkundig der politisch korrekte Wiedergänger des jüdischen – biblische Plagen über die Kolonisierten kommen, die weit tödlicher ausfallen als das bisschen Burka und Scharia der Ajatollahs.

Innerhalb der Kultur schädliche Kräfte zu bekämpfen ist vollends Aufgabe des deutschen Staates, seit der Protestantismus über ihn gekommen ist, was nach Friedrich Nietzsche zu einer Verzögerung der Aufklärung um 300 Jahre geführt hat, und darüber hinaus zur Installierung nationaler Protestbewegungen und Volksparteien, an deren Spitze von jeher Kulturschaffende standen, deren erste Generation in Bismarcks Kirchenkampf gegen die angeblich von jesuitischen Dunkelmännern gesteuerte katholische Kirche und parallel gegen die Juden wetterte, was man am Werk Heinrich von Treitschkes oder Wilhelm Buschs belegen kann. Der Papst wird von seiner Affirmation ausschließlich heterosexueller Zweisamkeit ohne Verhütung nicht abzubringen sein – das trennt die Redaktion von ihm grundsätzlich. Dass er aber die Kondom-Werbekampagnen abgehalfterter Popstars wie Wolfgang Niedecken und Bono verabscheut und die Humanisierung der Sexualität fordert, dass der alte Universalist in den engen Grenzen der katholischen Lehre so viel weiter denken kann, als protestantische Kulturschaffende und Herausgeber, das ist es, was die Bahamas so katholisch macht.

    • Protektion und Protest - Die Studierenden fordern Raum für freie Gedanken und fördern doch nur Räume frei von jeglichem Gedanken. Magnus Klaue über studentische Alternativen zum universitären Betrieb.
    • Mit der Lizenz zur Krisenlösung jagt er Heuschrecken in einer globalisierten Welt. Anja Worm und Peter Siemionek über die Wandlung des James Bond.
    • Unter dem Druck der Koalition der Unwilligen entwickeln die USA eine scheinbar neue Strategie gegen Taliban und Al Qaeda in Afghanistan. Von Thomas Becker.
    • Mit den Ausschweifungen der Erkenntnis gegen die Attraktivität der Barbarei. Clemens Nachtmanns Plädoyer für eine positive Entgrenzung des Individuums.
    • Die Sehnsucht nach dem Ausnahmezustand - Die Einladung zu unserer ideologiekritischen Konferenz am 28. Februar 2009.
    • Ideologiekritisch und sonst nichts – die Konferenz der Redaktion Bahamas apostrophierte sich weder kommunistisch, israelsolidarisch noch antideutsch. Warum, das erklärt Justus Wertmüller.
    • Die Linke war einmal Die Partei des Glücks. Jan-Georg Gerber erklärt, warum die Liquidation dieses bürgerlichen Überschusses die Linke zum Gegenstand kompromissloser Kritik machen musste.
    • Der Verrat der Intellektuellen besteht in ihrem selbstverschuldeten geistigen Niedergang. Sören Pünjer über die Vorboten der Katastrophe des 20. Jahrhunderts.
    • Die Gewaltverhältnisse zwischen den einzelnen Staaten zu leugnen, erzeugt Die Sehnsucht nach dem Weltsouverän. Gerhard Scheit über die Erosion westlicher Souveränität in Krisenzeiten.
    • In ihrem Wahn präsentiert die Linke die Voraussetzungen der Krise als ihre Lösung. Uli Krug beschreibt die deutsche Krisenprävention als Apparatur der Panik.
    • Ausgehend von der Freiheit und Höhe des Gefühls verteidigt Justus Wertmüller den Okzident als Bedingung, das Andere und Bessere zu denken gegen die Zumutungen des Orients.
    • Je mehr Krise, desto stärker der Ruf nach Vertrauen. Den angeblichen Gegensatz zwischen Neoliberalismus und Keynesianismus vermag nur Ideologiekritik als Logik ein und derselben Sache zu denunzieren. Von Manfred Dahlmann.
    • Weil Leute wie der postmoderne Schriftsteller Dietmar Dath die Apokalypse als Chance begreifen, werden sie über alle Parteigrenzen hinweg gefeiert. Von Philipp Lenhard.
    • Zur Ontologie der Differenz gehört die Zerstörung aller Formen von Einheit und Universalität. Alex Gruber über den Amoklauf des Poststrukturalismus.

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