Titelbild des Hefts Nummer 64
Judenhass von nebenan
Heft 64 / Sommer 2012
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Heft 64 / Sommer 2012

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Inhalt des Hefts Nr. 64

Da in diesem Heft vorwiegend die Referate der angeblich sehr theorielastigen Bahamas-Konferenz Die Revolte der Enthemmten vom 25. und 26. Mai 2012 enthalten sind und die Redaktion dennoch darauf beharrt, dass es sich auch diesmal um eine Zeitschrift handelt, sei auf zwei Vorfälle hingewiesen, die einen zur Beschäftigung mit der Kritischen Theorie zwingen.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hatte für die bei dem Anschlag auf eine jüdische Schule in Toulouse am 19.3.2012 ermordeten Kinder eine besondere Form des Angedenkens parat: „,Wenn wir daran denken, was heute in Toulouse passiert ist, erinnern wir uns daran, was letztes Jahr in Norwegen passiert ist, wir wissen was momentan in Syrien passiert und wir sehen, was in Gaza und an anderen Orten passiert, wir denken an junge Menschen und Kinder, die ihr Leben verloren haben‘, sagte Ashton am Montag am Rande eines Treffens mit palästinensischen Jugendlichen in Brüssel“ (Welt, 20.3.2012). Das Wallstreet Journal vom 20.3.2012 wusste noch mehr: Das Jugendtreffen war vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) veranstaltet worden, einer Organisation, über die zu wissen genügt, dass ein Großteil der 28.800(!) Bediensteten Palästinenser sind. Nach der prompten Kritik von Israels Außenminister Avigdor Lieberman verlautbarte Ashton gegenüber dem Europäischen Parlament, ihre Kommentare seien aus dem Zusammenhang gerissen worden, sie verdamme die schrecklichen Morde in Toulouse ohne Einschränkung. Den entscheidenden Zusammenhang, an den sie von Anfang an gedacht hatte, stellte sie jedoch im nächsten Satz sofort wieder her: „Bei der Veranstaltung gestern habe ich keine wie auch immer geartete Parallele gezogen zwischen dieser Tragödie und Ereignissen, die anderswo im Nahen Osten stattgefunden haben.“ (Im Original: „[…] and events elsewhere in the Middle East“).

Ivo Bozic von der Jungle World würde solcher Enthemmung, die den ermordeten jüdischen Kindern von Toulouse sofort mit dem jüdischen Übel im Nahen Osten kommt, bestimmt widersprechen. Doch auch für ihn ist der Nahe Osten überall, wenn es um die ganz enthemmte Zustimmung zu einem sunnitisch initiierten Bürgerkrieg geht, den er als gewiefter Fernfuchtler von seinem Schreibtisch aus ebenfalls unter Verweis auf Israel gewinnen will. Er schrieb am 23.2.2012: „Als Syriens Staatspräsident Bashar al-Assad im Juli 2001 der rot-grünen Bundesregierung in Berlin einen Besuch abstattete, war die Empörung groß – allerdings nur bei der jüdischen Gemeinde. Beate Klarsfeld rief zu einer Demonstration auf, der Zentralrat der Juden schaltete dazu zwei große Anzeigen in der Welt und der Welt am Sonntag. Am Ende fanden sich gerade mal 200 Demonstranten an der Baustelle des Holocaustmahnmals ein, großteils antideutsche Linke, Bahamas-Anhänger und Antifas. Sie waren die Gegner der syrischen Diktatur in Deutschland – und nur sie.“ Im Weiteren geht es darum, dass die ganze westliche Welt dem Assad-Regime in die Hände gearbeitet hätte und heute, da sie anderen Sinnes ist, als Heuchlerin dastehe. Sein Interesse richtet sich aber auf die antiimperialistische Linke in Deutschland, in der Verwirrung ausgebrochen sei. „Verwirrung angesichts der arabischen Aufstände herrscht aber nicht nur bei den Antiimps. Ob die Bahamas heute noch einmal wie 2001 zu einer Demonstration gegen Assad aufrufen würde, ist fraglich. Autor Sören Pünjer schwadronierte im letzten Heft verschwörungstheoretisch über die Unruhen in Syrien: ,Die Beweise für die jüngsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit‘ seien lediglich ,Quellen vom Hörensagen aus den Foren von Islamisten, oder Zeugenaussagen von Opfern, die gestern noch als irreguläre Soldaten reguläre angeschossen haben‘. In Syrien werde ein ,von jihadistischen Terrorbanden angezettelter aktueller Bürgerkrieg gegen Alaviten, Christen und Laizisten‘ in ein ,neues Kapitel des arabischen Freiheitskampfes‘ umgelogen. Werner Pirker lässt grüßen.“ Gemeint ist der Werner Pirker von der Tageszeitung Junge Welt, von dem man weiß, dass sein Israelhass kaum Grenzen kennt und der aktuell aus falschen Gründen einen „westlichen Interventionismus in Syrien“ anprangert.

Mit Sicherheit würde die Redaktion Bahamas heute zu keiner Demonstration gegen Assad aufrufen, die sich nicht zugleich gegen eine dezidiert sunnitische Volksbefreiungsbewegung richtet, die Alaviten, Schiiten, Christen, moderate Sunniten und Laizisten als Kollaborateure des Baath-Regimes gleich familienweise abschlachtet. Wer mehr syrische Bürger ermordet, die regulären und irregulären Truppen des Regimes oder der „Widerstand“, vermag keiner zu sagen. Im Gegensatz zum Februar 2012 lässt die weiterhin dürre und häufig genug unseriös aufbereitete Faktenlage im Juli nur erkennen, dass Pünjer ein bisschen früher als erlaubt die Wahrheit über einen Befreiungskampf und seine Fans aus-„schwadroniert“ hat. Da er nicht hätte wissen dürfen, was der Bozic mit vier Monaten Verspätung selber einräumen würde, bleibt seine Erkenntnis so geheimnisvoll, dass nur verschwörungstheoretisches Denken ihn dazu gebracht haben kann.

Frau Ashton hasst Israel, Ivo Bozic liebt die Revolution. Aus ihr spricht der europäische Antisemitismus dann am deutlichsten heraus, wenn sie die Spuren verwischen will. Er wird sich und seiner Lesergemeinde weiterhin jeden blutigen Unfug als irgendwie dem Nahen Osten und damit auch Israel zuträglich verkaufen. Sie bieten zwei Varianten einer Enthemmung feil, die sie mit ihrer Klientel, dem linken, akademischen, europäischen Mittelstand, teilen. Hier der britische Campus mit seinen Aufrufen zum Israelboykott, dort eine „Israel-Solidarität“, deren Sprecher sich bis heute für ihre schamlose Akklamation des arabischen Frühlings in allen seinen Varianten nicht entschuldigt haben und entschlossen sind, die nächste Revolte, die genauso mörderisch und antisemitisch sein wird wie ihre Vorgänger, hochleben zu lassen.

Umtriebe wie die im europäischen Brüssel und in der Kreuzberger Gneisenaustraße, Bagatellen scheinbar, über denen der Theoretiker genauso steht wie der engagierte Interpret des Zeitgeschehens, sind der Redaktion dieser Zeitschrift die kleinen bösen Zeichen, die auf die Bereitschaft zur enthemmten Revolte von Leuten verweisen, mit denen man eben noch beim Cappuccino so angeregt geplaudert hat.

    • Jan Singer erläutert am Beispiel einer gescheiterten israelsolidarischen Kampagne, warum hinter den Ausspruch Keine Bühne gegen Israel ein Frage- statt ein Ausrufungszeichen gehört.
    • Doch ein Ehrenmann. Eine Verteidigung des neuen Bundespräsidenten gegen antideutsche Schmähungen. Von Philipp Lenhard
    • Wir kommen wieder: Mit Hummus und Falafel! Auf dieses Niveau hat sich die Israelsolidarität heruntergewirtschaftet, die auf dem diesjährigen revolutionären Kreuzberger MyFest endgültig angekommen ist. Von Justus Wertmüller
    • Die syrische Revolution ist eine weitere islamische. Das zu verbergen eint die Opposition. Thomas Becker über noch eine Projektionsfläche für revolutionäre Sehnsüchte.
    • Mohamed Merah entstammt dem Kollektiv der infantilen Brüder. Sonja Petersen über den djihadistischen Mörder, der im Frühjahr 2012 Frankreich in Atem hielt.
    • Engagement heute ist Bereitschaft zu allem. Uli Krug über den Widersinn, der engagierten Gesellschaft noch mehr Engagement entgegensetzen zu wollen.
    • Nicht immer ist das, was sich gegenwärtig zur politischen Kunst erklärt, Bloody Business. Meist ist es schlechtes Handwerk und immer gutes Networking. Philippe Witzmann über die Abgründe engagierter Kunst.
    • Büro ist Krieg behauptet die Comedy-Figur Bernd Stromberg. Jan-Georg Gerber erklärt, warum Stromberg zwar recht hat, aber doch einen Anachronismus verkörpert.
    • Aus Freude angepasst, so bringt Leo Elser den allgegenwärtigen Gesundheitswahn auf den Begriff.
    • Wer Améry und Sartre gegen Adornos Dialektik und Determinismus in Stellung bringt, handelt sich nicht unverdient die Nähe zum Positivismus und idealistischen Konformismus ein. Von Thomas Maul.
    • Der neu aufgelegte Existentialismus ist ein Extremsport für Geisteswissenschaftler. Jörg Huber über das philosophische Erklimmen schwindelnder Höhen am Rande des Abgrundes.
    • Erziehung zur Sozialkompetenz ist Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Sören Pünjer über die Ursachen der Popularität von Soft Skills
    • Fremdbestimmungen nennt es Magnus Klaue, wenn man nie zum Denken kommt, weil man ständig zu tun hat, und nie zum Handeln, weil man ständig dabei denken muss. Warum die Rede vom eingreifenden Denken droht, zur Phrase zu verkommen.
    • Solidarität in der Trostlosigkeit zu üben statt wild und gefährlich leben zu wollen, dafür plädiert Justus Wertmüller.

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