Nie hat die BAHAMAS Zweifel daran aufkommen lassen, was sie von Politik und linkem Politik-Machen hält: Nichts. Und immer wird ihr genau diese rigide Abgrenzung als Beleg für elitäre Haltung und Folgenlosigkeit der Kritik vorgehalten.
Als sei nun das Editorial der letzten Nummer ein Dementi gewesen, taucht die BAHAMAS plötzlich in der politischen Szenerie auf: Am 5.12.99 hält ein BAHAMAS-Redakteur einen Redebeitrag auf der Kundgebung des IG-Farben-Bündnisses gegen die wiederkehrenden Aktivitäten faschistischer Gruppierungen gegen jüdische Friedhöfe und das geplante Holocaust-Denkmal. Am 15.01.2000 steht die halbe Redaktion im Schneetreiben in Berlin-Friedrichsfelde und erschreckt Ostberliner Spaziergänger mit den Forderungen „Straffreiheit für Olaf Staps“ und „PDS raus aus der Liebknecht/Luxemburg-Demo“. Am 29.01.00 treibt die bekehrte Redaktion scheinbar Aktionismus traditionellsten Zuschnitts und hält allen Ernstes vor dem Berliner Hotel Intercontinental eine Kundgebung aus Anlaß der zeitgleich dort stattfindenden Talkshow mit Jörg Haider ab. Diesmal zeigen sich die eingefleischten Praxisverächter so lernfähig, daß sie dem traditionellen Antifa-Bündnis aus Junge Linke und PDS qua blitzschneller Anmeldung den schönsten Standort wegschnappten und die solchermaßen ins Hintertreffen Geratenen durch kompromißlosen Gebrauch der Lautsprecherhoheit zum Anhören eines halbstündigen Redebeitrags nötigte. Aktuell steht die Redaktion in Verhandlungen über eine Beteiligung an Antifa-Aktivitäten anläßlich des 55. Jahrestages der Befreiung des KZs Oranienburg im April.
Vermittelt die BAHAMAS jetzt also auch „fortschrittliche Inhalte“, möchte sie auch im großen linken Abgreifwettbewerb „Wer hat die meisten Anhänger?“ dabei sein? Keineswegs. Der Redebeitrag vom 5.12.99 widmete sich der auf solchen Anlässen üblichen Abwesenheit der gesamten kritischen Linken und rechnete hoch, daß auch die in Berlin lebenden Leser von Konkret und jungle world zu gut 90% nicht auf diese und vergleichbare Kundgebungen kommen. Die BAHAMAS-Einlassung zielte nicht auf die Bekräftigung des Konsenses der wenigen Protestierer gegen den Antisemitismus – der wurde vorausgesetzt –, sondern forderte die Zuspitzung der Kritik am Antisemitismus zur kommunistischen Kritik an der deutschen Demokratie. Empfohlen wurde, als Zielgruppe trotz allem die Linke ins Visier zu nehmen, der vorzuhalten sei, daß gerade ihr Nichtverhalten zum Streit um das Holocaust-Mahnmal opportunistischer Absentismus sei und damit Kollaboration beim Vollzug deutscher Normalität.
Auch die Anti-Haider-Kundgebung wiederkäute kein dröges Nie wieder. Zur Verärgerung nicht weniger Teilnehmer wurde der Anlaß des Protestes als unpassend verworfen und empfohlen, den neu sich formierenden Antifaschismus von Rot-Grün und PDS ins Visier der Kritik zu nehmen und nicht nur den zum Popanz aufgeblasenen FPÖ-Vorsitzenden. Die Verhaiderung Deutschlands wurde nicht wohlfeil an den Personen Schily und Schröder festgemacht. Ins Zentrum gerieten stattdessen die grüne Partei und ihre Ausländerpolitik, die PDS und jede Form eines demokratischen Antifaschismus, der sich im Zeichen der Anti-Haider-Konjunktur womöglich zur wohlgelittenen NGO mausern könnte.
Nein, die BAHAMAS macht weiterhin keine Politik. Politik-Machen heißt, die Unzufriedenheit der Leute aufgreifen, bündeln und organisieren, heißt in Etappen vorzugehen, den Leuten erst einmal nicht zuviel zuzumuten, allmählich Bewußtsein zu schaffen und so weiter ... Anders, so behaupten die linken Politiker, ließen sich die für die Abschaffung der Verhältnisse nötigen Massen nicht gewinnen. Doch lassen wir den vielfach nachgewiesen Unsinn mit der schrittweisen Radikalisierung der Unzufriedenen und der Zuspitzung demokratischer Kritik bis hin zum Umschlag in revolutionäre Politik (!) einmal beiseite: Auch radikale Gesellschaftskritik steht vor dem Dilemma, daß sie ihren Bemühungen ein subjektives Potential zugrunde legen muß, ohne es aber als Subjekt setzen zu können. Die von der BAHAMAS betriebene „Kritik alles Bestehenden“ maßt sich keinen Röntgenblick an, der die Bewußtseins- und Handlungsformen der vergesellschafteten Individuen auf ihr „eigentlich“ widerständiges Wesen hin zu durchschauen vermag, der anscheinend vor allem Ideologen der autonomen Szene eigen ist. Daß die Leute, wenn sie aus ihren Lebens- und Denkgewohnheiten losgerissen werden (etwa im Gefolge der Krise) oder wenn sie sich durch Protest selbst daraus zu erheben beanspruchen, etwas anderes wollen als den Vollzug des Immergleichen, ist zwar eine objektive Möglichkeit, jedoch eine, von der man nichts Bestimmtes wissen oder aussagen kann. Mit hundertprozentiger Sicherheit läßt sich nur eins wissen: Daß jeder Protest, der nicht mit den zentralen Formprinzipien der kapitalistischen Vergesellschaftung bricht, diese reproduzieren muß, unabhängig vom Bewußtsein der Protestierenden.
Die BAHAMAS betreibt bekanntlich Kritik in agitatorischer Absicht und in strenger Abgrenzung zum Wissenschaftsbetrieb. Ob Agitation überhaupt gelingen kann, vermag niemand zu sagen. Ihre Gestalt läßt sich jedoch eingrenzen: Revolutionäre Kritik setzt sich zu ihren Adressaten niemals in ein positives, bestätigendes Verhältnis, sondern notwendig in ein polemisches und negatives. Prinzip der Agitation muß die Sabotage der allzu gut funktionierenden Vermittlung zwischen den Geboten des objektiven Zwangsgefüges und der Mikrologie der Einzelnen sein, um so den womöglich noch vorhandenen Ekel am eigenen Mittun nach Kräften zu schüren. Mit der Ansprache der BAHAMAS an die Luxemburg/Liebknecht-Fangemeinde, aber vielleicht mehr noch mit dem bemerkenswerten Beitrag von Franz Katz, der an der Universität Mannheim verteilt wurde und allen Ernstes Studenten die Schamesröte über ihre erbärmliche Existenz und degoutanten Hoffnungen ins Gesicht treiben wollte, stellen wir zwei Etüden in praktischer Agitation vor, zwei Versuche, dem verhärteten Sich-Einrichten in traditionssozialistischem Gedenken hier und der freiwilligen Selbstzurichtung für den lebenslangen Kampf um die Futterplätze dort durch den rhetorischen Gestus der Befragung zu Leibe zu rücken.
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