Titelbild des Hefts Nummer 65
Grenzen der Aufklärung
Heft 65 / Winter 2012
Abonnieren / Bestellen
Titelbild des Hefts Nummer 65

Grenzen der Aufklärung

Heft 65 / Winter 2012

SPALTE3-AKTUELL-DATUM / SPALTE3-AKTUELL-RUBRIK

SPALTE3-AKTUELL-TITEL

SPALTE3-AKTUELL-TEXT

Inhalt des Hefts Nr. 65

Der Richard Herzinger muss einer von diesen Wienern sein, deren Herz in Paris schlägt. Denn nur in Wien bringt man es fertig, nach einer rohen Untat dem Opfer ein artiges „habe die Ehre und nix für ungut“ nachzurufen: „Dass im Übrigen Adorno auch viele kluge Dinge gesagt hat und insbesondere ein scharfer Beobachter [!] des Antisemitismus war, bleibt selbstredend unbestritten.“ Im Übrigen ist es nämlich so, dass es sich bei diesen scharfen Beobachtungen um elaborierte Gedankenwindungen handelt, die im fanatischen Glauben an die Determiniertheit des Menschen gründen: „Namentlich Horkheimer zweifelte im Übrigen später an der Weisheit mancher seiner eigenen, in der Dialektik der Aufklärung elaborierten Gedankenwindungen. Insbesondere der plumpe, spätmarxistische Determinismus des Kapitels Elemente des Antisemitismus erschien ihm zunehmend als unzulänglich.“ Im Jahr 1944, als ihren Gehirnwindungen das abstruse Traktat entwich, zu dem die Elemente des Antisemitismus gehören, saßen sie nämlich im Warmen: „Just in dieser historischen Situation zogen Adorno und Horkheimer in ihrem abstrusen Traktat gegen Kapitalismus, angelsächsischen Rationalismus und Positivismus, gegen die angeblich rücksichtslose Naturbeherrschung durch die instrumentelle Vernunft, sowie nicht zuletzt gegen die amerikanische Kulturindustrie vom Leder. Mittels ihrer obskuren Dialektik brachten es Horkheimer und Adorno fertig, zu einer Zeit, da die Gaskammern der Nazis auf Hochtouren liefen, die vermeintlich zu nackter kapitalistischer Zweckrationalität verkümmerte Aufklärung für den nationalsozialistischen Zivilisationsbruch verantwortlich zu machen.“ Echte Wiener wissen, dass andere zur gleichen Zeit in Paris der Resistance angehörten und sich wohl deshalb später bemüht haben zu verhindern, dass der Determinismus endgültig triumphiert. In die Ankündigung zur Konferenz Die Kunst der Freiheit, die am 30.9. und 1.10.2011 stattfand, schrieben ihre Organisatoren: „Sartres Engagement suchte zu verhindern, dass der Nationalsozialismus nach seiner Niederlage endgültig triumphiert: im fanatischen Glauben an die Determiniertheit des Menschen.“ Auch sie räumten selbstredend ein, dass Adorno auch viele kluge Dinge gesagt hat und fügten ganz unparteiisch hinzu: „Dagegen wandte Adorno ein, solcherart Existenzialismus unterschlage die existierende Unfreiheit der Individuen in der modernen Tauschgesellschaft“. Ein Schuft, wer unterstellt, dass die Betonung „der existierenden Unfreiheit der Individuen“ hier und „der fanatische Glaube an die Determiniertheit des Menschen“ dort etwas miteinander zu tun haben könnten und dass sie am Ende so etwas wie „Zum Abschied sag ich leise Servus“ meinen. Wie sie es richtig gemeint haben, steht dann in Sans Phrase, einer Zeitschrift, die ganz der Rettung Adornos und deshalb ganz dialektisch auch der Freiheit von Adornos Determinismus gewidmet ist. Die Herausgeber scheinen mit Herzinger zu wissen: „Dass im Übrigen Adorno auch viele kluge Dinge gesagt hat und insbesondere ein scharfer Beobachter des Antisemitismus war, bleibt selbstredend unbestritten. Gerade darum aber sollte die Rezeption seines Erbes der Instrumentalisierung durch bornierte Doktrinäre wie den notorischen Antideutschen entrissen werden, die seine Schriften als unfehlbare letzte Wahrheiten zu zitieren pflegen wie einst die Maoisten die kleine rote Bibel ihres großen Steuermanns – um so ihrem redundanten, denunziatorischen Schrumpfmarxismus den Anschein einer intellektuellen Autorität zu verleihen.“

Das Verhängnis hat längst seinen Lauf genommen, nur noch mutiger Einspruch kann helfen. Herzinger weiter: „Es ist, nebenbei gesagt, eine skurrile Pointe, dass ausgerechnet die ebenso groteske wie marxistisch bornierte Sekte der Antideutschen, oder genauer: antideutschen Kommunisten, die unglückseligerweise große Teile der Israelsolidarität usurpiert hat (und sie so bei vernünftigen Menschen nachhaltig diskreditiert), und die ansonsten rund um die Uhr (fröhlich ist das Studenten- und Doktorandenleben…) damit beschäftigt ist, Spurenelemente verwerflicher deutscher Ideologie im Denken anderer Leute aufzuspüren, dieses im Geiste miefigster deutschen Kulturkritik verfasste Elaborat Horkheimers und Adornos – dem auch der Jazz als Manifestation amerikanischer Unkultur und Ausdruck rettungslosen Kulturverfalls galt –, zur sakrosankten, letztgültigen Offenbarung einzig wahrer Gesellschaftskritik erklärt hat.“

Sektenbeauftragte gibt es heute viele und immer meinen sie uns. Herzinger warnt vor dem roten Mob, seit er tief verletzt zur Kenntnis nehmen musste, dass das an Karl Popper geschulte Lob der Aufklärung seines Mitstreiters Alan Posener der radikalen Kritik von Philipp Lenhard in der Bahamas Nr. 64 verfiel. Wiener Freunde des gepflegten Essays über das zeitlos Wichtige sind verschnupft, weil wir ihren abgeschmackten Diskurs über Freiheit versus Determinismus nicht als nette Laubsägearbeit im Heimgarten des Diskurses durchgehen lassen, und wieder andere werfen uns vorläufig zwar nur „Antijudaismus“ vor, dafür aber eine gehörige Überschneidungsmenge mit den Nazis, wie Dr. Clemens Heni: „Ein deutsches Gericht urteilt über das Judentum, das die Beschneidung vor über 4.000 Jahren einführte. […] Selbst pro-israelische Aktivisten zeigen nun ein ganz anderes Gesicht und machen sich über das Judentum lustig. Offenbar hatten diese Leute schon immer ein Israel ohne Judentum im Sinn. Die Zeitschrift Bahamas aus Berlin folgte dem Ruf aus Köln, der FAZ und dem Zeitgeist und sprach sich gegen eine Kundgebung für Religionsfreiheit/für die Beschneidung aus und forderte ihre 23 oder 34 Anhänger auf, dieser ohnehin kleinen Manifestation vorwiegend deutscher Jüdinnen und Juden am 9. September 2012 in Berlin fern zu bleiben, da sie den kulturellen und religiösen Traditionen von Kollektiven grundsätzlich misstraut. Autoren dieses Sektenblattes wie Thomas Maul und Justus Wertmüller bezeichnen die Beschneidung als archaisch und diffamieren dadurch mit Verve das Judentum. Derweil kringeln sich die Neonazis, die NPD und autonome Nationalisten, da doch der deutsche Mainstream das Geschäft des Antisemitismus (bis auf die Verwüstungen jüdischer Friedhöfe und von Gedenktafeln, bis heute eine typisch neonazistische Form des Antisemitismus) übernommen hat.“

Die Redaktion Bahamas mit den Verwüstungen jüdischer Friedhöfe in Zusammenhang zu bringen, vermag nur ein Knalldepp. Dass Heni darauf überhaupt gekommen ist, hat etwas mit Sektenaustreibungswünschen zu tun, die bis in die Blogs der Welt reichen. Manchmal ist es uns selber unheimlich, dass unsere kritischen Feldzüge dauernd Verwüstungen anrichten. Gern würden wir einmal nicht nur stellvertretend Andere, sondern auch die wirklich Gemeinten überzeugen. Vielleicht fällt das deshalb so schwer, weil wir als Gegenleistung keine Mitgliedsausweise vergeben, mithin keine neue Heimat bieten.

Die Zitate von Richard Herzinger stammen aus seinem Blog Freie Welt und sind am 3.9. und am 8.10.2012 erschienen.

    • Ausweitung der Kampfzone. Ein belgisches Lehrstück über den Umgang mit sexuellen Belästigungen von Frauen in ethnisierten Kiezrevieren. Sonja Petersen
    • Ein gelbes Schandzeichen setzte das Satiremagazin Titanic, um sich endgültig mit den Massen zu versöhnen. Richard Kempkens zeichnet nach, wie es soweit kommen musste.
    • Liebe repräsentiert die Gemeinschaft nicht, so lautet das Urteil von Antifa und Zivilgesellschaft keineswegs nur im Fall einer Rostocker Ruderin unter Naziverdacht. Sören Pünjer
    • Der Kult um die Gruppe Pussy Riot ist Teil eines Maskenkrieges gegen Individualität und Privatheit. Magnus Klaue über die geistfeindliche Revolte der Gesichtslosen und ihrer zahlreichen Anhänger.
    • Anlässlich des letzten Großbombardements Israels verteidigt Justus Wertmüller den Bild-Leser und sein Blatt gegen volkspädagogische Sturmgeschütze des Antizionismus.
    • Mit der Shoah zur Scharia? Diese Frage stellt sich am vorläufigen Ende der sogenannten Beschneidungsungsdebatte. Thomas Maul über die Leugnung einer juristischen Aporie und die Verdrängung des politischen Dilemmas.
    • Jüdische Identität dringend gesucht. Sieben Thesen zur sogenannten Beschneidungsdebatte von Justus Wertmüller.
    • Die Fahne ab! Eine Bilanz der antinationalen Jagd auf Deutschlandflaggen während der Fußballeuropameisterschaft zieht Claudia Dreher.
    • Nicht nur Blindes Grätschen ist nicht mehr gefragt im deutschen Fußball, auch der Nationalismus alter Prägung ist endgültig passé. Uli Krug über antinationalen Irrsinn und den Patriotismus der Ultra-Szene.
    • Nichts anderes als den Stupid Old Man wollte man in dem Wahlkampfautritt von Clint Eastwood erkennen. Magnus Klaue und Sonja Petersen über den letzten Republikaner und dessen deutsche Gegner.
    • In der Krise prallen Europäische Gegenwelten aufeinander. Karl Nele über den Zustand der EU und Deutschland als Krisenbewältiger.
    • Die türkische Revolution ist keine. Thomas Becker über den Traum der Türkei, die führende Regionalmacht zu werden.
    • Gesetz, Glaube, Opfer. Teil zwei des Versuchs, das Jüdisch-Messianische im Christentum vor materialistischen Ignoranten zu retten. Thomas Maul
    • Im Jagdrevier von Storch Heinar reicht es, gegen Günter Grass und für Israel zu sein, und Schon bist du ein Verfassungsfeind. Wie Justus Wertmüller von ostzonalen Vorzeige-Antifaschisten und ihrem Verfassungsschutz zum Extremisten gemacht wurde.

SPALTE3-AKTUELL-RUBRIK

SPALTE3-AKTUELL-DATUM


SPALTE3-AKTUELL-TITEL


SPALTE3-AKTUELL-TEXT

Frühere Aktivitäten sind im Aktuell-Archiv aufgeführt. Dort gibt es auch einige Audio-Aufnahmen.


Zum Aktuell-Archiv

Alle bisher erschienenen Ausgaben der Bahamas finden Sie im Heft-Archiv jeweils mit Inhaltsverzeichnis, Editorial und drei online lesbaren Artikeln.


Zum Heft-Archiv

Reprint Band 2

A1 Plakat

Für Israel

gegen die postkoloniale

Konterrevolution

Zum Shop

Reprint Bände

Reprint Bände

Nachdruck von

jeweils 10 Heften

Zum Shop

Buch von Justus Wertmüller

Verschwörungen

gegen das

Türkentum

218 Seiten, 15 €

Zum Shop

Bahamas Stofftasche 38 x 40 cm

Stofftasche

38 x 40 cm

Zum Shop

Ansteckbutton 25 mm

Ansteckbutton

25 mm

Zum Shop