Titelbild des Hefts Nummer 96
Linkspartei-Ferat im Glück:
It's a Pali
Heft 96 / Frühjahr 2025
Abonnieren / Bestellen
Titelbild des Hefts Nummer 96

Linkspartei-Ferat im Glück:
It's a Pali

Heft 96 / Frühjahr 2025

SPALTE3-AKTUELL-DATUM / SPALTE3-AKTUELL-RUBRIK

SPALTE3-AKTUELL-TITEL

SPALTE3-AKTUELL-TEXT

Inhalt des Hefts Nr. 96

Editorial 96

Die Kneipe Bajszel in der Neuköllner Emser Straße kann man auch ohne Google Maps finden, denn Zeichen auf den Hausfassaden in der Nachbarschaft weisen den Weg. Mal ist es scheinbar nur ein herzförmiger Fleck in roter Farbe in der Nogatstraße, der sich ein paar Häuser weiter an der Kreuzung Emser-/Karl-Marx-Straße als Dreieick herausstellt. Mal ist das Dreieck mit dem Winkel nach unten auf Schablone gesprüht, zum Beispiel in der Siegfriedstraße, dann wieder – in der Ilsestraße – wird es durch die Aufschrift „FCK ISR – PALESTINE will be free!“ ergänzt. Auch wer nicht auf Graffitis achtet, findet das Bajszel leicht: Seit über einem Jahr steht während der Öffnungszeiten ein Polizeiauto davor, seit Ostern 2025 sind es manchmal auch zwei.

Das Bajszel steht seit dem 7. Oktober 2023 unter verschärfter Beobachtung durch Freunde der Intifada. Es reichte zunächst die Tatsache, dass dort Plakate hängen, die die Freilassung der von der Hamas entführten israelischen Geiseln fordern, und auf dem Tresen israelfreundliche Sticker und Flyer ausliegen. In der laut Selbstbeschreibung „Programmschänke“ finden regelmäßig Veranstaltungen statt, die sich gegen Antisemitismus wenden und dabei den israelbezogenen Antisemitismus nicht aussparen. Vielleicht noch schlimmer ist der Umstand, dass die Kneipe offensichtlich nicht um Pluralität bemüht ist und weder Veranstaltungen propalästinensischen Inhalts anbietet noch den Diskursonkels, die vom Leid der Menschen auf beiden Seiten schwadronieren, ein Podium bietet.

Neukölln ist Berlins linkes Szeneviertel, 25 Prozent der Wähler haben bei der Bundestagswahl ihre Zweitstimme der Linkspartei gegeben, deren Neuköllner Bezirksverband wegen seiner Nähe zum Islam, seiner Verharmlosung arabischer Clankriminalität und seines tiefen Verständnisses für eliminatorischen Antisemitismus bis zu jenem 23. Februar 2025, an dem er mit seinem Konzept triumphierte, dem Landesverband Kopfzerbrechen gemacht hat. Seither hat man gelernt, dass eine Intifadapartei alles, was sich als links, antirassistisch, postkolonial und queer versteht, repräsentieren kann, ohne organisierend in Erscheinung zu treten.

Für das Bajszel stellt sich die Situation noch bedrohlicher dar als es das auf den ganzen Bezirk bezogene Wahlergebnis nahelegt. Neukölln besteht nicht nur aus der Altstadt mit ihren vier Hauptachsen Kottbusser Damm, der die Bezirksgrenze zu Kreuzberg markiert, sowie der Sonnenallee, der Karl-Marx-Straße und der Hermannstraße, die alle vom berüchtigten Hermannplatz abgehen. In den Querstraßen dieser Magistralen leben die Studenten, Ex-Pats, Start-Up-Unternehmer und ein alternatives Kleinbürgertum – alles Leute, die die Linkspartei wählen und mindestens Verständnis für antiisraelische Propaganda haben. Es gibt auch ein anderes, gar nicht sehr progressives Neukölln mit den Stadtteilen Britz, Buckow, Rudow und Gropiusstadt, wo genauso viele Menschen leben wie in der Altstadt, von denen aber im Schnitt weniger als 15 Prozent die Linkspartei gewählt haben. Das bedeutet, dass in den Altstadtquartieren, zu denen die Emser Straße gehört, mit ihren 160.000 Bewohnern, wo man es sich ganz hedonistisch gut gehen lässt, zu über 40 Prozent Linkspartei gewählt wurde, von Herkunftsdeutschen und Moslems.

Ob das Bajszel eine linke Kneipe ist, mag offen bleiben, sie ist jedenfalls dem Typ nach eine Szenekneipe und wie es dort zuzugehen hat, bestimmen weder Wirte noch Gäste, sondern eine linke Szene, deren Avantgarde stellvertretend darüber wacht, dass Verstöße gegen die heimische Kultur unterbleiben. Die Eskalation verläuft nach Drehbuch: Zunächst betreten Leute vom Typus Migrantifa die Kneipe und reißen unter antirassistischem Geschrei Plakate, die an die Geiseln erinnern, von den Wänden und werfen Sticker und Flyer auf den Boden, bevor sie rausgeworfen werden; schon bald pöbeln wirre Menschen auf den Veranstaltungen herum, bevor auch sie rausgeworfen werden. Andere verlegen sich vor dem Lokal darauf, Gäste zu beleidigen und schon bald gehen aktivistische Migrantinnen mit zünftiger Kopfbedeckung demonstrativ vorbei und mustern die Gäste mit verachtungsvollen Blicken. Wochen später ertönen ausgehend von Hijab tragenden Frauen und Mädchen die schrillen Kindermörderrufe, wieder an die Gäste gerichtet. In den frühen Morgenstunden nach Betriebsschluss, wenn die Polizei weg ist, werden die ersten Graffitis mit Hamas-Dreiecken und entsprechenden Parolen erst auf die Fassade, dann auf die Fensterscheiben gesprüht. Mit Klebstoff wird eines Nachts das Schloss unbrauchbar gemacht, erste Steinwürfe erfolgen auf die großen Frontscheiben, die deswegen nicht platzen, sondern nur Sprünge davontragen, weil sie aus Sicherheitsglas sind. Einmal werden die hölzernen Fensterrahmen angekokelt und in den Ostertagen 2025 taucht die erste noch kleine Spontandemonstration vor dem Bajszel auf, die sich gegen einen Genozid an den Palästinensern richtet. Neun Vorfälle mit Sachschaden wurden bis dahin gezählt.

Bei aller gebotenen Solidarität mit dem Bajszel, Neukölln ist nicht überall und am wenigsten am Berliner Wittenbergplatz gleich neben dem KaDeWe – sollte man denken. Dorthin hatte am 28. April die deutsch-israelische Gesellschaft zum Israeltag eingeladen und auf drei Stunden gestreckt sind vielleicht 200 meist ältere Leute gekommen. Doch ausgerechnet dort „sorgte“ ein „Getränk“ „für Entrüstung“, wie es der „Journalist und Aktivist“ David Rojas Kienzle den stramm antizionistischen Lesern des Neuen Deutschland am 29.4.2025 mitteilte. Damit hat er allerdings nur aufgenommen, was alle in Berlin erscheinenden Tageszeitungen über das Getränk und dem damit verbundenen „Eklat“ mit der gleichen israelfeindlichen Tendenz berichtet hatten. Der israelische Gastronom Yorai Feinberg hatte auf dem Israeltag unter dem Motto „Watermelon meets Zion“ einen Cocktail angeboten und erklärend hinzugefügt, es handele sich um „Israeli Style Watermelon gehäckselt, püriert & zerhackstückelt auf Eis mit Vodkashot“. Darunter war ein Bild mit einem Comic-Löwen montiert, der die israelische Fahne als Schürze trägt und einen Cocktailmixer in der rechten Hand hält. Der Löwe Zions posiert vor einem ganzen Berg teilweise aufgeschnittener Wassermelonen. Auf einigen der Melonenhälften waren Smiley-Gesichter angedeutet. Die Taz hat am 29.4. noch ganz unschuldig gefragt: „Pietätlos oder Satire?“ – und beantwortet die Frage mit Zitaten von Sawsan Chebli (SPD) die erkannt haben will, dass die Bewerbung des Cockails „in zynischer Weise die Tötung meines Volkes zelebriert“ habe, und von MdB Rasha Nasr (auch SPD) die „tieftraurig und ehrlich gesagt auch wütend war.

Yorai Feinberg hatte gegenüber der Taz gesagt, was jeder wissen konnte: „Die Wassermelone symbolisiert den Krieg und den Terror gegen uns […]. In meinen Augen symbolisiert sie das neue Hakenkreuz“. Wie sehr ihm nicht nur die Taz schon eingeheizt hat, belegt Feinbergs völlig überflüssiges Bekenntnis: „Wir haben es als Witz über den grassierenden Antisemitismus und Israelfeindlichkeit verstanden, im geschützten Rahmen das Israeltages. Wir meinen es auf gar keinen Fall als Gewaltaufruf“. Er blieb allerdings bei seiner These, dass „moderne Symbole des Judenhasses im Mixer zerschreddert“ gehörten. Ärger hatte es nämlich mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft gegeben. „Als Organisatorin des Israeltags distanzierte sie sich von dem Werbeplakat. DIG-Vizepräsident Konstantin Ganss erklärte auf X, es sei geschmacklos und nicht mit den Grundsätzen der DIG vereinbar. Derartige ‚Äußerungen‘ würden niemanden ‚auf dem Weg zur Koexistenz im Nahen Osten oder bei der Bekämpfung des Antisemitismus helfen'“. (Jüdische Allgemeine, 28.4.2025) Konstantin Ganss ist übrigens SPD-Mitglied wie Sawsan Chebli, Rasha Nasr und Mehmed König, von dem noch zu reden sein wird, auch.

In der Fuggestraße, nicht weit vom Wittenbergplatz, liegt das Restaurant Feinberg’s, vor dem über Nacht ähnlich wie vor dem Bajszel häufig ein Polizeiauto steht, obwohl die Linkspartei im Stimmbezirk Finowschule, zu dem das Feinberg’s gehört, „nur“ auf 15 Prozent kommt. Die „Entrüstung“ (ND) über seinen genozidalen Zions-Cocktail hat der Eigentümer Stunden nachdem er auf Facebook ein Bild davon gepostet hatte, zu spüren bekommen. Er erhalte seither etwa alle 15 Minuten einen Hassanruf. Die Anrufer schrien „Free Palalestine“ oder dass es kein Israel und kein israelisches Essen gebe. Auch würden regelmäßig Autos vor dem Restaurant anhalten. (Taz a.a.O.)

Das müssen nicht zwingend alles homophobe Berufspalästinenser gewesen sein. Deren Job macht längst die „SPDqueer“, also die „Arbeitsgemeinschaft der SPD für Akzeptanz und Gleichstellung“ viel besser. Ihr Vorsitzender, der stolz darauf ist aus einem europäischen fallen state zu kommen, heißt Mehmed König und hat einen prima Melonen-Aufnäher auf seinem schwarzen Hemd. Auf der Facebook-Seite des Feinberg’s hat er als Reaktion auf die Präsentation des Zion-Cocktails folgenden Kommentar hinterlassen: „Angesichts der katastrophalen Lage in Gaza – mit zehntausenden Toten vor aller Augen, zerfetzten Körpern unschuldiger Zivilist*innen, (die wir tbh alle sehen können!), einer über 50 Tage andauernden Blockade von Hilfsgütern durch Israel, einer dramatischen humanitären Lage und der weitgehenden Zerstörung – ich bin fassungslos. Einfach nur fassungslos.“ Dafür gabs in drei Tagen 344 Likes.

Neukölln ist überall. Der feine Unterschied zu den Bewohnern anderer Gegenden besteht in der Doppelfunktion, in der 40 Prozent der Bewohner antreten. Wie der David Rojas Kienzle vom antizionistischen Schmierenblatt ND, den ein anderes antizionistisches Schmierenblatt, die in Hamburg erscheinende Zeitschrift ak (Analyse und Kritik), als „Journalist und Aktivist“ treffend charakterisiert hat, sind sie im Hauptberuf Idealisten. Sie haben die Vision von einer „gerechteren Welt, die möglich“ sei, „wenn wir selbst damit anfangen, daran zu arbeiten“ und zum Beispiel in der Emser Straße, das Bajszel und in der Fuggerstraße das Feinberg’s solange terrorisieren, bis die Eigentümer aufgeben und schließen. Der Berufsneuköllner teilt mit dem Berufspalästinenser die Gewissheit: „Wir sind die Hoffnung“, die zugleich das Motto des Bundesparteitags der Linkspartei am 9. und 10. Mai 2025 in Chemnitz ist.

Die Neuköllner SPD verschweigt schamvoll, warum sie im Stadtteil Britz mit seinen gut 50.000 Bewohnern von 32 Prozent der Zweitstimmen im Jahr 2021 auf 11,17 Prozent am 23.2.2025 abgestürzt ist, während die AfD im gleichen Zeitraum um zwanzig Punkte auf 42,51 Prozent zugelegt hat. Einer der Gründe sei benannt: Das Schmuckstück des Ortsteils, der 1989 eröffnete und aufwändig gepflegte Landschaftspark Britzer Garten, hat sich zu einem Aufmarschgebiet der islamistischen Gegengesellschaft entwickelt, die dort an den Wochenenden zu Hunderten die Exklusion der Stammbesucher betreibt – Hijjabzwang und öffentliche Gebetsübungen mit jeweils über hundert Teilnehmern inklusive. Sie haben die Hoffnung gepachtet und können sich auf Ihre Fürsprecher in Amt und Würden verlassen, die den Dialog mit dem Islamismus predigen oder sich gleich dessen Agenda zu eigen machen, wie der Herr der Melonen, Ferat Kocak, von der Neuköllner Linkspartei oder der Landesvorsitzende der Berliner SPDqueer, Mehmed König, der am 30. März folgenden nachdenklich stimmenden Beitrag auf Facebook gepostet hat:

Bajram Serif Mubarek Olsun – Eid Mubarak

Ich wünsche meiner Familie, meinen Verwandten und allen muslimischen Follower*innen ein gesegnetes Fest voller Frieden, Liebe und Geborgenheit. Möge dieser Bayram euch mit schönen Momenten im Kreis eurer Liebsten beschenken und eure Herzen mit Licht, Hoffnung und Dankbarkeit füllen. Ich wünsche euch von Herzen, dass eure Gebete erhört werden und sich das erfüllt, was ihr euch im Stillen wünscht – insallah. [...] Ich denke heute auch an all jene, die diesen Tag nicht in Sicherheit oder im Kreis ihrer Familie verbringen können: an die Menschen in Gaza, im Westjordanland, im Sudan, an die Uigur*innen – und an all die Muslim*innen weltweit, die unter Krieg, Genozid, Unterdrückung, Vertreibung, Flucht oder Naturkatastrophen leiden.“

    • Das Bündnis von Volkssolidarität und Moschee als Krisenlösung strebt die Linkspartei an. Wieso Die Linke eine neue bekämpfenswerte Partei ist und der Neuköllner Bezirksverband ihre Avantgarde beantworten Sören Pünjer und Justus Wertmüller.
    • Identitätspolitik als Sackgasse. Zu diesem Schluss kommt nach der erneuten Wahl Donald Trumps Martin Stobbe nicht nur bei den Demokraten. Seine Wahlanalyse und seine Einordnung des MAGA-Projektes.
    • Das Gold des 21. Jahrhunderts? Diese Frage stellte sich Benjamin Marschall zum Phänomen Bitcoin. Seine Antwort: Dass die Kryptowährung nicht die Überwindung des vertrauensbasierten Bankensystems bedeutet und Befürworter und Gegner gleichermaßen die Zirkulationssphäre überbetonen.
    • Nicht mit uns – nicht mit unserem Geld!, so schallt es begleitend zur absehbaren Niederlage der Ukraine in ihrem Freiheitskrieg durchs Land. Weshalb deutsche Friedenssehnsucht die Verachtung von Freiheit bedingt, dazu Justus Wertmüller.
    • Aufklärung muss auch ihre Grenzen haben, so lässt sich das linke Leitmotiv beim Umgang mit der Geiselnahme Boualem Sansals durch den algerischen Staat umschreiben. Tjark Kunstreich und Joel Naber belegen das exemplarisch am Umgang der Zeitschrift Jungle Wold mit dem Schriftsteller.
    • Mahdi statt Logos?, fragt Ingo Donnhauser in Erinnerung des Konzils von Nizäa. Warum Ethnopluralisten aller Coleur das erste große christliche Konzil verabscheuen und endzeitliche islamische Mystik bewundern.
    • Weil mehr gar nicht geht. In seinem Nachruf auf das Assad-Regime befindet Sören Pünjer über die Grenzen des Machbaren nach dem Sieg der Sunna über die Shia in Syrien.
    • Instrumentelle Restvernunft bescheinigt Benjamin Marschall dem Positivismus. Sein Lob dieser Denkweise unter besonderer Berücksichtigung antisemitischer Faktenverweigerung nach dem 7. Oktober.
    • Partei mit völkischer Resterampe nennt Jonas Dörge die AfD. Für wie antisemitisch er die Partei hält und ob sie eine von oder für Antisemiten ist.
    • Zehn Jahre nach der Zäsur von Heidenau konstatiert die Pirnaer Autonome Linke angesichts der Wahlergebnisse zum Bundestag das Ende der Willkommenskultur. Warum dieses keine bessere Zukunft verspricht.

SPALTE3-AKTUELL-RUBRIK

SPALTE3-AKTUELL-DATUM


SPALTE3-AKTUELL-TITEL


SPALTE3-AKTUELL-TEXT

Frühere Aktivitäten sind im Aktuell-Archiv aufgeführt. Dort gibt es auch einige Audio-Aufnahmen.


Zum Aktuell-Archiv

Alle bisher erschienenen Ausgaben der Bahamas finden Sie im Heft-Archiv jeweils mit Inhaltsverzeichnis, Editorial und drei online lesbaren Artikeln.


Zum Heft-Archiv

Reprint Band 2

A1 Plakat

Für Israel

gegen die postkoloniale

Konterrevolution

Zum Shop

Reprint Bände

Reprint Bände

Nachdruck von

jeweils 10 Heften

Zum Shop

Buch von Justus Wertmüller

Verschwörungen

gegen das

Türkentum

218 Seiten, 15 €

Zum Shop

Bahamas Stofftasche 38 x 40 cm

Stofftasche

38 x 40 cm

Zum Shop

Ansteckbutton 25 mm

Ansteckbutton

25 mm

Zum Shop