„Tu Dir keinen Zwang an“, heißt es meist ironisch auf den gemünzt, der über die Stränge schlägt und anderen damit die Laune verdirbt. Passionierte Ironiker halten gegen den Zwang, den man sich immer wieder antun sollte, um gedanklicher Inkontinenz Einhalt zu gebieten oder wenigstens formal noch einen Rest von Anstand zu wahren, die Freiheit hoch, sich angesichts der Ermordeten von Nizza gegenseitig der „Bombenstimmung“ zu versichern, in die sie angeblich nur die professionellen Reaktionen der Politiker versetzt hätten. In Wirklichkeit kommt kein Leid mehr an sie heran, vermag keine Untat sie zu erschrecken – sie sind so tot wie ihr Maître de Plaisir Leo Fischer, seines Zeichens Mitarbeiter der Satire-Zeitschrift Titanic, der sie am 15.7.16 mit dem Facebook-Posting „84 Tote, das ist zu viel“ binnen einer Stunde zu zahllosen witzelnden Ergüssen über die lustige Seite des Terrors ermuntert hatte. Und so geht’s dahin: Christian Feist: „[...] oder zu wenig. Je nachdem. Ich finde 85 eine viel schönere Zahl.“ Florian Kärcher: „,[...] das ist unmenschlich und gottlos‘ [...] Angela Merkel.“ Leo Rössel: „Feige wars wahrscheinlich auch (weil er nicht 84 mal Einzelkampf gemacht hat).“ Christian Feist: „Genau. Faustkampf! #Wallah #Ehrenmann.“ Ben Schwarzer: „Sehen nur eine Zahl [...] Einzelschicksale […]“ Heiner Lötzsch: „Heute morgen hatte ich noch 84 Freunde bei Facebook, habe ich natürlich aus Gründen der Pietät geändert.“ Paul Larsson: „Wäre nicht 72 die richtige Anzahl gewesen? Mitzählen lenkt aber bestimmt zu stark vom Amokfahren ab. So wie Telefonieren.“ Bert Reiner Ross: „Hoffentlich keine 88.“ Torsten Müller: „,84 Tote, das ist zu viel‘ Graf Zahl?“ Klaus Kiefholz: „Das ist subjektive Vulgärauslegung der Relativitätstheorie. Da wird nie ein dialektischer Schuh draus. Man kann die Sache nur zahlenästhetisch angehen, wie Herr Feist das vorbildlich getan hat. Für mich beginnt wahre Schönheit erst bei dreistelligen Summen. Ab 120 wird eine Zahl für mich zum Attraktor.“ Phil Dart: „Was ist hier denn für ‘ne Stimmung?“ Christian Feist: „Ich wollte gerade ‚Bombenstimmung‘ sagen, wäre aber pietätlos und unpassend, war schließlich ein LKW, keine Bombe.“ Phil Dart: „Tu dir keinen Zwang an.“ Fritz Erkel: „Gottseidank war der Legastheniker. […] sonst wären es 849 geworden“. usw.
Auch wenn die Abgestumpftheit solcher Gestalten, deren Echt- oder Tarnnamen hier geändert wiedergegeben werden, so unermesslich wie letztlich unverständlich ist, so liegt der rationale Grund ihres Gewitzels im Versagen einer deutschen und darüber hinaus auch europäischen Mitte der Gesellschaft, die eine Kriegserklärung auch dann nicht erkennen will, wenn auf sie in immer kürzeren Abständen die Kriegshandlungen in Form von Massakern an inzwischen auch europäischen Bürgern folgen. Diesen Krieg, der kein Bürgerkrieg, sondern ein Krieg gegen die Bürger der westlichen Welt ist, ausgeführt von Tätern, hinter denen ganze Milieus stehen, deren Angehörige in Europa leben und doch auf seine Vernichtung sinnen, überhaupt wahrzunehmen, ist nur möglich, wenn korrigiert und vielfach ganz aufgegeben wird, was man so lange für richtig gehalten hat. Weil Links-Sein kaum mehr als eine Haltung ist, die keines Argumentes bedarf, aber in der Kultur, in der der Einzelne einwurzelt, jederzeit beredter Ausdruck für eine ganze Existenz sein kann – im schwülstigen Sinn der Seinsphilosophie genauso wie in der durchaus materiell gemeinten Ausschlussdrohung gegen jeden Zweifler –, verschwindet Nizza, wie vorher Orlando, Brüssel und Paris, entweder in der Alberei der Chats oder kommentarlos ganz.
Zweck dieser Zeitschrift ist es, ihren Lesern den Zwang anzutun, sich vom eigenen Milieu loszusagen, indem sie ihnen die Hoffnung nimmt, dass auf einen ungeliebten Artikel hin der nächste mit einer anderen, gelitteneren Wahrheit aufwarten werde. Zu den inzwischen beliebten taktischen Manövern gegen die Wahrheit gehört es, wenn der Bedarf nach Ideologie zur Aufrechterhaltung der Willkommenskultur steigt, auf Israel zu rekurrieren. In Notzeiten, in denen der antideutsche Diskursgauner Leo Elser die massenhaften sexuellen Übergriffe von islamischen Jungmännern (darunter sehr viele Flüchtlinge) auf Frauen nicht nur an Silvester und nicht nur in Köln bestreitet und die Opfer verhöhnt (Pólemos, Januar 2016), was sogar in den eigenen Kreisen betretenes Schweigen ausgelöst hat, und die antideutsche Theorie-Koryphäe Niklaas Machunsky in der jüngsten Prodomo jeden, der gegen den von Paris und Brüssel über Nizza bis Orlando reichenden Siegeszug islamischer Selbstbefreiung die Funktionsfähigkeit bürgerlicher Staatsagenturen verteidigt, als weberianischen Institutionenfetischisten entlarvt – in solchen Notzeiten braucht es ein besonnenes Wort, das geeignet ist, die Verunsicherten gegen den braunen Bahamas-Zeck zusammenzuführen. Das geht ganz einfach: Die Bahamas bedient als „Maschinengewehr des Volkes“ eine um sich greifende völkische Bewegung und steht damit dem Jürgen Elsässer und dem Christian Strache nahe, weil sie auf der Souveränität des bürgerlichen Staates und damit seines Grenzregimes beharrt. In den Worten Gerhard Scheits im Leitartikel der Sans Phrase 8/16 klingt das so: „Soweit aber die Souveränität des eigenen Landes zur Priorität gemacht wird, gibt es zumindest an einem Punkt Übereinstimmung mit jenen selbsternannten Maschinengewehren des Volks, und dieser Punkt drückt sich in der oft zu hörenden und vielfach variierten Forderung aus, die als die harmloseste erscheint, aber ganz der Stammtisch-Atmosphäre entspricht: Wer sich nicht an die Spielregeln hält, der soll nicht hereinkommen beziehungsweise abgeschoben werden. Schon die Vorstellung, es ginge um Spielregeln, zeigt nicht nur an, dass man keinen Begriff vom Elend hat und haben will“. Vielmehr zeigten jene, die im Zusammenhang mit Zuwanderung statt allgemein-menschlich und hochtönend vom „Elend“ von Spielregeln sprechen, damit an, dass ihnen der eigene „Souverän zum Ich geworden ist“. Vulgo: Faschisten. Weil Scheit bei allem Bemühen, den eigenen Dunstkreis gegen die Bahamas in Dienst zu nehmen, irgendwie doch weiß, dass die moslemische Massenmigration zahlreiche Judenfeinde nach Europa bringt, geht es flott weiter zu Israel, dessen Gründer aus der Erfahrung mit eliminatorisch motivierter Verfolgung, gegen die kein anderer Staat ausreichend Schutz geboten hat, den eigenen schufen, der allen Juden immer als Fluchtort offen steht: „So macht die Flüchtlingskrise nebenher die Gegenprobe auf den Zionismus. Sie führt vor: wer auch immer flüchtet und egal aus welchen Gründen, es bleibt aus seiner Sicht letztlich Zufall, ob er noch Zuflucht in einem anderen Land findet.“ Sind die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, aus Afghanistan und Nordafrika jetzt die Juden von heute? Werden die Abgewiesenen unter ihnen schutzlos dem sicheren Tod durch ihre Verfolger ausgesetzt wie die Juden in den Jahren nach 1933? Ist die richtige Anwendung zionistischer Grundsätze mithin Angela Merkels Politik im Jahr 2015 und die eliminatorische Alternative die der österreichischen Regierung, die, so Scheit weiter, „ab einem bestimmten Zeitpunkt als eine Art europäische Nahostmark in die Schanze sprang und die Balkanroute der Flüchtlinge sperren ließ“? Ist Österreich das faschistische Vorwerk eines faschistischen Europa? Wer von einer „europäischen Nahostmark“ faselt, meint genau das.
Obwohl Scheit selber nicht so genau weiß, was er eigentlich will, wie seine zahlreichen gewundenen Ja-Aber-Sätze im gleichen Text belegen – eine Botschaft von existentieller Bedeutung vermittelt der Jargon: Daherzureden wie eine veritables Refugees-Welcome-Komitee, das immer auch ein Free-Gaza-Komitee ist, das gebietet sich in Zeiten, in denen die Bahamas sich anschickt, immer mehr Gutwillige in die Souveränitätsfalle, die eine Fascho-Falle ist, zu locken. Deshalb legt Scheit den Diaspora-Juden, die sich in den europäischen Staaten als Folge der deutschen Migrationspolitik auf immer häufigere Übergriffe antisemitischer Moslems einstellen müssen, durch die Blume nahe, im Ernstfall nach Israel auszuwandern, dessen Staatsräson weitsichtigen Antideutschen zu diesem Zweck wichtiger zu sein habe als die Staatsräson der übrigen westlichen Staaten, von denen man ja weiß, dass sie unrettbar antisemitisch sind. Eine dreistere Instrumentalisierung Israels unter dem Alibi der Israel-Solidarität lässt sich kaum denken.
Die Bahamas tut ihren Lesern den Zwang an, auch dann nicht mit den Achseln zu zucken, wenn unter den europäischen Opfern der jüngsten islamischen Bekennertat keine Juden sind. Sie reduziert den Islam nicht auf seinen zuerst in der Bahamas dargestellten antisemitischen Gehalt, sondern besteht darauf, dass katholische Geistliche und areligiöse Weltliche vom islamischen Terror gleichermaßen mit dem Tod bedroht sind, und dass kein Unterschied zwischen dessen Opfern in ihrer Qualität als hier jüdischer, dort katholischer, dort ungläubiger Mensch gemacht werden darf – gerade dann nicht, wenn man den Judenhass, der eins ist mit dem Hass auf die Zivilisation, als Kern des islamischen Terrors erkennt. Weil die Wahrscheinlichkeit, als Jude Opfer des Djihad zu werden, erheblich höher ist als für nichtjüdische Europäer, ist mit den schwachen Mitteln, die man hat, darauf zu drängen, dass Spielregeln einzuhalten sind, die Flüchtlingen wie Einheimischen, zu denen auch die in Europa eingebürgerten oder mit Aufenthaltsrechten ausgestatteten Moslems gehören, abfordern, jede Propaganda, jeden Kult, jedes Glaubensbekenntnis zu unterlassen, in dessen Folge zuerst und mit sicherster Konsequenz die Juden der Ermordung preisgegeben würden. Deshalb begreift die Bahamas die Souveränität europäischer Staaten auch als eine zum Schutz der hier lebenden Juden. Sie stellt sich damit hinter die Appelle jüdischer Organisationen an die europäischen Souveräne, mehr gegen die dauernd zunehmenden moslemischen und nicht etwa autochthon-rechtsradikalen Übergriffe auf Juden zu tun, statt sich der deutschen Zumutung zu fügen, wonach eine natürlich moderate Islamisierung Europas, zu der die moslemische Masseneinwanderung gehört, als unabwendbares Schicksal hinzunehmen sei. Der Zionismus ist der Redaktion keine Spielkarte, die man als Joker gegen europäische Juden zückt, wenn diese in immer größerer Zahl aus Verzweiflung über die Unterwerfung des französischen Links-Establishments unter moslemische Zumutungen und die Feigheit der Konservativen ihre Stimme dem Front National geben. Mit den europäischen Juden könnte jeder, der es mit Israel gut meint, wissen, dass dieses kleine Land in Obergrenzen denken muss, weshalb seinen Verantwortlichen am Wohlergehen der Juden in der westlichen Diaspora durchaus gelegen ist.
Bahamas-Redakteuren würde am allerwenigsten in geselliger Runde beim böhmischen Bier, am Stammtisch, wenn man so will, einfallen, sich im Allmachtswahn des vereinsamten Grantlers, dem der „Souverän zum Ich geworden ist“, als Staatenlenker aufzuführen und extralegale Gefängnisse für Djihadisten, also ein „horribile dictu“ europäisches Guantanamo, einzufordern, wie der Gerhard Scheit, der spätestens mit diesem Lösungsvorschlag für die Flüchtlingskrise dem Wahn vom Weltsouverän erlegen ist, den er weiter munter kritisiert. Vielmehr geht die Redaktion Bahamas davon aus, dass eine Gesellschaft aus autochthonen Europäern und Zuwanderern, einem teils im Gesetz festgeschriebenen, teils im täglichen Umgang der Bürger miteinander sich manifestierenden Vertrag aufruht, wonach die einzelnen Bürger einander bestimmte Gemeinheiten nicht antun und jedem, der es versucht, in den Arm fallen.
Das ist eine prekäre Annahme, die von den immer mehr zur Praxis drängenden kulturalistisch gestimmten Willkommens-Deutschen, die der Islamisierung aktiv Vorschub leisten, ad absurdum geführt werden könnte. Und doch ist die Unterstellung, dass es sogar bei der Mehrheit der Deutschen in Umrissen einen bürgerlichen Common Sense gibt, den es zu stärken gilt, der antifaschistische Beitrag dieses Blattes: gegen die Mitte der Gesellschaft, zu der auch ein antideutsches Milieu gehört, das längst mit Kulturrelativisten und Zivilisationsfeinden kungelt, die den Politikern die ideologischen Schmiermittel liefern. Statt größenwahnsinnig in der Pose und einfach nur blöd im Gehalt moslemische Flüchtlinge, von denen kein Antideutscher eine Bereicherung für die eigene Gesellschaft erwartet, einer supranational koordinierten Reeducation zu unterwerfen und schon einmal Gefängniscamps jenseits der Rechtsordnung zu konzipieren, sollte als Voraussetzung jeder Flüchtlingsdebatte gelten, was in der Bahamas 72 so steht: Wer nicht mitspielen möchte, der soll wegbleiben, mit dem möchten wir nicht zusammenleben. Eine solche Bestimmung wäre eine ganz selbstverständliche und keiner Rechtfertigung bedürftige zwischenmenschliche Regelung. Dieses „Wir“ meint nicht die Europäer oder gar die Deutschen in toto – Abstraktionen, an die sich nicht sinnvoll appellieren lässt –, sondern zuerst die Genossinnen und Genossen am nächsten antideutschen Stammtisch, sei es im Altreich oder in der Nahostmark, denen es so schwer fällt, ihre persönlichen, im Grunde selbstverständlichen und durchaus bürgerlichen Interessen zu artikulieren – es könnte ja der Jürgen Elsässer hinterm Busch lauern und lauschen.
Frühere Aktivitäten sind im Aktuell-Archiv aufgeführt. Dort gibt es auch einige Audio-Aufnahmen.
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